Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Wahlmann zu TOP 11 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18. November 2025


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,


an die Antragsteller: Da haben Sie mal wieder einen schönen Gesetzentwurf für Ihre Bubble geschrieben.

Er geht allerdings an der Realität vorbei.

Uns eint der Wunsch, dass auch diejenigen Personen, die bei uns im Justizvollzug untergebracht sind und entweder im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben oder eine Freiheitsstrafe verbüßen, vor Übergriffen geschützt sind.

Uns eint auch der Grundsatz, dass Frauen und Männer im Justizvollzug getrennt voneinander untergebracht werden.

Es zeugt jedoch von grober Verkennung der Realität zu fordern, dass bei Vorschriften, die auf das Geschlecht Bezug nehmen, grundsätzlich nur das bei der Geburt festgestellte biologische Geschlecht maßgeblich sein soll.

Selbst Sie werden nicht leugnen können, dass es Neugeborene gibt, bei denen die Ärztin oder der Arzt unmittelbar nach der Geburt nicht mit Sicherheit eine Festlegung auf „Junge“ oder „Mädchen“ treffen kann.

Und selbst Sie werden nicht leugnen können, dass es Personen gibt, die bereits eine Geschlechtsumwandlung haben durchführen lassen – und zum heutigen Zeitpunkt sowohl von den Geschlechtsmerkmalen als auch vom Erscheinungsbild her ganz eindeutig einem anderen Geschlecht zuzuordnen sind als bei ihrer Geburt.

Wissen Sie, was das für Konsequenzen hat, wenn Sie das zu Ende denken?

Sie wollen allen Ernstes Männer in unsere JVA für Frauen in Vechta einweisen lassen!

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Das machen wir nicht mit.

Auch ich kenne den Fall des wegen Volksverhetzung und einer ganzen Latte anderer Straftaten verurteilten Rechtsextremen, der sich als Frau hat eintragen lassen und damit versucht hat, in einem Frauengefängnis in Sachsen unterzukommen.

Solche Personen wollen wir selbstverständlich nicht im niedersächsischen Frauenvollzug.

Und wir haben Vorkehrungen getroffen, damit solche Fälle bei uns nicht vorkommen.

Und anders als Sie, die sich allein an einer fragwürdigen Ideologie orientieren, wählen wir eine praxisorientierte, pragmatische Lösung.

Unser Maßstab ist dabei das Grundgesetz.

Unser Maßstab ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedes Menschen.

Unser Maßstab ist die Menschenwürde.

Mein Haus erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf, der ganz klar regelt, wie mit Gefangenen zu verfahren ist, deren äußere Geschlechtsmerkmale von denjenigen des eingetragenen Geschlechts abweichen – dasselbe gilt für Gefangene mit dem Eintrag „divers“.

In solchen Fällen entscheidet die Anstaltsleitung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.

Kriterien dafür sind unter anderem:

• das äußere Erscheinungsbild des Gefangenen,

• Individualrechte Dritter,

• die Bedürfnisse und die Persönlichkeit des Gefangenen und

• die Sicherheit der Anstalt.

Im Klartext: Wenn andere Gefangene oder die Sicherheit der Anstalt gefährdet wären, wird eine Person mit vom Eintrag abweichenden Geschlechtsmerkmalen nicht in der zunächst vorgesehenen Anstalt untergebracht.

Gleichzeitig berücksichtigt die Anstalt aber auch die Persönlichkeit und die Sicherheit des oder der betroffenen Gefangenen:

Wir werden also auch keine Gefangene, die den Umwandlungsprozess zur Frau schon fast vollendet hat, in einer Männeranstalt unterbringen, wenn ihre Sicherheit dort gefährdet wäre – vorausgesetzt, die Rechte anderer Gefangener oder die Sicherheit der Anstalt sind nicht als überwiegend zu bewerten.

Sie sehen: Wir nehmen eine wohlausgewogene Abwägung vor.

Denn auch wenn es nicht in Ihr Weltbild passen mag: Bei diesen wenigen Einzelfällen verbietet sich eine Einteilung nach Schema F.

Wir werden niemanden sehenden Auges der Gefahr von Mobbing und körperlichen und sexuellen Übergriffen aussetzen – das gebietet schon die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern.

Das gilt für Transgender-Gefangene genauso wie für Gefangene, die sich eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen.

Alle – ich betone: alle (!) Gefangenen haben gleiche Rechte und gleiche Pflichten.

Freiheitsentzug bedeutet nicht den Entzug der Würde.

Wer seine Strafe verbüßt, bleibt ein Mensch – mit Rechten, mit einer Identität, mit einem Anspruch auf Respekt.

Von rechten Aktivisten, die meinen, sie könnten das Gesetz ad absurdum führen, lassen wir uns dabei nicht auf der Nase rumtanzen.

Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion abzulehnen.

Vielen Dank!“


Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.11.2025

Ansprechpartner/in:
Frau Verena Brinkmann

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 5044

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln