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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zu TOP 29 „Erbrachte Prüfungsleistungen honorieren und die rechtswissenschaftliche Ausbildung attraktiver gestalten“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26. September 2024


Es gilt das gesprochene Wort!


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

stellen Sie sich vor, Sie haben vier, fünf oder gar sechs Jahre lang Jura studiert. Sie haben alle erforderlichen Leistungen erbracht, um zum Examen zugelassen zu werden. Doch dann geht alles schief – Sie fallen endgültig durch. Dann haben Sie mit Mitte 20 nichts vorzuweisen als Ihr Abitur. Denn bislang zählen die im Fach Rechtswissenschaften erworbenen Studienleistungen – anders als in anderen Studiengängen – rein gar nichts.

Dieses Schicksal hat in Niedersachsen im Jahr 2023 zum Glück nur 29 von 815 Prüflingen ereilt, das sind etwa 3,5 %. Aber das sind immerhin 29 junge Menschen, die nach Jahren des – bis dahin erfolgreichen – Studiums ohne jeglichen berufsqualifizierenden Abschluss dastehen.

Mindestens ebenso schwer wie die eher kleine Zahl der endgültig Durchgefallenen wiegt der immense Druck auf jede einzelne Studentin und jeden einzelnen Studenten – auf die große Masse, bei denen am Ende alles glatt läuft. Das große „Alles oder Nichts“ am Ende des Studiums verursacht selbst bei den Besten einen ganz massiven psychischen Druck und schürt echte Existenzängste. Das ist die Kehrseite der anspruchsvollen und eine hohe Qualität gewährleistenden juristischen Abschlüsse.

Natürlich kann man leichthin sagen: „Ein bisschen Druck gehört dazu, das muss man aushalten.“ Aber im Vergleich zu anderen Studiengängen, in denen man sich heute den Abschluss Modul für Modul erarbeitet, ist die psychische Belastung in Examensstudiengang Jura einfach immens. Und es ist auch schlicht ungerecht, wenn bei Juristinnen und Juristen – anders als in anderen Studiengängen – die vielen an sich schon herausfordernden – und oft auch guten – Leistungen im Studium so gar keine Anerkennung finden.

Aus diesen Gründen stehe ich hinter dem vorliegenden Antrag. Es ist mehr als angemessen, die umfassenden Leistungen, die schon vor dem Examen erbracht werden müssen, mit einem Bachelor zu honorieren – und die Expertinnen und Experten meines Landesjustizprüfungsamtes haben versichert, dass die Leistungen, die vor dem ersten juristischen Staatsexamen erbracht werden müssen, deutlich umfangreicher sind als diejenigen, die in anderen Studiengängen für den Erwerb eines Bachelors ausreichen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Unser Leitbild der umfassend ausgebildeten Volljuristinnen und Volljuristen im System der beiden juristischen Staatsexamina ist und bleibt das richtige. Nur auf diese Weise – und ohne eine zusätzliche Modularisierung des Studiums – können wir die hohe Qualität der Rechtspflege und der Rechtsprechung in unserem Rechtsstaat aufrechterhalten. Und das betrifft nicht nur Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, sondern auch die gesamte Rechtsanwaltschaft, die Notarinnen und Notare und viele weitere Professionen. Wer will schon vor einem Richter stehen, der das Thema Grundrechte mit einem Schein im vierten Semester erledigt hat und sich später nie wieder damit befassen musste?! Nein – wir stehen in Deutschland für einen starken Rechtsstaat und das soll sich auch weiterhin in der Qualität der fertigen Juristinnen und Juristen so zeigen. Am System der beiden Staatsexamina, in denen sämtliches Wissen auf den Punkt abrufbar sein muss, ist daher nicht zu rütteln.

Aber der integrierte Bachelor ist eine zeitgemäße Ergänzung: Der großen Masse der Studierenden geben wir damit die Sicherheit, auch im Falle des endgültigen Durchfallens bereits aufgrund der bereits erbrachten Studienleistungen einen Abschluss – nämlich den Bachelor – erworben zu haben. Und den wenigen, die tatsächlich das Examen nicht absolvieren möchten oder nicht bestehen, eröffnen wir konkrete Zukunftsperspektiven, etwa in Unternehmen oder auch in der allgemeinen Verwaltung.

Vielen Dank!“


Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.09.2024

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

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