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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann im Niedersächsischen Landtag zu TOP 23 „Gute Personalausstattung im niedersächsischen Justizvollzug sicherstellen - belastbares Personalbemessungssystem entwickeln und umsetzen“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 8. Februar 2024


Es gilt das gesprochene Wort!


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

die Kolleginnen und Kollegen im niedersächsischen Justizvollzug leisten eine ganz hervorragende Arbeit – und das an einem hoch anspruchsvollen Arbeitsplatz. Dass viele Gefangene schwierig im Umgang sind, ist nichts Neues, sondern systemimmanent: Würde es sich um Menschen handeln, die sich an alle Regeln halten, dann säßen sie nicht im Gefängnis.

Gleichwohl stellen wir seit einigen Jahren fest, dass die – ohnehin schon tendenziell nicht ganz einfache – Klientel zunehmend schwieriger wird: Wir haben eine steigende Zahl an Gefangenen mit psychischen Auffälligkeiten, wir haben eine steigende Zahl an Suchterkrankten und wir haben eine steigende Zahl an Gefangenen mit beidem gleichzeitig. Hinzu kommen Sprachbarrieren und subkulturelle Tendenzen.

Dass es gelingt, diesen Herausforderungen Herr zu werden, ist unseren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vollzug zu verdanken – den vielen überzeugten Vollzuglern, die für die Sache brennen und trotz der Herausforderungen „den Laden am Laufen halten“. Damit sorgen sie für unser aller Sicherheit.

Wir sind es den fast 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vollzug deshalb schuldig, ihnen vernünftige Arbeitsbedingungen zu bieten. Einiges haben wir als Land dazu gemeinsam schon erreicht. Wir haben die Vollzugszulage erhöht, im Haushalt 2024 insgesamt 75 Stellenhebungen geschaffen und zudem auch den Bekleidungskostenzuschuss für die Vollzugsbediensteten erhöht. Dies stellt nicht nur eine finanzielle Unterstützung, sondern ausdrücklich auch ein Zeichen der Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen im Vollzug dar.

Zu einem attraktiven Arbeitsplatz gehört aber auch, die tatsächliche Belastung – und damit auch den wahren Bedarf – verlässlich zu erfassen und das verfügbare Personal so gerecht wie möglich zu verteilen. In vielen Bereichen der Justiz gelingt das mit dem System „PEBB§Y“ seit vielen Jahren – bei allen Schwächen – recht verlässlich.

Im Vollzug hat man sich dagegen über viele Jahre auf gewachsene Erfahrungswerte und die Beurteilung durch eine interne Kommission verlassen. Aus dem Vollzug heraus hören wir nun seit Jahren den Wunsch, ein objektives Personalbemessungssystem auf objektiver Basis erstellen zu lassen. Mit PEBB§Y wird sich das nicht vergleichen lassen, weil PEBB§Y gerade darauf beruht, dass die Bearbeitung eines Verkehrsunfalls am AG Wittmund im Durchschnitt genauso lange dauert wie am AG Osterode.

Das ist im Vollzug gerade nicht so: Die Anstalten sind baulich extrem unterschiedlich, sie haben unterschiedliches Klientel, sie vollstrecken unterschiedliche Vollzugsarten, sie haben unterschiedliche Abteilungen und unterschiedliche Funktionen.

Wir werden daher ein von PEBB§Y unabhängiges, völlig neues Personalbemessungssystem für den Vollzug auf den Weg bringen. Das haben wir im Koalitionsvertrag versprochen und ich bin den Koalitionsfraktionen sehr dankbar, dass auch sie dem Projekt mit dem vorliegenden Antrag noch einmal ausdrücklich Rückendeckung geben.

Als ersten Schritt werde ich in den nächsten Monaten eine umfassende Organisationsuntersuchung des Vollzugs auf den Weg bringen, auch mithilfe externen Sachverstandes. Eine entsprechende Ausschreibung soll noch im ersten Quartal 2024 erfolgen. Damit ermitteln wir erstmals objektiv, welcher Aufwand in welchem Bereich des Vollzugs anfällt. Auf dieser Grundlage werden wir anschließend ein verlässliches System entwickeln, um den Personalbedarf für die einzelnen Aufgaben und Bereiche jeder Vollzugsanstalt nach einem einheitlichen System zu bestimmen – das zugleich Raum für örtliche Besonderheiten lässt.

Ich will aber auch sehr deutlich sagen, dass der Vollzug mit einem solchen System – verständlicherweise – die Erwartung verknüpft, dass der Personalbedarf nicht nur erhoben, sondern auch gedeckt wird. Denn was nützt es, zu wissen, wie viele Stellen fehlen, wenn diese dann nicht auch geschaffen werden? Neben „PEBB§Y 1,0“ muss das Ziel daher dann künftig auch „Vollzugsbedarf 1,0“ lauten.

Die Kolleginnen und Kollegen im Justizvollzug haben jeweils ein großes Interesse an einem solchen Personalbemessungssystem – daher bitte ich Sie auch im Namen all dieser Mitarbeitenden in unseren Justizvollzugsanstalten, dem vorliegenden Entschließungsantrag zuzustimmen.

Vielen Dank!“

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Artikel-Informationen

erstellt am:
08.02.2024

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

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