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Einbringung des Entwurfs eines Transparenzgesetzes für Niedersachsen in den Niedersächsischen Landtag (Drs. 17/8004)

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17. Mai 2017, Erste Beratung (TOP 12)


Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz


Es gilt das gesprochene Wort!


„Nur gut informierte Bürgerinnen und Bürger können unsere Gesellschaft engagiert und kompetent mitgestalten. Es ist ein zentrales Anliegen der Landesregierung, die demokratische Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung in Niedersachsen zu fördern.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet der heute in den Landtag einzubringende Entwurf eines Transparenzgesetzes für Niedersachsen, mit seinem Herzstück in Artikel 1, dem Niedersächsischen Informationszugangsgesetz. Darin wird den Bürgerinnen und Bürgern ein voraussetzungsloser Anspruch auf Zugang zu den Informationen der öffentlichen Verwaltung eingeräumt. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, die Möglichkeiten des Internets für einen digitalen Dialog zwischen Staat und Gesellschaft besser zu nutzen.

Der Gesetzentwurf ist ein zentrales Vorhaben dieser Koalition. Wir machen damit einen großen Schritt hin zu mehr Transparenz staatlichen Handelns.

Transparenz macht staatliche Entscheidungen nachvollziehbar und fördert auf diese Weise das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliche Institutionen. Demokratie lebt vom Mitmachen. Das Gesetz ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, sich im Vorfeld politischer Entscheidungen die notwendigen Informationen zu verschaffen und eine fundierte Meinung zu bilden. Sie werden in die Lage versetzt, sich am öffentlichen Diskurs zu beteiligen. Wissen ist die Voraussetzung für eine lebendige Demokratie. Ungefiltertes selbst verschafftes Wissen.

Kern des Gesetzes ist der Anspruch auf ungehinderten Zugang zu amtlichen Informationen. Der Informationszugang kann auf jede erdenkliche Weise erfolgen, insbesondere durch Auskunft oder Akteneinsicht, aber beispielsweise auch durch Übersendung von Kopien. Informationsbegehren sollen spätestens innerhalb eines Monats beschieden werden. Bei komplexen Informationsbegehren kann die Frist verlängert werden. Anspruchsberechtigt ist jede Person. Auf eine eigene rechtliche oder tatsächliche Betroffenheit kommt es nicht an. Der Anspruch ist voraussetzungslos und muss nicht begründet werden. Das ist neu. Derzeit müssen Antragstellerinnen und Antragsteller in der Regel ein berechtigtes Interesse an der begehrten Information nachweisen. Das fällt künftig weg.

Der Gesetzentwurf zielt auf größtmögliche Transparenz im staatlichen Bereich ab. Aber es gibt besonders sensible Bereiche, für die dies nicht gelten kann. Keiner oder nur einer eingeschränkten Informationspflicht unterliegen beispielsweise die Gerichte, die Strafverfolgungs-, Strafvollstreckungs- oder Maßregelvollzugsbehörden, die Finanzbehörden, Bildungseinrichtungen oder das Landesamt für Verfassungsschutz.

Einschränkungen gibt es nicht nur für Institutionen. Keine Person muss befürchten, dass Behörden künftig personenbezogene Daten ohne weiteres der Allgemeinheit offenbaren. Vor der Herausgabe personenbezogener Daten müssen die Betroffenen gehört werden. Willigen diese nicht ein, dürfen ihre personenbezogene Daten nur im Ausnahmefall herausgegeben werden, wenn das Informationsinteresse des Antragstellers das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen übersteigt. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürfen überhaupt nur mit Einwilligung der Inhaberin oder des Inhabers zugänglich gemacht werden.

Darüber hinaus können dem Informationszugang auch schutzwürdige öffentliche Belange entgegenstehen. So besteht beispielsweise kein Anspruch auf Informationszugang, soweit die begehrte Information einer Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Ebenso ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen Niedersachsens zu einem anderen Land haben kann oder dadurch der Erfolg einer behördlichen Maßnahme vereitelt werden würde.

Ganz kostenfrei ist das Antragsverfahren nicht. Dem Aufwand der Behörde muss Rechnung getragen und Missbrauch vorgebeugt werden. Die Erteilung einfacher Auskünfte mit einem Bearbeitungsaufwand von nicht mehr als einer halben Stunde ist allerdings gebührenfrei. Ansonsten bemisst sich die Gebührenhöhe nach dem Zeitaufwand, der für die Antragsbearbeitung erforderlich ist.

Neben dem Informationszugang auf Antrag steht der Informationszugang durch Veröffentlichung. Durch den Gesetzentwurf werden die informationspflichtigen Stellen angehalten, möglichst viele Informationen im Internet oder in sonstiger Weise zu veröffentlichen. Außerdem ist geplant, dass die Verwaltung alle wesentlichen Informationen zukünftig in einem allgemein zugänglichen zentralen Informationsregister im Internet zur Verfügung stellt. In dem Gesetzentwurf wird die Landesregierung ermächtigt, ein solches Register mittels Rechtsverordnung einzurichten.

Falls es bei der Anwendung des neuen Gesetzes Probleme oder Fragen geben sollte, kann sich jeder Bürger und jede Bürgerin sowie auch jede Behörde an eine unabhängige Stelle wenden, nämlich an die Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit. Sie wacht darüber, dass die Regelungen des Informationszugangsgesetzes eingehalten werden. Mit dieser Aufgabe wird die Landesbeauftragte für den Datenschutz betraut.

Nach 5 Jahren soll das Gesetz evaluiert werden, um zu schauen, ob es sich bewährt hat.

Durch diesen Gesetzentwurf wird nicht weniger als ein epochaler Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung eingeläutet: weg vom Arkanprinzip hin zur Informationsfreiheit.

Angesichts dieser Bedeutung haben wir auf die Ausarbeitung des Entwurfs sehr viel Sorgfalt verwandt: Wir haben uns die Erfahrungen aus anderen Ländern angeschaut und bei der Erarbeitung des Entwurfs die entsprechenden Evaluationsergebnisse berücksichtigt. Innerhalb der Ressorts haben wir einen sehr ausführlichen Abstimmungsprozess durchgeführt, das hat Zeit gekostet, war aber sehr ertrag- und erfolgreich. Schließlich haben wir an der Verbandsanhörung über 150 Verbände und Einrichtungen beteiligt, von denen rund 60 Stellungnahmen abgegeben haben, die wir ebenfalls ausgewertet und in den Gesetzentwurf eingearbeitet haben.

Der sorgfältige Abstimmungsprozess hat sich gelohnt! Das Ergebnis, das heute vor Ihnen liegt, ist ein gut ausgewogener Kompromiss zwischen den Geheimhaltungsinteressen zum Schutz öffentlicher oder privater Belange einerseits und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit andererseits.

Die Kehrseite des sorgfältigen, aber auch erforderlichen Abstimmungsprozesses ist, dass die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs mehr Zeit gekostet hat, als wir uns das zu Beginn der Legislaturperiode vorgestellt haben. Mir ist bewusst, dass Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, nicht mehr viel Zeit bleibt, den Gesetzentwurf noch in dieser Legislaturperiode zu beraten und zu verabschieden. Dennoch möchte ich mit der an Sie gerichteten Bitte schließen, mit der Verabschiedung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode dazu beizutragen, dass Niedersachsen künftig nicht mehr zu der Gruppe von nur noch vier Ländern gehört, in denen es kein Informationszugangsgesetz gibt.“

Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hält eine Rede im Landtag   Bildrechte: Sven Brauers

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.05.2017

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Ehsan Kangarani

Nds. Justizministerium
Referent für Öffentlichkeits- und Pressearbeit
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5077
Fax: 0511 / 120-5181

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