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Unterrichtung des Niedersächsischen Landtags durch die Niedersächsische Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: „Einstellungspraxis der niedersächsischen Justiz – Keine Abstriche bei der fachlichen Qualität der Bewerberinnen und Bewerber“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 8. Februar 2024


Es gilt das gesprochene Wort!


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,

nach der kurzzeitigen Aufregung vorhin, möchte ich kein Öl ins Feuer gießen, auch wenn ich mich über manchen Vorwurf schon geärgert habe. Deshalb ganz sachlich und der Reihe nach.

Ich wurde vorhin gefragt: „Haben Sie die Einstellungsstandards für den Richterdienst und Staatsanwaltsdienst gesenkt?“ Darauf habe ich erklärt, dass ich das nicht getan habe. Ich habe überhaupt keine Veränderungen der Einstellungspraxis angeordnet. Und es hat auch keine Senkung der Einstellungsvoraussetzungen gegeben.

Die Einstellungsstandards sind heute dieselben wie unter meiner Vorgängerin. Im entsprechenden Merkblatt heißt es seit Jahr und Tag:

„Mindestvoraussetzung für die Einladung zum Einstellungsinterview sind 8 Punkte in der zweiten juristischen Staatsprüfung. Berücksichtigt werden können auch Bewerberinnen und Bewerber, die im zweiten Staatsexamen ein befriedigendes Ergebnis erreicht haben, wenn ihre besondere fachliche Qualifikation anderweitig belegt ist, etwa durch nachgewiesene besondere Leistungen im Referendariat oder der ersten Staatsprüfung oder durch nachgewiesene wissenschaftliche Tätigkeit. Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber, die im 2. Staatsexamen ein mindestens befriedigendes Ergebnis erreicht haben, erhalten auf ihre Bewerbung hin stets eine Einladung zu einem Einstellungsinterview.“

Das war Sachlage und das ist Sachlage. Wie vorhin gesagt: Glücklicherweise wollen weiterhin viele der besten Absolventinnen und Absolventen zu uns und am Rechtsstaat mitarbeiten.

Sodann ging es um den Erlass aus dem Personalreferat meines Hauses vom 24. Januar 2024, der damit heute zu einer mehr als überraschenden Prominenz gelangt ist. Dieser Erlass nun sollte vermeintlich eine Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen beinhalten.

Daraufhin habe ich angegeben, dass ich den Erlass tatsächlich nicht kenne und die Sache aufklären werde. Das entsprach und entspricht in jeder Hinsicht der Wahrheit. Dieser Erlass war mir nicht bekannt, weil er durch den zuständigen Abteilungsleiter herausgegeben wurde, ohne dass er mich oder den Staatssekretär um Billigung gebeten hätte. Und das war mit Blick auf den Inhalt des Erlasses, zu dem ich noch komme, auch völlig in Ordnung so.

Die versprochene Aufklärung hätte ich Ihnen so oder so nachgeliefert. Nun habe ich hier und jetzt direkt Gelegenheit, das zu tun. Und ich denke, dieses Vorgehen, sich auch als Ministerin oder Minister im Zweifel lieber zuerst gründlich zu informieren, um dann qualifiziert sprechen zu können, entspricht auch genau den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Ich denke dagegen nicht, dass der Staatsgerichtshof erwartet, dass Ministerinnen und Minister ad hoc qua Gedankenübertragung zu jedem nachgeordneten Dokument aus ihrem Haus spontan sprechfähig sind.

Aber gut, nachdem die Spannung mit Händen zu greifen ist, hier nun des Rätsels Lösung, worum es in dem genannten Erlass geht.

Ich habe vorhin dargestellt, dass es uns in einer wirklich tollen Solidaritätsaktion der Justiz gelungen ist, die hoch belasteten Staatsanwaltschaften im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Celle um 40 Stellen – 20 Stellen im Staatsanwaltsdienst und 20 im mittleren Dienst – zu verstärken. Diese sollen natürlich nun auch kurzfristig besetzt werden – und nicht erst am Jahresende. Dazu hat es eine Dienstbesprechung zwischen Vertreterinnen und Vertretern meines Hauses, der Generalstaatsanwaltschaft Celle und des Oberlandesgerichts Celle als zuständiger Einstellungsbehörde gegeben. Zu den Ergebnissen heißt es auszugsweise in einem Vermerk aus meinem Haus:

„Im Bereich der GenStA Celle ist die Belastung … seit einiger Zeit als besonders dramatisch einzustufen. Um dieser besonderen Belastungssituation kurzfristig abzuhelfen, hat Referat 104 ein Konzept zur Verstärkung der Staatsanwaltschaften entwickelt, das u.a. 20 zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vorsieht …

Das OLG Celle hat hierzu mitgeteilt, dass eine größere Flexibilität bei den Einstellungsvoraussetzungen mindestens wünschenswert, wenn nicht sogar erforderlich sei, um kurzfristig 20 neue Richterinnen und Richter auf Probe einstellen zu können. Zum anderen wurde diskutiert, ob und welche Abweichungen von dem Allgemeinen Personalentwicklungskonzept für Proberichterinnen und Proberichter notwendig sind, um zu erreichen, dass die vorgesehene Personalverstärkung auch tatsächlich möglichst schnell in möglichst großem Umfang bei den Staatsanwaltschaften ankommt und nicht durch Maßnahmen wie die Entlastung und die (mit großem personellen Aufwand verbundene) Gegenzeichnung wieder aufgezehrt wird. Wegen der Ergebnisse der Besprechung wird auf den Erlass zu Ziff. 2 verwiesen.“

Wenn in diesem Vermerk davon die Rede ist, wie heraufordernd die Gewinnung von 20 neuen Kolleginnen und Kollegen ist, bedeutet das auch nicht, dass wir ein Nachwuchsproblem haben. Aber 20 zusätzliche Einstellungen sind einfach ein riesiger Kraftakt, der etwas Flexibilität verlangt. Zum Vergleich: Im Ganzen Jahr 2023 haben nach den aktuellen Zahlen 50 neue Proberichterinnen und Proberichter im Bezirk Celle ihren Dienst angetreten. Die 20 neuen Stellen, die nun in ein bis zwei Monaten besetzt werden sollen, machen also fast einen halben regulären Durchgang aus. Und die regulären Einstellungen laufen ja daneben weiter!

In dem von Frau Hermann zitierten Erlass vom 24.01.2024 heißt es dann – und hier lese ich nun den Text in Gänze vor, weil die CDU mir ja gerne beim Vorlesen zuhört:

„Im Nachgang zu unserer Besprechung am 15. Januar 2024 teile ich auch noch auf diesem Wege mit, dass bei der Einstellung von Proberichterinnen und Proberichtern, die zur Umsetzung des Konzepts zur Verstärkung der Staatsanwaltschaften erfolgt, in Abweichung des hiesigen Erlasses vom 26. November 2019 eine Beteiligung des MJ nicht erforderlich ist, wenn Bewerberinnen und Bewerber zwar nicht die in dem Erlass vorgesehenen Einstellungsvoraussetzungen (8 Punkte in der zweiten Staatsprüfung und 6,5 Punkte in der ersten Prüfung) erfüllen, in beiden Prüfungen aber eine Gesamtpunktzahl von 15 Punkten erreichen. Sobald die 20 zusätzlichen Stellen besetzt sind, bitte ich, wieder gemäß dem Erlass zu verfahren.

Ich teile außerdem mit, dass aus hiesiger Sicht keine Bedenken bestehen, unter Ausnutzung der Spielräume, die das Allgemeine Personalentwicklungskonzept für Proberichterinnen und Proberichter bietet (Soll-Regelungen), bei Proberichterinnen und Proberichtern, die sich damit einverstanden erklären, auf eine der gerichtlichen Stationen (Land- oder Amtsgericht) und ggf. auch auf den Einsatz bei Gericht überhaupt zu verzichten, um in dieser besonderen Belastungssituation kurzfristig eine nachhaltige Verstärkung der Staatsanwaltschaften zu erreichen.“

Wenn Sie nun aufmerksam zugehört haben, haben Sie den entscheidenden Punkt sicher mitbekommen. Es wird auf die seit 2019 geltende Erlasslage hingewiesen, die weiter gilt: Die generelle Notengrenze sind 8 Punkte in der Zweiten Prüfung und 6,5 Punkte in der Ersten Prüfung, begründete Abweichungen sind möglich. Das ist keine Änderung, sondern eine Bestätigung der geltenden Grenzen.

Die einzige Änderung in dem Erlass ist eine temporäre Entbürokratisierung, indem nämlich dem OLG Celle erlaubt wird, beschränkt auf die Besetzung der 20 Stellen, die dringlich zur Abmilderung der Überlastung gebraucht werden, über Abweichungen vom 8-Punkte-Erfordernis eigenständig zu entscheiden, statt jeweils mein Haus zu beteiligen.

Nur am Rande bemerkt: Soweit ich das in der kurzen Zeit aus den Akten zusammentragen konnte, war die Handhabung bis 2019 sogar generell so, dass die Entscheidung über Abweichungen auf die Einstellungsbehörden delegiert war, bevor Frau Havliza diese Entscheidungen wieder zentralisiert hat. Aber das nur am Rande.

Streng genommen enthält der Erlass vom 24.01.2024 übrigens sogar eine Verschärfung der Einstellungsvoraussetzungen. Denn nach der allgemeinen Erlasslage werden für Einstellungen 8 Punkte in der Zweiten Prüfung und 6,5 Punkte in der Ersten Prüfung gefordert. Wenn Sie das nachrechnen, werden damit in Summe 14,5 Punkte gefordert – und eben nicht 16 Punkte, wie Frau Hermann eben behauptet hat. Abweichungen nach unten sind mit Zustimmung meines Hauses bei Vorliegen entsprechender anderer Qualifikationen letztlich schrankenlos möglich – auch wenn es da in der Praxis natürlich eine strenge Prüfung gibt.

Im Erlass vom 24.01.2024 wird dagegen ein Mindestwert von 15 Punkten aus beiden Examina zusammen als klare Untergrenze für Abweichungen gesetzt. In Summe müssen also Kandidatinnen und Kandidaten, die die 8 Punkte in der Zweiten Prüfung nicht erreicht haben, sogar 0,5 Punkte mehr vorweisen, als die, die die 8 Punkte geschafft haben.

Darüber hinaus müssen natürlich auch bei den 20 Stellen, die nun besetzt werden sollen, Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft Celle in jedem Einzelfall genau prüfen, ob denn hinreichende andere Qualifikationsnachweise vorliegen, um die Abweichung zu rechtfertigen. Und Sie können sicher sein, dass das auch getan wird. Denn wir sprechen hier über die Kolleginnen und Kollegen vor morgen. Da hat die gesamte niedersächsische Justiz ein Interesse daran, Menschen mit guten fachlichen Kenntnissen an Bord zu holen.

Kurz gesagt: Der Erlass vom 24.01.2024 rüttelt an keiner Stelle an den hohen fachlichen Anforderungen, die wir als Justiz zurecht an unseren Nachwuchs stellen. Es geht lediglich darum, zur zügigen Besetzung von 20 dringend benötigten Stellen die Entscheidung, ob ausnahmsweise von den allgemeinen Notengrenzen im Hinblick auf andere Nachweise der nötigen Fachkenntnisse abgewichen werden kann, auf die Behörde zu delegieren, die die Einstellungen vornimmt. Das Ganze verbunden mit einer strengen Untergrenze, die sonst bei Abweichungen nicht gilt.

Wer diese Beschleunigung von Abläufen zur Milderung einer massiven Überlastung nicht als das sieht, was es ist, nämlich eine sinnvolle Entbürokratisierung, den verstehe ich persönlich nicht mehr – und dem möchte ich ein Gespräch mit den Behörden in Celle ans Herz legen, die genau dieses Vorgehen eingefordert haben.

Vielen Dank!"

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ
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Artikel-Informationen

erstellt am:
08.02.2024

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

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