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Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16. Dezember 2015 (TOP 28)

Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz zum Haushalt 2016


Es gilt das gesprochene Wort!

Das Schwerpunktthema bei der Aufstellung des Planentwurfs 2016 für den Justizhaushalt war und ist die Bewältigung der steigenden Zahl der gerichtlichen Asylverfahren. Zunächst möchte ich zu diesem Thema betonen, dass wir bereits im Frühjahr 2015 im Rahmen der Haushaltsführung die Voraussetzungen geschaffen haben, die Verwaltungsgerichtsbarkeit personell zu verstärken. Bereits vor dem 1. Nachtragshaushalt haben wir Möglichkeiten für die Beschäftigung von zusätzlichen Richterinnen und Richtern geschaffen. Bis zum Ende dieses Jahres haben wir - auch dank der Maßnahmen des ersten Nachtragshaushalts - insgesamt die Kapazitäten im Asylbereich um 50 % erhöht.

Als die Landesregierung am 21. Juli 2015 den ursprünglichen Haushaltsplanentwurf 2016 beschloss, war eine Verdoppelung der bisherigen Kapazität geplant. Damals lauteten die Prognosen auf etwa 400.000 Flüchtlinge bundesweit. Wir alle wissen, dass diese Planungen Makulatur sind. Wir alle wissen auch, dass die Flüchtlingssituation die Justiz nicht nur bei den Verwaltungsgerichten, sondern auch bei den Ordentlichen Gerichten - Stichwort: Vormundschaften - und den Staatsanwaltschaften vor erhebliche Herausforderungen stellt.

Darauf hat die Landesregierung entschieden reagiert. Unter Berücksichtigung der Änderungen durch die Technische Liste zur Bewältigung der Flüchtlingssituation schaffen wir bei den Verwaltungsgerichten, den Ordentlichen Gerichten und den Staatsanwaltschaften insgesamt 218 zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Richterinnen und Richter, Amtsanwältinnen und Amtsanwälte, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie Serviceeinheiten.

Dies ist ein Maßnahmenpaket, mit dem sich Niedersachsen auch im Ländervergleich sehen lassen kann!

Alle weiteren Planungen stehen unter dem großen Vorbehalt, dass eine belastbare Prognose über die künftige Entwicklung der Eingangszahlen nicht möglich ist. Noch vor dem Haushaltsausschuss im November habe ich berichtet, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angekündigt hat, bis zum Jahresende 2015 150.000 Altverfahren erledigen zu wollen. Davon merken wir bei den Verwaltungsgerichten bisher nichts. Gleichwohl wissen wir, dass die Verfahrenszahlen weiter erheblich steigen werden.

Um den Einsatz der zusätzlichen Ressourcen schnell und effektiv zu managen, ermittelt eine referatsübergreifende Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Gerichtszweigen und den Staatsanwaltschaften zügig die Personalbedarfe und sorgt für eine möglichst schnelle Zuteilung.

Die Einschätzung der Entwicklung hängt entscheidend von der Bearbeitungsgeschwindigkeit und Qualität beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und von der Anerkennungsquote ab. Anerkannte Asylbewerber haben keinen Grund, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Gegenwärtig können wir deshalb nicht auf Basis der Zahlen der Vergangenheit den Personalbedarf der Zukunft nicht fortschreiben.

Ein weiteres Unsicherheitsmoment tritt hinzu: Wieviel Richterarbeitszeit gebunden wird, ist nicht nur eine Frage der Fallzahl, sondern neben der naturgemäß sehr unterschiedlichen Komplexität der jeweiligen Fälle, auch eine Frage der Qualität der Entscheidungen des BAMF. Erfolgt eine ausführliche Anhörung vor dem Einzelentscheider, kann diese im Verwaltungsgericht entfallen. Fehlt sie, kostet das Zeit.

Die Haushaltsansätze zeigen: Wir werden die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht allein lassen! Die Bewältigung der Flüchtlingskrise ist eine Aufgabe der gesamten Justiz. Wann immer in den vergangenen Tagen und Wochen in den derzeit laufenden Zielvereinbarungsgesprächen das Thema Flüchtlinge Gegenstand war, haben alle Gerichtsbarkeiten und die Staatsanwaltschaften von sich aus ihre Hilfsbereitschaft betont. Wir beabsichtigen, dies an prominenter Stelle in den Zielvereinbarungen herausstellen. Ich bin stolz darauf, einer Justiz vorzustehen, in der Solidarität uneingefordert angeboten wird.

Nach dem Stand heute werden wir im Haushalt 2016 über Ressourcen verfügen, die die Justiz - die Verwaltungsgerichtsbarkeit ebenso wie die ordentlichen Gerichte und die Staatsanwaltschaften - für die absehbaren Aufgaben wappnet.

Der Haushaltsplanentwurf 2016 enthält auch Verbesserungen für die sogenannte mittlere Beschäftigungsebene. Durch Stellenhebungen wird für besonders leistungsstarke Beamtinnen und Beamte der Laufbahngruppe 1 der prüfungsfreie Aufstieg in die Laufbahngruppe 2 ermöglicht. Der Aufstieg kommt in allen Bereichen in Betracht, die nicht nach dem Rechtspflegergesetz den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern vorbehalten sind. Hierzu gehören insbesondere

  • herausgehobene Sachbearbeitertätigkeiten in der Verwaltung,
  • Prüfungstätigkeiten in der Innenrevision,
  • Einsatzmöglichkeiten im Zentralen IT-Betrieb,
  • der Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland sowie
  • sonstige Aufgaben, die auf die Urkundsbeamtin oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen werden können.

Die Verbesserung von Aufstiegsmöglichkeiten in diesen Bereichen ist ein wesentlicher Teil des Personalentwicklungskonzepts für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Laufbahngruppe 1, 2. Einstiegsamt. Der Aufstieg dient gleichermaßen der Motivation und der Anerkennung für die geleistete Arbeit. Mit dem Haushalt 2016 sollen deshalb bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften insgesamt 12 ½ Stellen von Besoldungsgruppe A 9 nach Besoldungsgruppe A 10 gehoben werden.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Ergebnisse der PEBB§Y-Erhebung 2014 im Bereich der ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften eingehen. Belastbare Ergebnisse liegen uns seit Oktober vor.

Danach haben wir im Bereich der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wie auch im Rechtspflegerbereich insgesamt einen stabilen, in Teilen auch leicht gestiegenen Personalbedarf. Für die mittlere Beschäftigungsebene aber kommen wir zu dem Ergebnis, dass die bisher ausgewiesene (Unter)Auslastung sich PEBB§Y 1,0 annähert.

Als weiteres Signal für eine Stärkung der mittleren Beschäftigungsebene kann ich mitteilen, dass wir im nächsten Jahr die Ausbildungskapazitäten in diesem Bereich erheblich ausweiten werden. Im Jahr 2016 werden voraussichtlich 37 Sekretäranwärterinnen und -anwärter die Prüfung ablegen. Ich habe die Einstellungsbehörden ermächtigt, für den folgenden neuen Ausbildungsdurchgang stattdessen 98 Anwärterinnen und Anwärter neu einzustellen. Die Ausbildungskapazität für diesen Jahrgang wird somit weit mehr als verdoppelt. Nach eingehender Prüfung sehen wir uns in der Lage, diese Maßnahme aus den bestehenden Haushaltsansätzen zu erwirtschaften. Ich möchte die Verstärkung der Ausbildung an dieser Stelle trotzdem erwähnen, weil die gesteigerte Ausbildungsquote ein Ausfluss aus dem Thema meiner letzten Haushaltsrede ist, die ich hier im hohen Haus halten durfte: der elektronische Rechtsverkehr und die elektronische Akte. Für deren erfolgreiche Einführung werden wir in besonderem Maße auch auf junge und flexible Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Serviceeinheiten angewiesen sein. Mit dem Ausbau der Ausbildungskapazitäten schaffen wir hierfür eine wesentliche Voraussetzung.

In der Anstaltsküche der JVA für Frauen in Vechta wird die Verpflegung für die Gefangenen des Frauenvollzuges und des Jungtätervollzuges (JVA Vechta) zubereitet. Die Anstaltsküche wird seit dem Jahr 2002 auf der justizinternen Agenda geführt.

Der Küchenbetrieb kann in den Räumen der JVA für Frauen in Vechta aufgrund der hygienischen, baulichen und organisatorischen Probleme nicht mehr dauerhaft betrieben werden. Nach Aussage der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden droht dort die Schließung. Im Jahre 2013 wurden in der Jugendanstalt Hameln ebenfalls bauliche und hygienische Mängel sowohl in der Gefangenenküche als auch in der Lehrküche offenkundig, die entgegen der Erwartungen nicht durch Bauunterhaltungsmaßnahmen behoben werden konnten. Die Lebensmittelüberwachungsbehörden haben vor diesem Hintergrund angekündigt, dem befristeten Weiterbetrieb der Küchen nur unter der Voraussetzung der Vorlage eines umfangreichen und tragfähigen Sanierungskonzepts zuzustimmen. Darüber hinaus sind in den Küchen von vier weiteren Liegenschaften erhebliche Sanierungsbedarfe absehbar.

Nach dem nun vorliegenden landesweiten Konzept zur Gestaltung der Küchen der JVA für Frauen in Vechta und der Jugendanstalt Hameln unter Berücksichtigung der weiteren absehbaren Sanierungsbedarfe ist der Neubau eines Küchenbetriebes in der JVA in Vechta mit der Option einer modularen Erweiterung zur Übernahme der Verpflegungszubereitung von zwei weiteren Standorten vorgesehen. Das Konzept beinhaltet weiterhin die Errichtung eines Logistikgebäudes und einer Aufzugsanlage in der JVA Vechta sowie die Erweiterung des Küchenbetriebes in der JVA Hannover. Die JVA Hannover ist für die Verpflegungszubereitung der Jugendanstalt Hameln und mittelfristig noch für zwei weitere Standorte vorgesehen.

Der Kostenaufwand für die reinen baulichen Investitionen beläuft sich nach einer ersten vorläufigen Schätzung auf ca. 22 Mio. €. Hiervon entfallen 17,2 Mio. € auf den ersten Bauabschnitt, der im Haushalt 2016 etatisiert werden soll. Im Rahmen der bereits beauftragten baufachlichen Beratung soll das benötigte Kostenvolumen genauer betrachtet und insbesondere geprüft werden, ob bereits mit den Haushaltsmitteln des 1. Bauabschnitts eine Lösung sowohl für die abgängige Küche in Vechta als auch für die abgängige Küche in Hameln gefunden werden kann. Es sollen Synergien gesucht und die Standards noch einmal kritisch zu hinterfragen werden.

Meine Ausführungen machen sehr deutlich, wie dringend der Handlungsbedarf im Bereich der JVA-Küchen ist. Handlungsbedarf besteht allerdings auch in Osnabrück, dort steht die Umsetzung des 2. Bauabschnitts des Justizzentrums noch aus. Aber die reibungslose Versorgung der Gefangenen unter hygienisch einwandfreien Bedingungen muss gewährleistet sein. Der 2. Bauabschnitt in Osnabrück kann daher erst mit dem kommenden Haushaltsaufstellungsverfahren vorangebracht werden. Ein intensiv diskutiertes Projekt, wurde vor kurzem positiv abgeschlossen: Ich konnte das Fachgerichtszentrum Hannover am 1. Oktober dieses Jahres eröffnen. Das werde ich auch in Osnabrück mit gleicher, großer Freude tun.

Es ist gute Tradition in Niedersachsen, dass es in diesem Hohen Haus einen fraktionsübergreifenden Konsens gibt, wenn es um die Wahrung der Belange der Dritten Gewalt geht. Das ist ein Ausdruck von Vertrauen in die Justiz.

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.12.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162

www.mj.niedersachsen.de

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