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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza zum Antrag der AfD: „Filter, Sperren und Schranken im Internet? - Der Artikel 13 und seine hässlichen Verwandten“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28. März 2019, Aktuelle Stunde, TOP 19 c


Es gilt das gesprochene Wort!


„Abgesehen vom Brexit beschäftigt die Menschen in Deutschland momentan kein europäisches Thema so sehr wie die Reform des Urheberrechts. Insbesondere die junge Generation ist um die Freiheit des Internets besorgt. Auch mein 25-jähriger Sohn hat mich auf die geplante Reform angesprochen. Er hat die Sorge seiner Generation geäußert, dass die lebendige Internetkultur durch das neue Urheberrecht zerstört werden könnte. Allein in Hannover sind am vergangenen Samstag rund 3.000 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen sogenannte Upload-Filter zu demonstrieren. Bundesweit waren es mehrere Zehntausend.

Angesichts dieser Umstände halte ich es für dringend geboten, dass sich die Politik ernsthaft mit den Sorgen und Ängsten all dieser Menschen auseinandersetzt. Daher begrüße ich, dass sowohl die Oppositions- als auch die Regierungsfraktionen Entschließungsanträge zu den sogenannten Upload-Filtern in das parlamentarische Verfahren eingebracht haben.

Wie so häufig in diesen Tagen gibt es auch bei der Frage, wie die Urheber für ihre Werke in der digitalen Welt eine faire Vergütung erhalten sollen, kein nur schwarz und kein nur weiß, kein nur richtig und kein nur falsch.

Richtig ist, dass die freie Meinungsäußerung ein sehr hohes Gut ist, das unbedingt geschützt werden muss.

Richtig ist aber auch, dass die Urheberrechte der Künstler, Kulturschaffenden und sonstigen Inhaber ebenfalls hohe Güter sind, die geschützt werden müssen.

Richtig ist, dass es bei der Einführung von Upload-Filtern zu einem sogenannten Overblocking kommen kann, also das Hochladen von Material verhindert wird, das keine Urheberrechte verletzt.

Richtig ist aber auch, dass infolge der ungehinderten Internetnutzung die Musik-, Film-, Zeitungs- und Buchbranche enorme finanzielle Einbußen erlitten haben, die sie bislang noch nicht angemessen kompensieren konnten. Und richtig ist auch, dass immer noch kein wirksames Instrument geschaffen worden ist, das die massenhafte Verletzung von Urheberrechten im Internet wirksam verhindern könnte.

Es gibt aber gute Beispiele, wie auf die neuen Probleme der Informationsgesellschaft angemessen reagiert werden kann. Anders als es der Ausdruck „hässliche Verwandten“ im Antrag der AfD zur Aktuellen Stunde suggerieren möchte, kann zum Beispiel das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein hilfreiches Instrument sein, um Hassbotschaften und andere strafrechtlich relevante Diskriminierungen einzudämmen.

Das am 1. Oktober 2017 in Kraft getretene NetzDG verfolgt zwar eine andere Zielrichtung als die Urheberrechtsreform. Es dient allein der verbesserten Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten in sozialen Netzwerken. Dies ist aber ebenfalls eine wichtige Aufgabe.

Andere Verletzungen des geltenden Rechts, wozu auch die Verletzungen von Urheberrechten gehören, werden vom NetzDG nicht erfasst. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das NetzDG nur dazu dient, der gesetzlichen Verpflichtung, rechtswidrige Inhalte zu löschen oder zu sperren, schnell und umfassend nachzukommen. Hierin liegt jedoch kein weitergehender Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Denn das Gebot, rechtswidrige Inhalte zu löschen oder zu sperren, ergibt sich schon aus den allgemeinen Gesetzen.

Auch bei den Vorgaben der Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt handelt es sich nicht um einen weitergehenden Eingriff. Es geht darum, dem bereits bestehenden Schutz des geistigen Eigentums im Internet zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen. Im Rahmen der Debatte über das Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union zum Urheberrecht sind sich daher alle im Grundsatz einig: Autoren, Künstler, Kreative, Musiker und andere Urheber haben auch in der digitalen Welt einen Anspruch darauf, dass ihr geistiges Eigentum geschützt und sie angemessen vergütet werden.

Auf der anderen Seite soll eine Absicherung von Urheberrechten unstreitig nicht dazu führen, dass das freie Internet eingeschränkt, dass also letztlich das Hochladen von Inhalten blockiert und damit in das hohe Gut der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt eingegriffen wird. Ob genau dies aber die Folge der am Dienstag in Straßburg beschlossenen Reform des Urheberrechts sein wird, wird auch weiterhin stark diskutiert werden. Die Sorgen und die Kritik an dem EU-Richtlinienentwurf nehme ich jedenfalls sehr ernst. Sie sollten bei der anstehenden Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht immer bedacht und möglichst berücksichtigt werden.

Der AfD sei noch mit auf den Weg gegeben, dass der Begriff „Schranken“ im Urheberrecht für die Rechte der Urheber verwendet wird. Diese „Schranken“ sollen einen uferlosen Missbrauch ihrer Rechte ohne angemessene Vergütung verhindern. Diese „Schranken“ sind also keine „hässlichen Verwandten“, wie die AfD meint.

Für unsere Wissensgesellschaft, die auf der Kreativität und den Ideen eines jeden von uns fußt, sind solche Schranken der Urheberrechte überlebensnotwendig. Wer das nicht verstanden hat, ist auch nicht in der Lage, den Wohlstand unserer Gesellschaft zu erhalten oder gar zu fördern.

Die Landesregierung wird sich dafür stark machen, dass nach der nationalen Umsetzung der Richtlinie kein Anlass für die Plattformen besteht, Upload-Filter einzusetzen – so wie es auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart wurde.“


Justizministerin Havliza hält eine Rede im Landtag  

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.03.2019

Ansprechpartner/in:
Herr Christian Lauenstein

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5044

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