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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz zur Dringlichen Anfrage der Fraktion der CDU

„Warum hat die Landesregierung Sitzungsunterlagen durch Änderung der gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen für vertraulich erklärt?“


136. Sitzung des Nds. Landtages am 17. August 2017, Dringliche Anfrage

Es gilt das gesprochene Wort!

„Die Anfrage, insbesondere die Teilfrage 2, scheint davon auszugehen, die Landesregierung würde versuchen durch eine Änderung ihrer Geschäftsordnung parlamentarische Informationsrechte zu schwächen.

Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Der Umfang der parlamentarischen Informationsrechte ergibt sich aus der Verfassung, insbesondere aus deren Artikel 24 und 27. Die Grenzen der parlamentarischen Informationsrechte ergeben sich aus Artikel 24 Abs. 3. Selbstverständlich ist es nicht möglich, Rechte des Parlaments, die sich aus der Verfassung ergeben, durch eine Änderung der Geschäftsordnung der Landesregierung zu beschneiden. Und selbstverständlich hat die Landesregierung so etwas auch nicht versucht.

Die in der Frage angesprochene Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen steht vielmehr in engem Zusammenhang mit dem von der Landesregierung in den Landtag eingebrachten Entwurf eines Transparenzgesetzes in Niedersachsen. Mit diesem Gesetzentwurf verfolgt die Landesregierung das Ziel aus der Koalitionsvereinbarung von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, politische Entscheidungsprozesse transparenter zu machen und den Zugang zu Informationen für Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern. In diesem Gesetz wird den Bürgerinnen und Bürgern ein voraussetzungsloser Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen eingeräumt.

Der Entwurf zum Transparenzgesetz bedeutet einen großen Schritt hin zu mehr Transparenz staatlichen Handelns. Ein transparenter Staat darf aber nicht mit einem gläsernen Staat verwechselt werden. Eine wesentliche Aufgabe bei der Ausarbeitung eines Informationszugangsgesetzes besteht darin, die Geheimhaltungsinteressen zum Schutz öffentlicher oder privater Belange und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit maßvoll gegeneinander abzuwägen. Zum Schutz wichtiger öffentlicher oder privater Belange sind daher Bereichsausnahmen und Ausnahmetatbestände erforderlich, die den Zugang zu Informationen einschränken.

Nach Art. 1 § 4 Abs. 1 Nummer 3 des Entwurfs eines Transparenzgesetzes besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht für Informationen, die einer Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegen, die durch die gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO) geregelt ist. Die Landesregierung hat daher die Einbringung des Gesetzentwurfs zum Anlass genommen, die Bestimmungen der GGO, die die Vertraulichkeit von Besprechungen und Unterlagen regeln, zu überarbeiten und zu erweitern.

Schon nach der alten Fassung der GGO waren die Besprechungen der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre nebst Niederschriften sowie die Niederschriften der Kabinettssitzungen, einschließlich der Kabinettsvorlagen, die Anlagen dieser Niederschriften sind, vertraulich (§ 10 Abs. 3 Satz 2 und § 12 Abs. 4 Satz 1 GGO a.F.). Nach der seit dem 13. Juni 2017 gültigen Fassung der Gemeinsamen Geschäftsordnung sind zudem die vorbereitenden Sitzungsunterlagen der Staatssekretärsbesprechungen und des Kabinetts vertraulich. Diese Änderungen stellen eine Vervollständigung der bereits bestehenden Vertraulichkeitsregelungen dar, mit der die Beratungen der Staatssekretärsrunde und des Kabinetts nebst dazugehörigen Niederschriften und Unterlagen vom Informationszugang ausgenommen werden.

Diese Änderungen zielen darauf ab, den Willensbildungs- und Entscheidungsprozess auf Regierungsebene zu schützen. Eigenverantwortliches Regieren erfordert einen von der Öffentlichkeit nicht ausforschbaren Bereich, in dem die Regierung in Ruhe Angelegenheiten erörtern und Entscheidungen vorbereiten kann. Dazu gehören Erörterungen innerhalb des Kabinetts und die Vorbereitung von Regierungsentscheidungen im Wege ressortübergreifender Abstimmungen.

Darüber hinaus sind nach den Änderungen vom 13. Juni 2017 in Bunderatssachen nunmehr auch die die einheitliche Stimmabgabe vorbereitenden Unterlagen und Vermerke einschließlich der Unterlagen zu den Ausschussberatungen und des Stimmbogens vertraulich (§ 23 Abs. 5 Satz 2 GGO). Gleiches gilt für den bei der Vorbereitung von Veröffentlichungen und Mitteilungen an die Presse anfallenden Schriftverkehr (§ 26 Abs. 3 GGO). Auch diese Informationen betreffen den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess der Regierung. Wären sie der Öffentlichkeit zugänglich, bestünde die Gefahr, dass eine unbefangene Willensbildung der Regierung allein durch das Wissen um die Möglichkeit einer zukünftigen Veröffentlichung beeinträchtigt werden könnte.

Wie Sie wissen, kann die Landesregierung gemäß Artikel 24 Abs. 3 der Verfassung, sogar gegenüber dem Landtag die Herausgabe von Informationen verweigern, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung wesentlich beeinträchtigt würde. Es wäre ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch zu unserer Verfassung, wenn die Landesregierung solche Informationen nach dem Transparenzgesetz herausgeben müsste. Durch Art. 1 § 4 Abs. 1 Nummer 3 des Entwurfs des Transparenzgesetzes in Verbindung mit der vorgenommenen Änderung der GGO werden solche Wertungswidersprüche vermieden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zur Frage 1 kann ich zunächst auf meine bisherigen Ausführungen verweisen.

Zur Frage 2:

Der Anspruch eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf Vorlage von Akten richtet sich nach Art. 27 Abs. 4 Niedersächsische Verfassung (NV). Die Vorlage kann nur nach Maßgabe von Art. 27 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 NV verweigert werden. Die Änderung der GGO, die bloßes Binnenrecht der Landesregierung darstellt, ändert an dieser Verfassungsrechtslage nichts.

Zur Frage 3:

Das Urteil des Staatsgerichtshofs vom 24. Oktober 2014 betrifft die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Landesregierung zur Vorlage von Akten und Aktenbestandteilen an Ausschüsse des Landtags. Die GGO trifft zum Umfang dieser Verpflichtung keine Regelung.“

Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hält eine Rede im Landtag   Bildrechte: Sven Brauers

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2017

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Ehsan Kangarani

Nds. Justizministerium
Referent für Öffentlichkeits- und Pressearbeit
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5077
Fax: 0511 / 120-5181

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