Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Wahlmann zu TOP 7 „Vertrauen in den Rechtsstaat stärken – Strafjustiz entlasten! Möglichkeiten des beschleunigten Verfahrens nach §§ 417 ff. StPO besser nutzen“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 8. Oktober 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
ich bin ein großer Fan davon, Verfahren zügig und stringent zu führen, und ich bin auch ein großer Fan davon, dass Straftäter eine deutliche Reaktion auf ihre Straftat zu spüren bekommen. Dort, wo es möglich ist, sollte das schnell passieren. Deshalb führen wir in Niedersachsen auch an allen Amtsgerichten beschleunigte Verfahren in den dafür geeigneten Strafsachen durch.
Und zusätzlich habe ich – und wie Sie wissen, war das schon auf dem Weg, bevor dieser Entschließungsantrag im letzten Jahr ins Plenum eingebracht wurde – per Verordnung angeordnet, dass beschleunigte Verfahren in Bezug auf bereits vorläufig festgenommene oder inhaftierte Personen beim Amtsgericht am Sitz des Landgerichts oder bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die den Antrag stellende Zweigstelle der Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, konzentriert werden. Das schafft Synergieeffekte und bietet die Voraussetzung dafür, dass noch mehr beschleunigte Verfahren als bislang schon in Niedersachsen durchgeführt werden. Das, was der Entschließungsantrag im Kern fordert, haben wir also schon umgesetzt, bevor Sie den Antrag im letzten Jahr ins Plenum eingebracht haben. Sie wollen Zuständigkeiten konzentrieren, die längst konzentriert sind.
Ich will aber auch an dieser Stelle mit zwei Fehlvorstellungen aufräumen, denen Sie offensichtlich unterliegen:
Erstens suggeriert Ihr Antrag, dass Niedersachsen in Sachen „beschleunigte Verfahren“ hinterherhinken würde. Das ist mitnichten der Fall. Im Gegenteil: Niedersachsen ist bundesweit ganz vorne dabei, was beschleunigte Verfahren angeht.
Wir sind sogar ein Vorbild für andere: Die Präsidentin des Amtsgerichts Hannover hat mir im letzten Jahr berichtet, dass eine Delegation aus einem anderen Bundesland das Amtsgericht Hannover besucht hat, um von uns zu lernen, wie man beschleunigte Verfahren am besten organisiert und bearbeitet.
Im Jahr 2024 haben unsere Amtsgerichte rund 8,7 % aller amtsgerichtlichen Strafverfahren in Deutschland erledigt – von allen beschleunigten Verfahren in Deutschland waren es dagegen etwa 13,3 %. Der Anteil der beschleunigten Verfahren liegt mit anderen Worten ganz deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Ja, es gibt vereinzelte Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte, die hier noch Luft nach oben haben. Über’s Land gesehen sind wir aber überdurchschnittlich gut. Und daher möchte ich mich auch im Namen der Landesregierung ganz herzlich bei allen bedanken, die diese Verfahren so energisch betreiben!
Die zweite Fehlvorstellung, mit der ich aufräumen möchte, ist die, dass nur ein beschleunigtes Verfahren ein gutes Strafverfahren ist. Zum einen können Sie ein beschleunigtes Verfahren schon nach dem Gesetz nur dann durchführen, wenn der Sachverhalt unkompliziert ist und die Beweise alle präsent sind.
Die Fälle, die die Boulevardpresse am liebsten per Sofortgericht entschieden haben möchte – nämlich zum Beispiel eine Discoschlägerei – ist in aller Regel gerade nicht dafür geeignet, weil die Beweislage oft sehr unübersichtlich ist, oft eine Vielzahl von Menschen als Zeugen aussagen müssen – und diese Zeugen zum Teil erst von der Polizei ermittelt und vernommen werden müssen.
Die Vorstellung, dass die Polizei einfach alle in oder vor der Disco Anwesenden direkt mit verhaftet und bis zum nächsten Tag in der Zelle einsperrt, ist zum Glück mit unserem Rechtsstaat nicht vereinbar. In komplizierten Fällen sind beschleunigte Verfahren also gerade nicht gesetzlich vorgesehen.
Das bedeutet aber nicht, dass die Verfahren nicht trotzdem schnell gehen können. Und das bedeutet auch nicht, dass die Strafe nicht am Ende genauso wirkungsvoll ist. Denn mal ganz ehrlich: So schön der Satz „Die Strafe muss auf dem Fuße folgen“ auch klingt: Wir haben es hier mit erwachsenen Menschen zu tun, nicht mit Kindern, die noch erzogen werden müssen. Erwachsene, in der Regel zumindest in gewissem Ausmaß vernunftgesteuerte Menschen wissen auch Wochen oder Monate nach einer Straftat noch, was sie getan haben, wofür sie vom Staat bestraft werden und was sie daraus lernen sollen. Das verdeutlichen unsere Richterinnen und Richter im Rahmen der Urteilsbegründung auch regelmäßig noch einmal ganz explizit. Auch reguläre Strafverfahren mit regulär vollstreckten Strafen erfüllen den Zweck der Strafe also in der Regel sehr gut.
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
abschließend möchte ich nochmal zu betonen, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Justiz im Allgemeinen – und hier insbesondere in der Strafjustiz – eine ganz hervorragende Arbeit mit oft überobligatorischem Einsatz leisten – und zwar sowohl in Materien aller Art wie auch in Verfahren aller Art. Um das zu unterstützen und Entlastung für die Kolleginnen und Kollegen zu schaffen, haben wir nicht nur in den vergangenen zwei Jahren neue Stellen in einem Ausmaß geschaffen, wie das Land Niedersachsen es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gesehen hat – sondern wir werden die Strafjustiz – wie auch den gesamten Geschäftsbereich auch im kommenden Jahr mit viel Geld und neuen Stellen unterstützen.
Wir sorgen auch im kommenden Jahr für Rechtssicherheit, für Rechtsfrieden und für Gerechtigkeit.
Dieser Antrag kann dazu keinen Beitrag leisten.
Vielen Dank.“
Artikel-Informationen
erstellt am:
08.10.2025
Ansprechpartner/in:
Frau Verena Brinkmann
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 5044