Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Wahlmann zu TOP 33 „Qualität und Attraktivität der Rechtspfleger-Ausbildung in Niedersachsen, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein erhalten"
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22. Mai 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
1.646 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger haben wir in Niedersachsen und ohne sie liefe in weiten Bereichen der Justiz, besonders an den Amtsgerichten, wenig.
Sie stemmen einen Großteil der Verfahren
• im Familienrecht,
• Betreuungsrecht,
• Nachlassrecht,
• Vollstreckungsrecht,
• Registerrecht,
• Insolvenzrecht und weiteren Bereichen.
Das Kostenrecht und große Teile der Justizverwaltung sind ebenso fest in ihrer Hand.
Unsere Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger treffen in ihren Verfahren – mit derselben sachlichen Unabhängigkeit wie Richterinnen und Richter – jeden Tag anspruchsvolle Entscheidungen. Sie prägen damit auch entscheidend das Bild der Justiz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.
Dafür ist nicht nur juristisches Fachwissen nötig. Sie müssen gleichzeitig über die richtige Mischung aus Empathie, Entschlussfreude und wohlwollenden Pragmatismus verfügen, um den zu entscheidenden Lebenssachverhalten vollumfänglich gerecht zu werden.
Das Gute ist: Wir haben es selbst in der Hand, unseren jungen Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern diese Fähigkeiten für ihre spätere Berufslaufbahn mitzugeben. Denn wir bilden sie im Rahmen eines dualen Studiums selbst aus.
In den Praxisphasen an ganz vielen Gerichten und Staatsanwaltschaften im ganzen Land.
Und in den Theoriephasen an unserer Norddeutschen Hochschule für Rechtspflege, kurz HR Nord, in Hildesheim.
Dort bilden wir übrigens nicht nur den Nachwuchs für Niedersachsen aus, sondern auch für unsere norddeutschen Nachbarn, aus Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Das duale Rechtspflegerstudium an der HR Nord ist in den letzten Jahren – im Übrigen bereits in der letzten Legislaturperiode – in die Kritik geraten.
Kritisiert wurde insbesondere,
• dass das Studium nicht genug auf die Praxis vorbereite,
• insbesondere dass die jungen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger nicht gut genug darauf vorbereitet seien, eigene Entscheidungen zu treffen,
• dass die Durchfallerquote deutlich zu hoch sei, was möglicherweise Rückschlüsse auf die Lehrinhalte oder die Lehre selbst zulasse,
• dass die Regelungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes zur inneren Struktur von Hochschulen eigentlich auf große Hochschulen und nicht auf sehr kleine Hochschulen wie die HR Nord zugeschnitten seien – was dazu führe, dass das Lehrpersonal überproportional mit Verwaltungsaufgaben befasst sei und weniger Zeit für die Lehre habe,
• dass Stellenbesetzungsverfahren aufgrund der hochschulrechtlichen Regelungen viel zu lange dauern würden
• und weitere Kritikpunkte.
Das alles nehmen wir als Justizministerium – nehme ich als Ministerin – sehr ernst – und wir nehmen uns der Aufgabe an, hier für Verbesserungen zu sorgen.
Wir haben uns deshalb bereits vor einiger Zeit die Studieninhalte angesehen und begonnen, sie noch konsequenter an dem auszurichten, was unsere jungen Kolleginnen und Kollegen in der Praxis brauchen. Das beginnt gerade Wirkung zu zeigen.
Aber auch die Organisationsstruktur muss besser werden. Insbesondere wollen wir den Lehrenden ein Arbeitsumfeld bieten, in dem sie sich voll und ganz auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können, nämlich eine hervorragende Ausbildung für unseren Rechtspflegernachwuchs zu bieten.
Wir wollen die Personalgewinnung für die Lehre beschleunigen, die Vernetzung der Lehre mit der Praxis stärken, bürokratische Hürden in der Verwaltung auf ein Minimum reduzieren und Prozesse effizient und schlank halten.
In der Debatte, wie wir das umsetzen können, tauchte dann zwischendurch die Idee auf, aus der Hochschule eine Akademie zu machen. Vorbilder dafür waren insbesondere die sehr erfolgreiche Steuerakademie und die Polizeiakademie Niedersachsen.
An den Möglichkeiten für die Studierenden, den Studienabschluss zur Grundlage für weitere Studiengänge – etwa für ein Jurastudium – zu machen, hätte sich dadurch nichts geändert.
Gleichwohl gab es in der Folge viel Aufregung um den Begriff der Akademie.
Und ich habe dazu bereits gesagt und sage es gerne nochmal hier an dieser Stelle:
Ich nehme diese Besorgnis ernst.
Und deshalb sind wir als Justizministerium bereits in den Dialog mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren getreten und haben zahlreiche Rückmeldungen eingeholt.
Darüber hinaus habe ich die Einrichtung von Arbeitsgruppen angeschoben, in denen Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden, der Lehrenden und der Verwaltungsmitarbeitenden der HR Nord, der Ausbildungsbehörden und der beteiligten Länder gemeinsam mit uns Ursachen für die Probleme identifizieren und einen Lösungsweg erarbeiten werden.
Wir wollen zügig pragmatische Lösungen finden, damit unser Studium der Rechtspflege wieder richtig Lust auf diesen tollen Beruf macht. Da sind wir auf einem guten Weg und ich bin allen Beteiligten sehr dankbar, dass wir hier so engagiert an einem Strang ziehen.
Ich will es ganz klar sagen: Mein Herz hängt nicht an der Idee der Justizakademie.
Mir geht es darum, die beste Lösung für alle Beteiligten zu finden.
Darum habe ich die besagten Arbeitsgruppen angeschoben.
Wenn dann am Ende dieses Prozesses gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen zu treffen sind, werden wir das selbstverständlich tun.
Aber da gilt: Erst die Inhalte, dann die Form.
Daher mein Appell: Lassen wir dem Prozess und den Beteiligten den nötigen Raum, den es braucht, um eine echte Verbesserung zu Gunsten unserer zukünftigen Kolleginnen und Kollegen im Rechtspflegerdienst zu erarbeiten.
Vielen Dank.“Artikel-Informationen
erstellt am:
22.05.2025
Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044