Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Wahlmann zu Top 16a Aktuelle Stunde – Klare Kante gegen Gewalt an Frauen
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 9. Oktober 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
jeden Tag wird in Deutschland im Schnitt mindestens eine Frau oder ein Mädchen getötet – die meisten durch ihren Partner, ihren Ex-Partner oder einen nahen Angehörigen. 52.330 Frauen und Mädchen wurden im Jahr 2023 Opfer einer Sexualstraftat. Das sind 143 pro Tag.
Auch online erfahren Frauen mehr Gewalt. Rund 62 Prozent der Opfer digitaler Gewalt sind weiblich. Im Berichtsjahr waren 17.193 Frauen und Mädchen in Deutschland betroffen von Taten wie Cybergrooming oder Cyberstalking.
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
so geht es nicht weiter.
Im letzten Jahr haben wir alle miteinander unser Grundgesetz gefeiert – und waren alle miteinander stolz auf unsere freie, egalitäre Gesellschaft, in der alle die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten haben und in der Männer und Frauen gleichberechtigt sind. In einer solchen Gesellschaft muss es aber auch jeder und jedem möglich sein, sich frei zu bewegen und sich sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet und – insbesondere – in den eigenen vier Wänden sicher zu fühlen. Wir haben darum eine ganze Reihe an Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, damit alle, und insbesondere auch Frauen und Mädchen – die Hälfte der Gesellschaft – sicher bei uns leben können.
Wenn ein Mann eine Frau als sein Eigentum betrachtet und sie tötet, weil sie sich seinem Willen widersetzt – weil sie anders leben will, weil sie sich anders kleidet, weil sie ausgeht – dann ist das ein Femizid und muss grundsätzlich als Mord bestraft werden. Ich freue mich daher sehr, dass ich auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister all meine Ministerkolleginnen und -kollegen davon überzeugen konnte, dass die Tötung aus geschlechtsspezifischen Gründen zukünftig als Mordmerkmal ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden soll. Und auch die große Koalition auf Bundesebene hat dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen.
Jetzt muss der Bund schnell handeln:
Wer eine Frau tötet, weil sie eine Frau ist, der gehört lebenslänglich hinter Gitter.
Auch beim strafrechtlichen Schutz vor bildbasierter sexualisierter Gewalt ist die JuMiKo unserem Beschlussvorschlag gefolgt, mit dem wir weitere Strafbarkeitslücken schließen wollen. Wussten Sie, dass das reine Fotografieren von unbekleideten Personen in öffentlichen Umkleidekabinen und Duschen nicht strafbar ist? Das ist absolut inakzeptabel.
Das gleiche gilt auch für die Herstellung von Deepfakes – durch KI manipulierte Bild- und Videoaufnahmen. Mittlerweile ist es ein Leichtes, die Nachbarin oder Kollegin in einem Porno auftauchen zu lassen. Auch das ist nicht in Gänze strafbar. Wenn solche Fake-Pornos aber viral verbreitet werden, dann kann das gravierende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Person haben und einen Menschen psychisch – und auch gesellschaftlich – ruinieren. Dem müssen wir entschlossen begegnen – und auch dazu hatte unser Antrag an die JuMiKo Erfolg.
Auch im Land selbst haben wir gehandelt:
Wir haben eine zentrale Fachstelle gegen digitale Gewalt eingerichtet, die bereits eine Qualifizierungsoffensive zu bildbasierter sexualisierter Gewalt gestartet hat.
Auch bei verbaler und nonverbaler sexueller Belästigung werden wir hoffentlich zeitnah eine Änderung des Strafgesetzbuches erreichen. Keine Frau und kein Mädchen muss es sich gefallen lassen, wenn wildfremde Männer sie lautstark sexuell belästigen oder sie mit mehreren Männern umzingeln und dabei Kopulationsbewegungen machen. Das muss strafrechtliche Konsequenzen haben. Dafür werden wir sorgen.
Und schließlich werde ich auf der nächsten JuMiKo im November einen Antrag einbringen, mit dem wir Vergewaltigernetzwerke austrocknen und den Besitz von Vergewaltigungsvideos unter Strafe stellen.
Es macht mich schier fassungslos, dass Hunderte von Männern ihre eigenen Frauen betäuben, vergewaltigen, die Vergewaltigung filmen und hochladen sich dann auch noch in Vergewaltigernetzwerken im Internet dafür feiern lassen. Und es macht mich ebenso fassungslos, dass der reine Besitz von Vergewaltigungsvideos straflos ist.
Diese Videos werden doch überhaupt nur produziert, weil es einen Markt dafür gibt. Jeder Mann, der solche Videos besitzt und konsumiert, missbraucht die betroffene Frau damit moralisch zum zweiten, dritten, vierten Mal. Das muss – und das wird – ein Ende haben. Der Besitz von Vergewaltigungsvideos muss bestraft werden.
Außerhalb des Strafrechts stärken wir die Möglichkeiten unseres Rechtsstaats, Gewalttaten zu verhindern. Das betrifft etwa die elektronische Fußfessel bei Gewalttätern, die wir im NPOG verankern werden. Damit werden die Opfer häuslicher Gewalt zukünftig gewarnt, wenn sich der Täter wieder nähert – und damit werden wir zukünftig zahlreiche Wiederholungsfälle schwerwiegender häuslicher Gewalt verhindern.
Die Betroffenen lassen wir dabei nicht allein. Mit der psychosozialen Prozessbegleitung unterstützen wir bereits Opfer häuslicher Gewalt im Strafprozess. Künftig erproben wir dies auch für das Gewaltschutzverfahren.
Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Sie sehen: Diese Landesregierung zeigt klare Kante bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Und ich kann Ihnen versprechen: Der verbesserte Schutz von Frauen und Mädchen vor jeglicher Form von Gewalt bleibt eines meiner zentralen politischen Anliegen.
Bei diesem Thema wird Niedersachsen weiter vorangehen.
Vielen Dank!“
Artikel-Informationen
erstellt am:
09.10.2025
Ansprechpartner/in:
Frau Verena Brinkmann
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 5044