Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zu TOP 23 Abschließende Beratung des Antrags der AfD-Fraktion: Verkehrswege, Infrastruktur und Kulturgüter schützen – Nulltoleranzstrategie gegen radikale Klimaaktivisten! (Drs. 19/11
Es gilt das gesprochene Wort!
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
der Antrag gibt mir Gelegenheit, zunächst etwas Grundsätzliches klarzustellen:
Der menschengemachte Klimawandel ist eines der, wenn nicht das zentrale Thema unserer Zeit; das steht absolut außer Frage. Die negativen, teils katastrophalen Folgen des Klimawandels für Natur, Gesellschaft, Gesundheit, Wirtschaft und Wohlstand zeigen sich bereits heute massiv. Wenn wir nicht unverzüglich umsteuern, werden die Folgen des Klimawandels die nachfolgenden Generationen noch einmal in einer ganz anderen, brutalen Intensität treffen. Deshalb besteht jedes Recht, auf dieses Thema aufmerksam zu machen – und das auch durch lautstarken und manchmal auch unbequemen Protest.
Ebenso gehört es aber zur Demokratie, dass man die Rechte der anderen respektiert und sich an die Regeln hält, auf die wir uns als Gesellschaft geeinigt haben.
Das sind zum einen ungeschriebene Verhaltensregeln und -konventionen, ohne die ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft nicht möglich ist. Das sind aber insbesondere auch die in einem demokratischen Prozess zustandegekommenen Gesetze.
Was wir daher als Gesellschaft nicht akzeptieren, ist, wenn aus rechtmäßigem Protest strafbares Verhalten wird.
Wann Straftaten ausnahmsweise gerechtfertigt sind, ist im Gesetz geregelt und steht nicht im Ermessen des Einzelnen. Die Verfolgung politischer Ziele ist nach diesen für alle geltenden Gesetzen gerade keine Rechtfertigung für strafbares Verhalten. Das gilt unabhängig davon, wie richtig und wichtig diese politischen Ziele sind. Um es kurz zu sagen: Auch ein noch so heeres Ziel schützt nicht vor Strafe.
Wenn aus legitimem Protest strafbares Handeln wird, ist es deshalb Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft einzuschreiten. Darauf vertrauen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und es besteht auch nicht der Hauch eines Zweifels daran, dass das auch passiert. Bei Straftaten jedweder Art – auch bei Straftaten von sogenannten „Klimaklebern“ – wird das Recht in aller Konsequenz durchgesetzt.
Der Polizei und den Staatsanwaltschaften stehen dabei in jeder Hinsicht ausreichende Befugnisse zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung zur Verfügung. Uns liegen keinerlei Rückmeldungen aus der Praxis vor, dass die bestehenden Instrumentarien nicht ausreichend wären.
Und wenn die Täterinnen und Täter vor Gericht stehen und sich der Vorwurf einer Straftat bestätigt, dann steht natürlich am Ende die Entscheidung über die angemessene Bestrafung. Und diese Strafe festzulegen, das obliegt – innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens – allein den dafür zuständigen unabhängigen Gerichten. Auch hier liegen uns keinerlei Rückmeldungen vor, dass es Lücken bei der Strafbarkeit gäbe oder dass die im Gesetz vorgesehenen Strafrahmen unangemessen niedrig wären.
Sie sehen: Unser Rechtsstaat funktioniert.
Des Antrags der AfD bedarf es dazu nicht.
Wenn man die vielen Vorgaben sieht, die der Entschließungsantrag unserer Polizei und unserer Justiz machen will, muss man sich ernsthaft fragen: Was denken sich die Ersteller dieses Antrags denn eigentlich, was Polizei und Justiz jeden Tag tun? Natürlich unterbinden und sanktionieren sie konsequent Verstöße gegen die Rechtsordnung und nutzen dazu die gesetzlich vorgesehenen Befugnisse. Das gilt für illegale Protestaktionen von Klimaaktivisten genauso wie für alle anderen Formen von Gesetzesverstößen.
Keiner, wirklich keiner der Punkte aus dem Entschließungsantrag trägt etwas dazu bei, einen vernünftigen Umgang mit dem Thema „Klimakleber“ zu fördern.
Stattdessen spielen Sie, die Damen und Herren von der AfD, dem kleinen, marginalisierten Teil an radikalisierten, zu Straftaten bereiten Klimaaktivisten sogar in die Karten. Ist das Ihre Absicht?!
Denn die kleine radikale Minderheit der Aktivistinnen und Aktivisten, die zu illegalen Protestformen greift, will doch vermutlich genau das erreichen, was die AfD da gerade mit ihrem Entschließungsantrag willfährig liefern möchte: Bilder eines vermeintlichen Polizeistaates, der angesichts der am Ende in ihren Auswirkungen doch sehr begrenzten strafbaren Einzelaktionen selbst jedes Maß verliert. Das wäre Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Eindruck erwecken wollen, der Staat nehme den Klimawandel nicht ernst, sondern verfolge lieber Aktivistinnen und Aktivisten.
Ich kann Ihnen sagen: Das ist nicht der Fall.
Aber viel gravierender ist noch etwas Anderes: Die AfD, die sich so gerne als Verteidigerin des Rechtsstaats gerieren möchte, redet mit diesem Entschließungsantrag einmal mehr die Arbeit derjenigen schlecht, die Tag für Tag diesen Rechtsstaat verteidigen. Keiner Polizistin vor Ort ist durch Ihre Aufforderung zu einem „harten Durchgreifen“ geholfen, wenn sie sich einer illegalen Straßenblockade gegenübersieht. Kein Staatsanwalt kann seine Verfahren besser und effizienter führen, wenn wir ihm Ihre politisch motivierten Weisungen erteilen, jeden kleinsten Gesetzesverstoß anzuklagen.
Was denjenigen, die Tag für Tag für den Rechtsstaat eintreten, wirklich hilft, ist unsere Rückendeckung. Wir dürfen zu keiner Zeit Zweifel daran lassen, dass wir ihnen vertrauen, im Einzelfall die richtigen Entscheidungen zu treffen. Schaufensteranträge wie der vorliegende erweisen den Sicherheitskräften und der Justiz dagegen einen Bärendienst!
Vielen Dank!“
Artikel-Informationen
erstellt am:
14.09.2023
Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044