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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann zu TOP 18a) Fragestunde „Gesetz gegen digitale Gewalt im Internet: Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens?“


Es gilt das gesprochene Wort!


„Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Mitglieder des Niedersächsischen Landtags,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Zunahme von Hass und Hetze im Internet ist eines der großen Probleme unserer Zeit – und es ist ein großes Anliegen der Niedersächsischen Landesregierung, dem entschieden entgegenzutreten.

Gerade im Zusammenhang mit den Diskussionen rund um die im Rahmen der Pandemie getroffenen Schutzmaßnahmen, aber auch im Zusammenhang mit öffentlichen Wahlen und über das Ziel hinausschießenden Wahlkämpfen haben wir tagtäglich gesehen, wie insbesondere der Ton in den sozialen Netzwerken zunehmend verroht. Selbst die harmlosesten kommunalen Diskussionen schlugen in übelste Beschimpfungen, Verleumdungen und Bedrohungen um.

Das führt dazu, dass sich zunehmend friedliche Personen aus sozialen Netzwerken und Diskussionsforen im Internet zurückziehen – und das ist Gift für die Meinungsvielfalt, Gift für offene Diskussionen und damit auch Gift für unsere Demokratie. In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ist es von elementarer Bedeutung, seine Meinung frei äußern zu können – soweit dadurch nicht die Rechte anderer verletzt werden. Wir wollen daher eine offene, pluralistische Gesellschaft, in die sich jede und jeder einbringen kann – ohne Angst vor Hass, Hetze und Unterdrückung.

In anderen Zusammenhängen werden Menschen auf digitalen Kanälen gezielt bloßgestellt; es werden auf perfide Art und Weise private Informationen und private Bilder ins Netz gestellt, um insbesondere – aber nicht nur – Frauen verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Es werden – technisch gut gemachte – Fotomontagen gepostet, bei denen etwa das Gesicht einer bestimmten Person auf einen nackten Körper gesetzt wird oder bei denen die Anwesenheit einer Person in einer Situation dargestellt wird, die in dieser Form gar nicht stattgefunden hat. Es werden falsche Zitate von Personen des öffentlichen Lebens und des nichtöffentlichen Lebens verbreitet – ausschließlich mit dem Ziel, diese Menschen öffentlich herabzuwürdigen und – gerade im Falle von Personen des öffentlichen Lebens – auch mit dem Ziel, diese politisch oder auch wirtschaftlich zu zerstören.

Das alles geschieht unter dem Deckmantel der Anonymität des Internets.

Es gehört kein technisches Know-How dazu, sich eine auf einen anderen Namen lautende Email-Adresse zuzulegen und damit unter falschem Namen einen Account in einem sogenannten sozialen Netzwerk zu eröffnen – dazu ist jede und jeder in der Lage, der oder die sich einen eigenen Account anlegen kann.

Diesen anonym und feige agierenden Täterinnen und Tätern aber, die unter falschem Namen Hass und Hetze im Internet verbreiten und damit Reputationen, Persönlichkeiten und wirtschaftliche Existenzen zerstören, müssen wir entschieden entgegentreten.

Die Landesregierung begrüßt daher sehr, dass das Bundesministerium der Justiz im April 2023 ein Eckpunktepapier zu einem Gesetz gegen digitale Gewalt vorgelegt hat, das grundsätzlich in die richtige Richtung geht. Unser demokratischer Rechtsstaat muss gewährleisten, dass wir alle als seine Bürgerinnen und Bürger auch im Internet vor Angriffen geschützt sind – und zwar, und das ist das wesentliche Novum eines Gesetzes gegen digitale Gewalt – nach unseren demokratischen, durch gewählte Volksvertreterinnen und Volksvertreter beschlossenen Gesetzen und nicht nach den AGB eines Betreibers eines sozialen Netzwerkes oder einer Internetseite.

Da – wie Sie wissen – auch die Niedersächsische Landesregierung bereits intensiv mit der Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet befasst ist, komme ich im Zusammenhang mit der Beantwortung der zweiten von Ihnen gestellten Frage auf die eigenen Akzente der Niedersächsischen Landesregierung zu sprechen – und damit auch auf die Aspekte, bei denen aus unserer Sicht Verbesserungen an den bisher bekannten Plänen des Bundesministeriums der Justiz erforderlich sind:

Der Niedersächsischen Landesregierung geht es maßgeblich darum, dass Menschen, die von Hass und Hetze im Internet betroffen sind, schnelle und wirkungsvolle Hilfe erhalten. Nach dem Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz ist die Möglichkeit von Account-Sperren aber erst dann vorgesehen, wenn ein „notorischer Rechtsverletzer im digitalen Raum wiederholt“ verletzende Handlungen vornimmt.

Das reicht aus unserer Sicht nicht aus. Gerade weil sich Posts im Internet absolut unkontrolliert und zum Teil viral verbreiten und dabei nicht mehr rückholbar sind, muss es bei schwerwiegenden Rechtsverletzungen möglich sein, nicht erst im Wiederholungsfall, sondern auch schon bei der ersten Tat den Post zu sperren oder zu löschen und in schweren Fällen auch den Account zu sperren. Ebenso muss es bei wiederholten schwerwiegenden Rechtsverletzungen auch möglich sein, die Löschung eines Accounts anzuordnen. Es darf keinen „Freifahrtschein“ für die erste besonders schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung geben.

Darüber hinaus es ist der Niedersächsischen Landesregierung ein wichtiges Anliegen, dass der Begriff der „digitalen Gewalt“ für die Bürgerinnen und Bürger anschaulich und gut verständlich ist. Das Gesetz sollte daher einen entsprechenden Tatbestand ausformulieren und dabei insbesondere mit Regelbeispielen arbeiten und damit konkrete Fälle digitaler Gewalt beim Namen nennen.

Um einen schnellen und effektiven Rechtsschutz für unsere Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, wollen wir, dass die Verfahren gegen digitale Gewalt nicht – wie vom Bund vorgesehen – vor den Landgerichten, sondern in erster Instanz ausschließlich vor den Amtsgerichten stattfinden. Das schafft kürzere Wege, schnellere Hilfe und im Übrigen auch keinen Anwaltszwang – denn wir wollen, dass Opfer von digitaler Gewalt nicht durch die Furcht vor Anwaltsgebühren davon abgehalten werden, sich vor weiteren Angriffen zu schützen.

Mitunter kann die Geltendmachung ihrer Rechte für von digitaler Gewalt betroffene Bürgerinnen und Bürger aber auch ausgesprochen belastend sein. Wir wollen daher die Möglichkeit vorsehen, dass anstelle der betroffenen Bürgerinnen und Bürger eine „qualifizierte Opferschutzeinrichtung“ den Prozess für die Betroffenen führen kann. Auch dies trägt dazu bei, die Hilfe so effektiv und niedrigschwellig wie möglich zu machen.

Vor diesem Hintergrund komme ich zur Beantwortung der dritten Frage:

Was beabsichtigt die Landesregierung zu unternehmen, um ihr Anliegen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger von digitaler Gewalt weiter voranzubringen?

Nachdem das Bundesministerium der Justiz sein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorgelegt hat, ist ein politischer Prozess zum Ausbau des Schutzes der von digitaler Gewalt betroffenen Bürgerinnen und Bürger auf Bundesebene in Gang gesetzt worden, den die Niedersächsische Landesregierung begrüßt – wobei anzumerken ist, dass das BMJ bislang noch keinen Referentenentwurf vorgelegt hat.

Gleichwohl wird die Niedersächsische Landesregierung das bislang angestoßene Verfahren des Bundes selbstverständlich konstruktiv begleiten und dabei ihren Einfluss auf den dafür vorgesehenen Wegen der Länderbeteiligung geltend machen. Das BMJ hat zu den vorgelegten Eckpunkten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Mai 2023 gegeben. Das Niedersächsische Justizministerium wird innerhalb dieser Frist ausführlich zu dem Eckpunktepapier Stellung nehmen.

Darüber hinaus habe ich das Thema „Weiterentwicklung der Eckpunkte des BMJ für ein Gesetz gegen digitale Gewalt“ für die Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 25. und 26. Mai 2023 angemeldet. Dort werde ich unsere Vorstellungen, wie die Menschen in unserem Land schneller, effektiv und wirkungsvoll vor Hass und Hetze im Internet geschützt werden, einbringen und im Kreis der Justizministerinnen und -minister der Länder dafür werben.

Und schließlich werden wir uns, sobald der Bund einen Referentenentwurf vorlegt, dezidiert mit diesem auseinandersetzen und unseren Einfluss im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geltend machen. Und nach den Erfahrungen mit aktuell laufenden Verfahren kann man verhalten zuversichtlich sein, dass unsere Argumente Gehör finden werden.

Denn letztlich geht es sowohl dem Bund als auch insbesondere der Niedersächsischen Landesregierung um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, Einwohnerinnen und Einwohner vor Hass und Hetze innerhalb und außerhalb des Internets. In unserer offenen, demokratischen Gesellschaft ist viel Raum für Diskurs und für die freie Meinungsäußerung. Aber Diffamierungen, Beleidigungen, Bedrohungen und dergleichen gehören nicht dazu – und dem werden wir entschieden entgegentreten.

Vielen Dank.“

Ministerin Dr. Wahlmann im Landtag   Bildrechte: MJ

Ministerin Wahlmann im Landtag

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
04.05.2023

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