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Rede der Niedersächsischen Justizministerin, Barbara Havliza, zur Aktuellen Stunde der CDU „Nach den Anschlägen in Dresden, Paris, Nizza und Wien - Islamismus auch im Strafvollzug konsequent bekämpfen, Deradikalisierung stärken.“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11. November 2020


Es gilt das gesprochene Wort!


„Die fürchterlichen Anschläge von Dresden, Paris, Nizza und zuletzt Wien haben uns alle tief betroffen gemacht. Sie haben uns aber auch auf drastische Art und Weise mal wieder vor Augen geführt, dass der islamistische Terror keine abstrakte Gefahr ist, sondern erschreckend real und präsent ist.

Mit dem Gedankengut der Täter, den selbsternannten Glaubenskriegern, mit ihren verqueren Ideologien und ihrer verdrehten Religionsauslegung sowie ihren fehlgeleiteten Ansichten und leider auch mit ihren grausamen Taten habe ich mich in meiner früheren Tätigkeit jahrelang befasst. So mancher Islamist saß da vor mir im Gerichtssaal. Und deshalb weiß ich nur zu gut: Ein Urteil „Im Namen des Volkes“, eine Freiheitsstrafe von mehreren Jahren allein ist nicht geeignet, um einen Islamisten von seinem radikalen Weg abzubringen. Dazu braucht es mehr. Viel mehr.

Daher ist es von ganz erheblicher Bedeutung, dass sich Islamisten im Strafvollzug nicht nur nicht weiter radikalisieren, sondern dass sie durch präventive Angebote deradikalisiert werden. Dieser Überzeugung war ich damals, dieser Überzeugung bin ich heute. Und deshalb bearbeiten wir diese Aufgabe kontinuierlich. Ich bin der CDU-Fraktion daher sehr dankbar, dass sie dieses wichtige Thema in die Aktuelle Stunde eingebracht hat.

Die Landesregierung hat sich bereits im Koalitionsvertrag dazu bekannt, mit mehr Präventionsarbeit, wirksamen Sanktionen und eigenem Personal der politischen oder religiösen Radikalisierung in den Justizvollzugsanstalten entgegenzuwirken. Daher haben wir im Justizvollzug, im Ambulanten Justizsozialdienst und im Landespräventionsrat ein breites Maßnahmenpaket geschnürt, das sich auf alle Phänomenbereiche – also den religiös und den politisch motivierten Extremismus – erstreckt und eine umfassende Kooperation mit zivilen und staatlichen Akteuren vorsieht. Auf die gesamte Bandbreite kann ich in der kurzen Zeit leider nur auszugsweise eingehen.

So werden Gefangene, die wegen einer extremistisch geprägten Straftat verurteilt wurden oder in der Haft unter Extremismusverdacht geraten, vom Prognosezentrum im niedersächsischen Justizvollzug begutachtet. Vor der Entlassung erfolgt in geeigneten Einzelfällen eine aktuelle Gefährdungseinschätzung, die auch den Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt wird.

Auf vollzuglicher Ebene hat meine Fachabteilung eine Extremismus-Richtlinie erarbeitet, in der verbindliche Regelungen zum Umgang mit extremistischen Gefangenen vereinbart worden sind. Auf Grundlage eines gemeinsamen Runderlasses des Innen- und des Justizministeriums werden regelmäßig Informationen zwischen der Justiz und den Sicherheitsbehörden ausgetauscht.

Auf ziviler Ebene kooperieren wir erfolgreich mit Violence Prevention Network. Der bundesweit anerkannte Träger der Extremismusprävention und Deradikalisierung bietet neben Gruppen- und Einzeltrainings für betroffene Gefangene auch Fortbildungen für Bedienstete in niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen sowie im Ambulanten Justizsozialdienst an.

Geschult werden auch unsere islamischen Seelsorgerinnen und Seelsorger. Wir sind überzeugt davon, dass die Gefängnisseelsorge einen sehr wichtigen Beitrag zur Islamismusprävention leisten kann, auch wenn es nicht ihr Zweck, sondern eine „erwünschte Nebenwirkung“ ist.

Wir haben die extremistischen Gefangenen sehr genau im Blick! Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Terrorgefahr unverändert fortbesteht. Dies sagte ich bereits eingangs.

Das Risiko wird bleiben.

Es ist ja auch keinesfalls so, dass die Attentäter zuvor immer inhaftiert waren oder auch nur aufgefallen waren. Daher ist es mir ebenso wichtig, präventive Maßnahmen außerhalb der Gefängnismauern vorzuhalten. Niedersachsen hat sich einen ganzheitlichen Präventionsansatz zu Eigen gemacht und ihn in der ressortübergreifenden Arbeit des „Kompetenzforums Islamismusprävention Niedersachsen“ als Landesprogramm organisiert.

Hier kommt dem Landespräventionsrat in meinem Haus eine wichtige Aufgabe zu. Seit mehreren Jahren hat dieser sich die Förderung lokaler Fachstellen gegen Islamismus und Demokratiefeindlichkeit auf die Fahnen geschrieben. In einem Schulterschluss von Staat und Zivilgesellschaft werden seither in den Städten und Landkreisen Hildesheim, Osnabrück und Göttingen erfolgreich pädagogische und andere Fachkräfte geschult, um Jugendliche und junge Erwachsene für die Gefahren und den Sog islamistischer Propaganda zu sensibilisieren und Angebote zu schaffen – mit dem Ziel, sie vor dem Einfluss extremistischer Propaganda zu schützen.

Auf justizieller Ebene habe ich mich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass bereits der Versuch der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe gestellt wird. Und dafür, dass derjenige, der eine terroristische Vereinigung gründet, ihr als Mitglied angehört oder diese unterstützt, zukünftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren bestraft werden kann, anstatt von bis zu 10 Jahren, wie es derzeit der Fall ist.

Prävention, Intervention und Repression sind im Kampf gegen Extremismus das Gebot der Stunde. Denn eins dürfen wir nicht vergessen: Wir haben es bei Islamisten im wahrsten Sinne des Wortes mit Glaubenskriegern zu tun. Diese bringt man weder allein durch Bestrafung auf den rechten Weg, noch durch gute Worte. Die Wirklichkeit ist da wesentlich anstrengender. Wir müssen da weiter vorangehen und wir dürfen nicht nachlassen.“

Justizministerin Barbara Havliza hält eine Rede im Niedersächsischen Landtag   Bildrechte: Swen Pförtner / MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2020

Ansprechpartner/in:
Herr Christian Lauenstein

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5044

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