Rede der Nds. Justizministerin Dr. Wahlmann zu TOP 15 b Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um vollumfänglich zu ergründen, welche Bediensteten bei der Justiz und der Polizei möglicherweise Dienstgeheimnisse an die Drogenmafia verraten hab
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21. Mai 2025
Es gilt das gesprochene Wort!
„Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um vollumfänglich zu ergründen, welche Bediensteten bei der Justiz und der Polizei möglicherweise Dienstgeheimnisse an die Drogenmafia verraten haben?“
„Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Frau Hermann,
ich wundere mich ehrlich gesagt ein wenig über diese dringliche Anfrage – nachdem Sie mir im vorletzten Plenum von sich aus wortreich erzählt haben, Sie würden das Thema rund um den nun angeklagten Staatsanwalt gerne ruhen lassen und würden nur auf Presseanfragen reagieren; von sich aus würden Sie das Thema nicht mehr ansprechen.
Das kam von Ihnen – nicht von mir.
Aber ungeachtet dessen, dass ich mich über die Halbwertszeit Ihrer ungefragten Zusicherungen wundere, freue ich mich sehr, Ihre Fragen beantworten zu dürfen.
Vorweg möchte ich noch einmal darauf hinweisen, wie ernst unsere Ermittlungsbehörden den Sachverhalt nehmen:
• Die Ermittlungen gegen den Staatsanwalt wurden 2023 zunächst eingestellt. Aber Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft sind drangeblieben und konnten durch weitere Chatauswertungen und neue Beweismittel den Tatverdacht doch noch verdichten.
• Die Staatsanwaltschaft Hannover hat weiterhin gegen ihren eigenen Mann ermittelt und diesen letztlich auch in Haft genommen.
• Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat nach Übernahme des Verfahrens binnen weniger Wochen 14 Taten zur Anklage gebracht – die das Landgericht Hannover unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen hat.
• Und selbstverständlich hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit der Anklageerhebung die Hände nicht in den Schoß gelegt. Sondern sie prüft natürlich weiter genau, ob sich gegen den angeklagten Staatsanwalt, aber gegebenenfalls auch gegen andere Personen in diesem Komplex, womöglich weitere Verdachtsmomente ergeben.
Sie sehen: Unser Rechtsstaat funktioniert ganz hervorragend.
Und nochmal zur Erinnerung für alle: In unserem Rechtsstaat gilt bis zur rechtskräftigen Entscheidung die Unschuldsvermutung.
Und die Entscheidungen treffen unsere Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit. Niemand sonst.
Und deshalb: Auch wenn es Ihnen politisch noch so verlockend erscheinen mag, das mögliche Versagen eines einzelnen Staatsanwalts immer und immer wieder politisch zu thematisieren und zu versuchen, ein vermeintliches Systemversagen zu konstruieren, darf ich als Justizministerin alle Beteiligten auffordern, der Arbeit unserer Ermittlungsbehörden und Gerichte den nötigen Respekt zu zollen und den Ausgang der Hauptverhandlung und möglicher weiterer Ermittlungen abzuwarten.
Und insbesondere fordere ich alle Beteiligten auf, zukünftig von Falschdarstellungen Abstand zu nehmen.
So hat der angeklagte Staatsanwalt keineswegs in der letzten Woche drei Beamte des LKA beschuldigt, Informanten der Drogenmafia zu sein. Das hat der „Rundblick“ auch nicht berichtet.
Der Angeklagte hat lediglich die These aufgestellt, auch drei Beamte des LKA kämen aus seiner Sicht als Informanten der Drogenmafia in Betracht.
Dabei hat er ausdrücklich klargestellt, es gehe ihm nur darum zu zeigen, dass aus seiner Sicht die vorhandenen Indizien keineswegs zwingend ihn als Täter auswiesen. Er hat zugleich ausdrücklich betont, niemanden beschuldigen zu wollen. Aber das klingt natürlich viel weniger dramatisch als anzudeuten, es wimmele wohl geradezu von „Maulwürfen“ im LKA.
Das vorausgeschickt zu den einzelnen Fragen:
In Frage 1 möchten Sie wissen, ob und wann die Innen- und die Justizministerin sowie deren Staatssekretäre Kenntnis über die strafrechtliche Verurteilung des ehemaligen Geschäftsführers eines IT-Unternehmens aus Celle hatte, das nicht nur für Landesbehörden, sondern auch für zahlreiche deutsche Großkonzerne tätig war.
Dazu kann ich sagen:
Zu den Ermittlungen gegen den ehemaligen Geschäftsführer des IT-Unternehmens wurde dem Niedersächsischen Justizministerium erstmals am 27.06.2022 – also noch unter meiner Amtsvorgängerin Frau Havliza von der CDU – berichtet. Der Geschäftsführer war zu diesem Zeitpunkt einer von zahlreichen Beschuldigten in dem berichteten Verfahren.
Die Auftragsvergaben an das von ihm geführte Unternehmen erfolgten justizseitig – wie üblich – durch den Zentralen IT-Betrieb – den ZIB – in eigener Verantwortung. Mein Haus hatte daher keine Kenntnis von der Beauftragung der betreffenden IT-Gesellschaft durch den ZIB.
Mitte Dezember 2024 erreichte die Pressestelle des MJ dann erstmals eine Presseanfrage, die unter anderem auch das betreffende Celler IT-Unternehmen betraf. Die Fragesteller wollten seinerzeit unter anderem wissen, ob hannoversche Justizbehörden in den vergangenen fünf Jahren Verträge mit dem IT-Unternehmen unterhalten hätten.
Über diese Anfrage wurde zunächst Herr Staatssekretär Dr. Smollich informiert.
Obwohl die Presseanfrage explizit auf hannoversche Justizbehörden beschränkt war, wurde durch mein Haus veranlasst, vorsorglich auch beim ZIB – der seinen Sitz in Oldenburg hat – eine Abfrage durchzuführen, ob und wenn ja, welche Verbindungen zu dem Unternehmen bestanden.
Sie sehen schon daran deutlich: Wir haben den Vorgang von Anfang an sehr ernst genommen und sofort umfassende Aufklärung betrieben. Und zwar weit über die ursprüngliche Presseanfrage hinaus!
Unter dem 27.12.2024 berichtete der ZIB dann, dass die IT-Firma dort einzelne Schulungen etwa zum Betrieb von Servern unter Windows und Linux durchgeführt hat, davon eine noch im Jahr 2024. Diesen Bericht hat Herr Dr. Smollich am 30.12.2024 zur Kenntnis genommen.
Parallel zu den Nachforschungen meines Hauses unterzog das LKA Niedersachsen die IT-Firma einem umfassenden Clearing mit dem Ergebnis, dass einer der Beschuldigten aus der Tätergruppierung, der die Bestechung des nun angeklagten Staatsanwaltes vorgeworfen wird, dort langjähriger Geschäftsführer war.
Diese Erkenntnisse wurden meinem Haus erstmals durch Bericht der Staatsanwaltschaft Osnabrück ebenfalls vom 30.12.2024 bekannt. Herr Dr. Smollich wurde am 30.12.2024 darüber umgehend informiert.
Noch am selben Tag, dem 30.12.2024, an dem ich im Urlaub war, hat Herr Dr. Smollich mich angerufen und mir dann den Bericht der Staatsanwaltschaft Osnabrück und den Bericht des ZIB weitergeleitet.
Herr Dr. Smollich leitete nach der Abstimmung mit mir sofort Schritte zur weiteren umfassenden Aufklärung des Sachverhaltes in die Wege.
Zur Beschleunigung des Vorgangs wurde dem Generalstaatsanwalt in Oldenburg der Bericht des ZIB unmittelbar zugeleitet.
Zudem veranlasste der Staatssekretär nunmehr eine Abfrage bei allen Justizbehörden des Landes Niedersachsen zu möglichen vertraglichen Beziehungen zu dem IT-Unternehmen. Diese wurde noch am selben Tag, immer noch dem 30.12.2024, durch die zuständige Fachabteilung bearbeitet und am 02.01.2025 an alle Justizbehörden übersandt.
Darüber hinaus gab der Staatssekretär die Überprüfung aller Verurteilten aus den Ermittlungskomplexen „Belarus“ und „Adios“ von LKA Niedersachsen und Staatsanwaltschaft Hannover auf Gewerbe oder Unternehmen mit Beziehungen zur Polizei oder zu Justizbehörden in Auftrag. Auch hiermit wurde noch am 30.12.2024 der Generalstaatsanwalt in Oldenburg beauftragt.
Am 07.01.2025 ordnete der Betriebsleiter des ZIB an, dass das betreffende Unternehmen und etwaige Tochterunternehmen ab sofort nicht mehr beauftragt werden. Über diesen Schritt hat der Betriebsleiter des ZIB den Staatssekretär und mich im unmittelbaren Anschluss informiert.
Meine Damen und Herren,
Sie sehen also ganz deutlich: Mir und meinem Haus ging es von Anfang an um lückenlose Aufklärung und maximale Transparenz. So haben wir eine Presseanfrage, die sich lediglich auf einzelne Behörden in Hannover bezog, zum Anlass genommen, alle niedersächsischen Justizbehörden abzufragen.
Was die Hausspitze des Ministeriums für Inneres und Sport unter Führung meiner Kollegin Daniela Behrens angeht, verhalten sich die Dinge ähnlich: Im Rahmen der Beantwortung einer Presseanfrage vom Dezember 2024 wurde auch hier eine Abfrage durchgeführt. Diese ergab, dass nur die Zentrale Polizeidirektion Schulungen bei dem betreffenden Unternehmen gebucht hatte.
Die Ministerin und der Staatssekretär im MI wurden erstmals im Rahmen der Beantwortung dieser Medienanfrage vom Dezember 2024, konkret im Zeitraum vom 11. bis zum 13.12.2024, über den in der Frage genannten Sachverhalt und die initiierten Maßnahmen informiert. Aufgrund daraufhin schriftlich formulierter Nachfragen des Staatssekretärs zum vorliegenden Sachverhalt gegenüber dem zuständigen Abteilungsleiter, wurden dem Leitungsbereich durch die Fachebene im Januar 2025 detailliertere Erkenntnisse im Rahmen eines Berichts mitgeteilt.
Eines ist bei der Überprüfung sowohl im Bereich der Justiz als auch der Polizei im Übrigen deutlich geworden, das will ich hier und heute noch einmal ganz klar sagen:
Es gab und gibt bis heute keinerlei Hinweise darauf, dass Mitarbeitende des in Rede stehenden IT-Unternehmens Zugriff auf dienstliche Daten hatten. Das wurde in beiden Häusern unmittelbar nach der Medienabfrage vom Dezember 2024 geprüft und konnte ausgeschlossen werden. Es spielten in den Schulungen auch keine sensiblen dienstlichen Daten eine Rolle. Und es gibt auch keine Hinweise, dass durch die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen in irgendeiner anderen Form ein Risiko für die Sicherheit und Integrität der IT der Justiz oder der Polizei bestanden hätte.
Bei Frage 2 wird – allen Ernstes – nach weiteren laufenden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Dienstgeheimnissen an die Gruppierung gefragt, mit der der angeklagte Staatsanwalt kooperiert haben soll.
Gut, solche Fragen zu stellen, ist Politik.
Aber die Innenministerin und ich tragen Sorge dafür, den Rechtsstaat und die effektive Strafverfolgung zu schützen.
Und selbstverständlich kann und werde ich Ihnen hier in öffentlicher Sitzung keine Auskünfte geben, die Ermittlungserfolge gefährden würden.
Ich kann daher an dieser Stelle keine Angaben dazu machen, wie viele Verfahren gegebenenfalls geführt werden, gegen welche Täterinnen oder Täter aus welchen Behörden oder wie der Verfahrensstand sich jeweils darstellt.
Andernfalls droht die Gefahr, dass mutmaßliche Täterinnen und Täter von den Ermittlungen gegen sie Kenntnis erlangen und beginnen, Beweise zu vernichten oder Zeuginnen und Zeugen zu beeinflussen.
Das würde die Ermittlungen gefährden und möglicherweise eine Aufklärung des Verdachts verhindern.
Insofern muss ich mich im Interesse der Integrität möglicher Ermittlungsverfahren auf Art. 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung berufen. Danach hat die Landesregierung einem Auskunftsverlangen nicht zu entsprechen, wenn durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohl des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt würden. Dieses Risiko besteht bei der Offenlegung möglicher Verfahren.
Lassen Sie mich Ihnen daher stattdessen versichern, dass die niedersächsischen Staatsanwaltschaften jedem begründeten Anfangsverdacht nachgehen und entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages begangene Straftaten konsequent verfolgen.
Dabei haben die Zentralstellen für Korruptionsstrafsachen bei den Staatsanwaltschaften Osnabrück, Hannover, Verden und Braunschweig besonders auch Innentäter im Blick. Die Zentralstellen haben das nötige Know-How und die Erfahrung und leisten gute Arbeit, bei der wir sie nach Kräften unterstützen.
Zur dritten Frage, ob die Landesregierung es für verantwortbar hält, dass Landesbedienstete im Rahmen von IT-Schulungen mit Personen in Kontakt geraten, deren beruflicher und persönlicher Hintergrund ihr nicht bekannt ist:
Ja, das tut die Landesregierung!
Dazu möchte ich zunächst einmal herausstellen, dass ein Großteil der Aufträge an das Unternehmen, über die in der Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 14. Mai 2025 unterrichtet wurden, unter meiner Vorgängerin im Ministeramt von der CDU erteilt wurde. In meiner Amtszeit gab es im Bereich der Justiz genau eine Schulung im Jahr 2024 beim ZIB, die das hier in Bezug genommene IT-Unternehmen durchgeführt hat.
Dass Mitarbeitende des Zentralen IT-Betriebs der Justiz, also des ZIB, bei IT-Schulungen mit Dozentinnen und Dozenten „von außen“ zusammentreffen, liegt in der Natur der Sache. Denn der ZIB ist u.a. deshalb hoch leistungsfähig, weil die Kolleginnen und Kollegen dort ihr Fachwissen ständig ausbauen und erweitern. Dazu gehört natürlich die Beauftragung von externen Anbietern, die vertiefte Schulungen zu bestimmten Spezialgebieten oder Einzelthemen im Programm haben.
Wenn Sie von nun an jede Person, die irgendwo im Land eine Fortbildung gibt – bei der NULL Risiko für einen Zugriff auf landeseigene Daten besteht –, durchleuchten wollen, dann nennen Sie mir mal bitte eine Rechtsgrundlage dafür.
Und im Übrigen ist es doch viel entscheidender, dass wir uns so aufstellen, dass Externe bei Schulungen gar keinen Zugriff auf sensible Daten bekommen können.
Genau das hat der Betriebsleiter unseres ZIB in der von der CDU angesprochenen Sitzung im Rechtsausschuss des Landtags letzte Woche auch bereits erläutert. Ich zitiere aus dem Vorabauszug des Protokolls, das es sich genau zu lesen lohnt:
„MDgt Henjes (MJ) entgegnet, von den Geräten in einem Schulungsraum des ZIB aus habe man keinen Zugang zur übrigen IT-Infrastruktur des ZIB. Auch bei einer Schulung per Videokonferenz bestehe ein solcher Zugang nicht. Im Übrigen unterliege der Zugang zur IT-Infrastruktur des ZIB - den die Dozenten des in Rede stehenden Unternehmens nicht gehabt hätten - einem Sicherheitskonzept. Über die Maßnahmen im Einzelnen könnten jedoch in öffentlicher Sitzung keine Ausführungen gemacht werden. […] Etwaige Präsentationen würden entweder von ZIB-Personal eingespielt, oder der Dozent schließe einen eigenen Rechner an den Beamer an. […] Jedenfalls würden ZIB-eigene Geräte keinem externen Dozenten ausgehändigt.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Genauso geht gute IT-Sicherheit.
Für die Polizei gilt im Übrigen nichts anderes. Auch dort bekommt kein externer Dienstleister „einfach so“ Zugang zu internen Systemen und Daten. Sofern Angehörige eines externen Dienstleisters in irgendeiner Form Zugang zu entsprechend eingestuften Informationen erlangen können, erfolgen vorab die entsprechenden Überprüfungen.
Im Falle der hier maßgeblich betroffenen Zentralen Polizeidirektion werden externe Referierende mit deren Einverständnis einer sogenannten Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜ) unterzogen. Diese umfasst die Abfragen in polizeilichen Auskunftssystemen und im Vorgangsbearbeitungssystem. Wird die Zuverlässigkeit positiv beschieden, darf die Person das Gelände sowie die Räumlichkeiten betreten und entsprechend ihres Auftrags tätig werden. Sollte die Zuverlässigkeitsüberprüfung negativ ausfallen, wird der Zutritt verweigert. Ein unbegleiteter Zutritt zu sicherheitsempfindlichen Bereichen ist in keinem Fall möglich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
um meine Ausführungen abzuschließen:
Es gab und gibt keine Hinweise darauf, dass über das in dieser Anfrage angesprochene Unternehmen illegal Daten erlangt worden wären. Ebenso wenig gibt es sonstige Hinweise, dass es hier ein Problem gäbe.
Was das Verfahren gegen den angeklagten Staatsanwalt angeht, appelliere ich an alle, die Unabhängigkeit der Justiz respektieren und das Landgericht Hannover und die Staatsanwaltschaft Osnabrück ihre Arbeit machen zu lassen.
Die dauernden erfolglosen Skandalisierungsversuche bringen niemanden weiter, schon gar nicht den Rechtsstaat.
Vielen Dank!“
Artikel-Informationen
erstellt am:
21.05.2025
Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Christoph Sliwka, LL.M.
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044