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Landesbeauftragter gegen Antisemitismus besucht Göttingen

Der Niedersächsische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, Dr. Franz Rainer Enste, nimmt am morgigen Mittwoch, den 21. Juli 2021, verschiedene Termine in Göttingen wahr.

Zunächst führt er vormittags ab 10 Uhr in der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet der Staatsanwaltschaft Göttingen ein Gespräch über die Arbeit dieser Behörde. Sodann besucht er um 13.30 Uhr die Sammlung von Tora-Wimpeln des Städtischen Museums und spricht anschließend ab 15 Uhr mit Vertretern der Jüdischen Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen e.V.

Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet (ZHIN) an der Staatsanwaltschaft Göttingen hat am 01. Juli 2020 ihre Arbeit aufgenommen und gilt bundesweit als Ansprechpartner für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus dem Bereich. Zudem führt sie in herausgehobenen Fällen von Hasskriminalität die Ermittlungen selbst.
Das Ziel der Zentralstelle ist die effektive Verfolgung von Personen, die sich in einer Weise, die gegen das geltende deutsche Strafrecht verstößt, unter Zuhilfenahme des Internets äußern und sich durch stark aggressives Auftreten, Einschüchterung und Androhung von Straftaten auszeichnen. Durch diese Form von Hasskriminalität wird nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sondern auch der politische Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung angegriffen und in Frage gestellt.
Seit der Einrichtung der Zentralstelle vor einem Jahr hat die Staatsanwaltschaft Göttingen insgesamt 220 Ermittlungsverfahren zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet geführt. Allein 20 Verfahren betreffen antisemitische Äußerungen.

Wie der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus im Vorfeld seines Besuchs bei der Zentralstelle ausdrücklich hervorhebt, ist es für seine weitere Arbeit von unerlässlicher Bedeutung, die Arbeit gerade dieser Einrichtung näher kennenzulernen.

„Mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen und dramatischen globalen Veränderungen geht zurzeit eine wachsende Aggressivität innerhalb unserer Gesellschaft und eine deutliche Verrohung der Sprache ‚im Netz‘ einher. Die dort ‚gepflegte‘ Hetze bedient nicht nur alte antisemitische Parolen, sondern bildet letztlich eine schleichende Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen. Wir alle sind zu einer besonderen Wachsamkeit aufgerufen. Die Notwendigkeit dazu ergibt sich vor allem aus der Erkenntnis, dass das Internet die schnell potenzierte Verbreitung antisemitischer Darstellungen und Haltungen mit ihren über Jahrhunderte etablierten Schablonen der Ausgrenzung sowie Stereotypen der Abgrenzung in bedrohlicher Weise begünstigt. Dessen weitgehende Anonymität enttabuisiert die Wirkung antisemitischer Attitüden. Diesem Phänomen mit achselzuckender Gleichgültigkeit zu begegnen wäre angesichts unserer historischen Lehren von geradezu geschichtsvergessener Blauäugigkeit. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit der Göttinger Zentralstelle von unschätzbarer Wichtigkeit.“, so Enste.

Als eines der niedersächsischen Projekte im Rahmen des Festjahres „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ zeigt das Städtische Museum derzeit 28 Tora-Wimpel, welche auf die Zeit zwischen 1690 und 1838 zurückdatiert werden können. Die Ausstellung hat daher internationale Bedeutung, da die Wimpel nicht nur von außerordentlich handwerklicher und ästhetischer Qualität sind, sondern sie auch nahezu ausnahmslos konkreten Personen und ihren Familien zugeordnet werden können. Enste: „Das Projekt des Städtischen Museums Göttingen ist für mich im Kreis aller niedersächsischen Vorhaben des laufenden Festjahres ein besonderes ‚Highlight‘. Ich freue mich ungemein darauf, insbesondere die gestalterische Kreativität der Stücke zu sehen, die Einblicke in das jüdische Leben der ländlichen Gegenden Südniedersachsens rund um Göttingen gewähren. Die bunt bestickten und bemalten Wimpel bebildern die jüdische Glaubenswelt sowie ihr alltägliches Leben. Es ist gewiss ungeheuer spannend, diese Eindrücke bis ins 17. Jahrhundert zurück begutachten zu können.“

Einen besonders wichtigen Teil der Arbeit des Niedersächsischen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens bilden seit Aufnahme dieser Tätigkeit neben der Pflege einer intensiven Zusammenarbeit mit den beiden Landesverbänden die Besuche der jüdischen Gemeinden vor Ort. Als Ansprechpartner sucht Enste hier den direkten Kontakt und einen regen persönlichen Gedankenaustausch.
Sein erster Besuch seit seiner Berufung überhaupt galt bereits im November 2019 der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Göttingen. Nun sucht er das Gespräch zu der Jüdischen Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen e.V., welche zum Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen K.d.ö.R. gehört und derzeit über 64 Mitglieder verfügt. „Dass es trotz der Novemberpogrome von 1938 und der davon ausgehenden verheerenden Zerstörung mit der im Gemeindehaus eher zufällig entdeckten historischen Mikwe ein rituelles Tauchbad in Göttingen gibt, ist ein wahrer Schatz für unser gesamtes Bundesland.“, bemerkt Enste. Weiter geht es ihm darum, in dem anstehenden Gespräch auszuloten, auf welche Weise die beiden in Göttingen beheimateten jüdischen Gemeinden in Stadt und Land auf eine breite Unterstützung stoßen und vor allem ein intensiver Kontakt mit den hiesigen Schulen gepflegt werden könnte.
Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.07.2021
zuletzt aktualisiert am:
21.07.2021

Ansprechpartner/in:
Geschäftsstelle des Landesbeauftragten gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens

Nds. Justizministerium
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: (0511) 120 - 8750

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