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Justizministerkonferenz am 25. und 26. Mai 2023 in Berlin

Initiativen aus Niedersachsen


Die 94. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister wird sich am Donnerstag und Freitag in dieser Woche neben anderen länderübergreifenden Themen auch mit verschiedenen Gesetzesinitiativen des Niedersächsischen Justizministeriums befassen.


Die Vorschläge aus Niedersachsen betreffen insbesondere Anpassungen zum Sexualstrafrecht und Verbesserungen des Schutzes Minderjähriger vor einer Inanspruchnahme für Vormundschafts- und Pflegschaftskosten sowie ein Gesetz gegen digitale Gewalt.

Gleich zwei Initiativen aus Niedersachsen betreffen das Sexualstrafrecht. Die niedersächsische Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann erläutert: „Die konsequente Verfolgung und Ahndung von Sexualstraftaten ist auch weiterhin ein oberstes Anliegen der Justiz. Zugleich ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, den Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen, gerade auf derartige Straftaten tat- und schuldangemessen zu reagieren. Beispiele aus der Justizpraxis haben gezeigt, dass die im Jahr 2021 vorgenommenen Änderungen im Sexualstrafrecht diesem Anspruch nicht vollumfänglich gerecht werden. Wir fordern den Bund daher auf, zeitnah entsprechende Änderungen vorzunehmen.“ Aus Sicht des niedersächsischen Justizministeriums sind folgende konkrete Änderungen erforderlich:

Verschärfungen bei exhibitionistischen Handlungen (§ 183 StGB)

Nach § 183 StGB stehen exhibitionistische Handlungen unter Strafe, wobei der Strafrahmen von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von einem Jahr reicht. Es fehlt indes zum einen an einer Versuchsstrafbarkeit und zum anderen an der Möglichkeit, auch auf schwerwiegendere Fälle – beispielsweise wenn die exhibitionistische Handlung durch Wiederholungstäter zum Nachteil eines Kindes begangen wird – angemessen zu reagieren. Trotz der beabsichtigten und in Teilen bereits erreichten Stärkung des Opferschutzes durch die jüngste Novellierung der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist eine Anpassung des § 183 StGB bislang nicht in ausreichendem Maße erfolgt. Auf Vorschlag des niedersächsischen Justizministeriums könnte sowohl die Versuchsstrafbarkeit als auch eine Qualifikation mit einer erhöhten Straferwartung von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, wenn sich die Tat auf ein Kind bezieht, eingeführt werden.


Anpassung des § 184b StGB

Die in § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 StGB für Taten der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografischer Inhalte und deren Ausgestaltung als Verbrechenstatbestände seit dem 1. Juli 2021 vorgesehene Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe wird nicht allen in der Lebenswirklichkeit vorkommenden Sachverhaltskonstellationen gerecht. Wenn etwa ein Elternteil in dem Klassenchat seines nicht strafmündigen Kindes ein kinderpornographisches Bild feststellt und dies empört und ohne jeden sexuellen Hintergrund an die Klassenlehrerin/den Klassenlehrer übersendet, um auf das Geschehen hinzuweisen, erfüllt dieses Verhalten grundsätzlich den Tatbestand der Drittbesitzverschaffung nach § 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StGB und ist nach der derzeitigen Gesetzeslage mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr zu bestrafen. Eine tat- und schuldangemessene Ahndung ist daher im Einzelfall nicht immer möglich. Hier haben, nachdem bereits vielfach kritische Stimmen aus Literatur und Rechtsprechung darauf hingewiesen haben, auch Beispiele aus der Praxis gezeigt, dass eine Herabstufung der Tatbestände des § 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 3 StGB zu einem Vergehen angezeigt ist, um auf die mit der derzeitigen Gesetzeslage teilweise verbundenen Härten angemessen reagieren zu können.

Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor der Inanspruchnahme für die Vergütung und Auslagenerstattung der für sie bestellten Vormünder und Pfleger

Nach der aktuellen Rechtslage muss ein minderjähriges Kind für die Vormündervergütung bzw. für die Aufwendungen des für seine Person eingesetzten Vormunds grundsätzlich selbst aufkommen, wenn es über ein ausreichendes verwertbares Vermögen verfügt. Entsprechendes gilt für die Vergütung des vom Familiengericht eingesetzten Pflegers, § 1813 BGB. Kathrin Wahlmann führt hierzu aus: „Der Kinderschutz ist eines der Kernanliegen der Niedersächsischen Landesregierung. Mit dem Schutz Minderjähriger und den Anforderungen an eine kindgerechte Justiz ist es jedoch nicht vereinbar, wenn Kinder für die – von ihnen nicht veranlasste – Vergütung und für den Auslagenersatz der vom Familiengericht für sie eingesetzten Vormünder und Pfleger selbst haften.“

Vorgeschlagen wird eine Regelung, die durch die Streichung der persönlichen Haftung, das Mündel vor einer Inanspruchnahme durch den Vormund schützt.

Gesetz gegen digitale Gewalt

Niedersachsen setzt sich darüber hinaus für eine Weiterentwicklung der Eckpunkte des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz gegen digitale Gewalt ein. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und es darf nie ein rechtsfreier Raum sein. Es ist daher dringend erforderlich, dass die Sperrung eines Nutzer-Accounts in besonders schwerwiegenden Fällen auch bei einer erstmaligen Rechtsverletzung möglich ist“, erläutert die Justizministerin Kathrin Wahlmann. Ein Nutzer-Account soll der niedersächsischen Initiative zufolge nicht nur bei „schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen“, sondern auch bei „digitaler Gewalt“ gesperrt werden können, was in einem entsprechenden gesetzlichen Tatbestand vorgesehen werden sollte. Zudem soll das Verfahren zur Sperrung von Nutzer-Accounts noch niedrigschwelliger ausgestaltet werden. Hierzu gehört ein gerichtliches Verfahren vor den Amtsgerichten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.


Bekämpfung von Hatespeech

Eine weitere – gemeinsam von Niedersachsen und Bayern – eingebrachte Initiative befasst sich mit der Bekämpfung von Hatespeech auf Grundlage des Digital Services Act (DSA). Die großen sozialen Netzwerke müssen mehr Verantwortung bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte auf ihren Internetseiten übernehmen. Ausdrücklich normierte Meldepflichten, nach denen soziale Netzwerke Daten zu bestimmten strafbaren Inhalten an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln haben, sowie klare Rechtsgrundlagen zur zeitnahen Entfernung solcher Inhalte aus dem Internet sind dafür wichtige Instrumente. Die niedersächsische Justizministerin mahnt: „Der Digital Services Act hilft im Kampf gegen Hass und Hetze, führt aber in seiner jetzigen Fassung auch zu Rückschritten gegenüber dem Schutzniveau des deutschen NetzDG. Dementsprechend ist zu prüfen, wie dies durch Maßnahmen im nationalen Recht kompensiert werden kann.“

Strafrechtliche Verfolgung von sexuellem Missbrauch in Institutionen

Bayern und Niedersachsen bringen darüber hinaus einen Antrag ein, der sich mit der Verfolgung von Straftaten des sexuellen Missbrauchs, der von Angehörigen von Institutionen, insbesondere den Kirchen, begangen wurde, befasst. Die Taten sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Mehrfachtäter handelt und die Taten erst spät zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangen. Akten zu Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen früherer gleichgelagerter Vorwürfe sind häufig nicht mehr vorhanden, obwohl sie für die Beurteilung der neuen Vorwürfe relevant sein können. Die Initiative strebt eine längere Aufbewahrung von Akten zu eingestellten Ermittlungsverfahren wegen Sexualstraftaten an. Niedersachsens Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: "Sowohl für die Opfer von Sexualstraftaten als auch für die Bevölkerung ist es nicht nachvollziehbar, wenn zahlreiche Strafverfahren gegen denselben Beschuldigten wegen mangelnder Nachweisbarkeit eingestellt werden, weil ältere Ermittlungsergebnisse nicht mehr herangezogen werden können. So verfestigt sich der Eindruck, kirchliche Würdenträger und Angehörige bestimmter Institutionen würden vom deutschen Strafrecht geschont. Für Niedersachsen ist klar: Einen Freibrief für Serientäter darf es nicht geben."

Tierschutz nachhaltig und umfassend verbessern

Eine weitere von Sachsen und Niedersachsen unterstützte Initiative sieht eine Effektivierung des Tierschutzrechts vor, mit dem Ziel, die rechtliche Behandlung von Tieren vor dem Hintergrund des Staatsschutzziels des Artikels 20a GG sowie der weiter gewandelten gesellschaftlichen Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier im Sinne einer stärkeren Betonung des Tierwohls und der Achtung der Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe weiterzuentwickeln. Dr. Kathrin Wahlmann verdeutlicht: „Die strafrechtliche Ahndung von Verstößen insbesondere im Bereich der Nutztierhaltung ist mit besonderen Schwierigkeiten behaftet. Neben der Anzahl und der Qualität veterinärmedizinischer Kontrollen bei tierhaltenden Betrieben und bei Schlachtbetrieben kommt der umfassenden Dokumentation von Verstößen eine gewichtige Rolle zu.“

Die ehrenamtliche Betreuung stärken – bürokratische Hürden abbauen

Seit dem 1. Januar 2023 sind ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer verpflichtet, vor der Übernahme einer Betreuung ein Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis vorzulegen (§ 21 Absatz 2 Satz 1 Betreuungsorganisationsgesetz).

Zusammen mit Bayern und Baden-Württemberg setzt Niedersachsen sich dafür ein, dass die Betreuungsbehörden künftig bei Einwilligung des Betreuers ein Führungszeugnis und die Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis selbst einholen können, um den Aufwand für die Betreuer gering zu halten. Kathrin Wahlmann führt aus: „Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer leisten einen herausragenden Dienst für unsere Gesellschaft. Ihr Engagement darf nicht durch bürokratischen Aufwand erschwert werden.“

Anhebung des Zuständigkeitswertes für die Amtsgerichte

Gemeinsam mit anderen Bundesländern macht sich Niedersachsen dafür stark, den Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte nach § 23 Nr. 1 GVG zeitnah von bislang 5.000 Euro auf 8.000 Euro anzuheben. Zudem sollen gleichzeitig weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten für Streitigkeiten betreffend Fluggastrechte und solche aus dem Nachbarrecht bei den Amtsgerichten begründet werden. Demgegenüber sollen Vergabesachen sowie Streitigkeiten aus Heilbehandlungen und über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art nach dem Vorschlag künftig bei den Landgerichten angesiedelt sein. Um den tatsächlichen Arbeitsaufwand möglichst zutreffend in der Personalbedarfsberechnung berücksichtigen zu können, soll gleichzeitig geprüft werden, ob und in welchem Maße es zu Veränderungen des durchschnittlichen Bearbeitungsaufwands für die Fallbearbeitung bei den Gerichten kommt. Die niedersächsische Justizministerin: „Die Initiative soll einerseits die Amtsgerichte stärken und den Bürgerinnen und Bürgern insbesondere in einem Flächenland wie Niedersachsen einen leichten Zugang zur Justiz ermöglichen. Andererseits kann damit die notwendige Spezialisierung der Gerichte für die Bearbeitung komplexer Sachverhalte weiter verbessert werden.“

Schmuckgrafik   Bildrechte: MJ

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.05.2023

Ansprechpartner/in:
Herr Andreas Eienbröker

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 05111205044

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