Justizministerin stellt Niedersächsischen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung des Menschenhandels im Bundesrat vor
BERLIN. Die Niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hat in der heutigen Sitzung des Bundesrates die von der Landesregierung in ihrer Kabinettsitzung vom 18.06.2013 beschlossene Niedersächsische Gesetzesinitiative gegen Menschenhandel vorgestellt.
Der von der Ministerin eingebrachte Gesetzesentwurf wird einem vom Bundestag - auf Antrag der CDU/CSU und FDP Fraktionen - verabschiedeten Gesetzesentwurf entgegengesetzt, dem der Bundesrat noch nicht zugestimmt hat.
Der Entwurf enthält nicht nur strafrechtliche Regelungsvorschläge, die eine Richtlinie des EU Parlaments und des Rates in deutsches Recht umsetzen sollen. Er geht über diese Mindestvoraussetzungen und über den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzesentwurf hinaus.
Hierzu gehören:
- eine Besserstellung der Opfer durch einen späteren Beginn der Verjährung erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres
- die Erhöhung des Strafrahmens für Menschenhandelsdelikte zum Nachteil eines Kindes auf Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren
- die Einführung eines Straftatbestandes des Sexuellen Missbrauchs von Menschenhandelsopfern, um auch Freier, die Dienste in Kenntnis dieser Tatsache in Anspruch nehmen, bestrafen zu können.
- Die Schaffung eines neuen Grundtatbestandes des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung u. a. der Arbeitskraft, die eine Vereinfachung des Anwendungsbereichs der bisherigen Regelung zum Ziel hat. So soll etwa das Tatbestandsmerkmal des „Dazu-Bringens“ durch eine Tathandlung des „Ermöglichens“ zu einer erleichterten Bestrafung derjenigen führen, die die ausbeuterische Beschäftigung von Menschenhandelsopfern maßgeblich mit zu verantworten haben.
Aus der Rede der Ministerin:
„Die Niedersächsische Landesregierung hat sich die Bekämpfung des Menschenhandels auf die Fahnen geschrieben. Unsere Initiative soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Menschenhandel auf strafrechtlichem Weg besser bekämpft werden kann. Ein wirksames Vorgehen gegen den Menschenhandel in allen seinen Erscheinungsformen - neben der sexuellen Ausbeutung gehört dazu auch die Ausbeutung der Arbeitskraft - kann sich nicht nur auf die Strafverfolgung beschränken .
Niedersachsen anerkennt seine Verantwortung, die Opfer zu schützen. Wir machen gleichwohl heute einen rein strafrechtlichen Regelungsvorschlag, den wir dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten entgegensetzen wollen. Bereits im Strafrecht muss man es besser machen als es die Regierungsfraktionen im Bundestag vorgeschlagen haben.
Welche Ziele verfolgen wir mit unserer Initiative?
Zum einen soll der Gesetzentwurf die Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates in deutsches Recht vollständig umsetzen. Die Frist dafür ist bereits mit dem 31.03.2013 abgelaufen.
Zum anderen soll der Gesetzentwurf die Effektivität und Kohärenz der Tatbestände zur Bekämpfung des Menschenhandels verbessern.
Der Umsetzung der Richtlinie dienen die folgenden Gesetzesänderungen:
• Der Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft wird erweitert auf die Ausbeutung durch Betteltätigkeiten, die Ausnutzung strafbarer Handlungen und die Organentnahme. Es liegt auf der Hand, dass diese Opfer strafrechtlichen Schutz benötigen.
Weiter dienen der Umsetzung der Richtlinie folgende Änderungsvorschläge:
• Die Strafschärfung, die bislang nur gilt, wenn das Opfer des Menschenhandels ein Kind ist, gilt schon dann, wenn das Opfer unter 18 Jahre alt ist.
• Die Strafschärfungen, die bei Menschenhandelsdelikten bislang nur dann eingreifen, wenn der Täter das Opfer durch die Tat vorsätzlich in die Gefahr des Todes bringt, sollen künftig schon dann erfüllt sein, wenn dem Täter insoweit nur Leichtfertigkeit zur Last zu legen ist.
• Die Menschenhandelsdelikte sollen auch in den Katalog derjenigen Straftaten aufgenommen werden, deren Verjährung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers ruht. Die Wirkung des Ruhens besteht darin, dass es den Beginn der Verjährungsfrist hinausschiebt oder den Weiterlauf einer bereits begonnenen Frist hemmt.
Der letztgenannte Punkt fehlt in dem vom Bundestag auf Antrag von CDU/CSU und FDP verabschiedeten Gesetz. Nach Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie haben aber die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Menschenhandelsdelikte und die Beteiligung daran während eines hinreichend langen Zeitraums strafrechtlich verfolgt werden können, nachdem das Opfer die Volljährigkeit erreicht hat. Dem wird das geltende Recht nicht in vollem Umfang gerecht. Diesen Missstand wollen wir beheben.
Wir kritisieren das Gesetz des Bundestages aber nicht dafür, was er regelt, sondern dafür, was schon im Strafrecht unterbleibt.
Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz lässt nämlich die Gelegenheit ungenutzt, die Effektivität und Kohärenz der Tatbestände zur Bekämpfung des Menschenhandels zu verbessern. Dass dies notwendig ist, scheinen auch die Regierungsfraktionen anzuerkennen, wenn sie in der Begründung ihres Gesetzentwurfs ausführlich und zutreffend die am bestehenden Rechtszustand geäußerte Kritik referieren, dieser indessen aber nicht gesetzgeberisch abhelfen.
Unser Gesetzentwurf macht folgende Vorschläge:
• Der Strafrahmen für Menschenhandelsdelikte zum Nachteil eines Kindes soll auf 2 Jahre bis 15 Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden. Wer ein Kind zur Aufnahme der Prostitution bringt, wird nach geltendem Recht mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Dieser Strafrahmen, der milder als beispielsweise der des Meineides ist, erscheint dem Unrechtsgehalt einer solchen verabscheuungswürdigen Tat nicht angemessen.
• Wir schlagen auch vor, einen Straftatbestand „Sexueller Missbrauch von Menschenhandelsopfern“ einzuführen. Der Tatbestand erfasst insbesondere Freier, die die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen und dabei deren Lage kennen. Nach geltendem Recht machen sich Freier von Zwangsprostituierten regelmäßig nicht strafbar. Dies soll nicht länger hingenommen werden, da sie die typischerweise gegebene Schwächesituation der Menschenhandelsopfer ausbeuten. Insoweit verweise ich auch auf Artikel 18 Absatz 4 der Richtlinie, der den Mitgliedstaaten aufgibt, Maßnahmen zu erwägen, mit denen die Inanspruchnahme von Diensten, die Gegenstand einer Ausbeutung im Sinne des Artikels 2 sind - also des Menschenhandels - in dem Wissen, dass die betreffende Person Opfer einer Straftat nach Artikel 2 ist, als strafbare Handlung eingestuft wird. Entsprechende Erwägungen habe ich im Gesetzentwurf des Bundestags vergeblich gesucht.
• Schließlich sieht der Gesetzentwurf einen neuen Grundtatbestand des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft und anderweitiger Ausbeutung vor. Dies soll die Anwendung des Tatbestands, der bislang praktisch kaum zur Anwendung kommt, vereinfachen und dazu führen, dass er aus seinem bisherigen Schattendasein mit 4 verurteilten Personen bundesweit im Jahr 2011 heraustritt. Das soll dadurch erreicht werden, dass das Ausnutzen einer Zwangslage oder der auslandsspezifischen Hilflosigkeit des Opfers als Merkmal des Grundtatbestands des Menschenhandels zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft gestrichen und unter Verzicht auf das Merkmal der „Ausnutzung“ als Strafschärfungsgründe ausgestaltet werden. Weiter soll die Tathandlung des „Dazu-Bringens“ durch eine Tathandlung des „Ermöglichens“ ergänzt werden. Am Kriterium der ausbeuterischen Beschäftigung soll sich nichts ändern. Eine Beschäftigung, die bislang nicht als ausbeuterisch galt, wird es auch zukünftig nicht sein. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, diejenigen, die dafür sorgen, dass andere Menschen sich in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse begeben, leichter einer Bestrafung zuzuführen. Dass es dafür ein Bedürfnis gibt, ist in Niedersachsen mit Blick auf die Beschäftigungsverhältnisse in Teilen der Fleischindustrie bestürzend zu beobachten.
Unser Gesetzentwurf greift teilweise Regelungen auf, die von Bayern in einer Bundesratsinitiative vorgeschlagen worden sind. Sie sehen: Wir erheben keinen Alleinvertretungsanspruch auf die Schaffung sachgerechter Strafnormen zur Bekämpfung des Menschenhandels. Es geht um die Sache.