Justizministerin beantwortet die Mündliche Anfrage „Können Asylverfahren in Niedersachsen künftig verkürzt werden?“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. Oktober 2015, Mündliche Anfrage Nr. 50
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 50 der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner, Jan-Christoph Oetjen, Hillgriet Eilers und Christian Dürr (FDP):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Am 18. Juni 2015 fand die Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in Berlin statt. In der Asyl- und Flüchtlingspolitik wurde u. a. folgender Beschluss gefasst: „Die Länder stellen sicher, dass die für die Asylstreitigkeiten zuständigen Verwaltungsgerichte in die Lage versetzt werden, die Zeiträume für den Abschluss der Gerichtsverfahren zu verkürzen. Die Länder werden insbesondere Maßnahmen ergreifen, um die Gerichte in die Lage zu versetzen, die Durchschnittsdauer der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf möglichst zwei Wochen zu verkürzen.“
1. Wie lange dauert das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Asylsachen in Niedersachsen derzeit durchschnittlich?
Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2015 hat die durchschnittliche Dauer der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in Asylsachen 0,7 Monate betragen.
2. Wie bewertet die Landesregierung die Belastung der Verwaltungsgerichte in Asylsachen in Niedersachsen derzeit?
Die niedersächsischen Verwaltungsgerichte sind durch steigende Eingänge an asylrechtlichen Verfahren stark belastet. Die Steigerungsquote verläuft allerdings in diesem Jahr verhaltener als im Jahr 2014. Für den Zeitraum Januar bis September 2015 ergibt sich gegenüber dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres eine Steigerung von rd. 17 %. Im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Jahres 2013 beträgt die Steigerung hingegen 230 %.
Die weitere Entwicklung der Belastung der Verwaltungsgerichte lässt sich derzeit nicht konkret vorherbestimmen. Die Landesregierung geht von weiter steigenden Verfahrenszahlen aus, kann deren Umfang aber nicht seriös vorhersagen. Die Entwicklung hängt entscheidend von der künftigen Bearbeitungsgeschwindigkeit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und insbesondere auch von der dortigen Anerkennungsquote und Entscheidungspraxis ab.
3. Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um diese Belastung zu reduzieren?
Bereits mit dem 1. Nachtragshaushalt 2015 wurden an den Verwaltungsgerichten neun Richterstellen und acht zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Serviceeinheiten neu geschaffen. Der Haushaltsplanentwurf 2016 sieht vor, dass zum 1.4., 1.7. und 1.10. 2016 jeweils weitere sechs Richterstellen geschaffen werden. Von diesen insgesamt 18 Stellen sind sechs Stellen für Vorsitzende Richterinnen oder Richter bestimmt. Außerdem werden auch die Serviceeinheiten nochmals um zwei Kräfte aufgestockt. In der Endstufe ab 1. Oktober 2016 werden somit im Vergleich zum Ursprungshaushalt 2015 insgesamt 27 zusätzliche Richterstellen und 10 zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Beamte oder Tarifbeschäftigte in der mittleren Beschäftigungsebene zur Verfügung stehen.
Bereits im laufenden Haushaltsjahr 2015 ist im Rahmen der laufenden Haushaltsführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Möglichkeit eröffnet worden, bis zu sechs neue Beschäftigungsmöglichkeiten durch Verlagerung zu nutzen.
Wenn berücksichtigt wird, dass im Jahr 2014 Richterinnen und Richter mit zusammen 30,78 Arbeitskraftanteilen bei den Verwaltungsgerichten in Asylsachen tätig waren, ist die Schaffung von 27 zusätzlichen Richterstellen beinah eine Verdoppelung und ein ganz deutliches Zeichen für eine personelle Schwerpunktsetzung in diesem Bereich.
Mit der Bewerberauswahl wurde bereits im August 2015 begonnen. Seit September sind vier neue Richterinnen und Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit tätig. Weitere Einstellungsgespräche werden im Oktober und November 2015 geführt.
Die Landesregierung beobachtet auch während der laufenden Haushaltsberatungen die laufende Entwicklung, um - wie schon in der Vergangenheit - auch künftig adäquat zu reagieren. Derzeit werden die Auswirkungen der Beschlüsse des Regierungsgipfels zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten vom 24.09.2015 bewertet. Es steht zu erwarten, dass in einem Paket Maßnahmen für weitere Verstärkungsmöglichkeiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit wie auch der ordentlichen Gerichtsbarkeit und den Staatsanwaltschaften gebündelt und an die parlamentarischen Gremien herangetragen werden.
Die Landesregierung unterstützt die Verwaltungsgerichtsbarkeit außerdem bei dem Zugang zu Recherchemöglichkeiten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt Informationen in der kostenfreien Datenbank MILo (Migrations-InfoLogistik) zur Verfügung, zu der die Verwaltungsgerichte Zugang haben. Daneben hat die niedersächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit derzeit im Rahmen eines Tests Zugang zur kostenpflichtigen Datenbank Asylfact. Dabei handelt es sich um eine von der Informations- und Dokumentationsstelle für Asyl- und Ausländerverfahren beim Verwaltungsgericht Wiesbaden unterhaltene Datenbank, in der politische und sozio-ökonomische Daten und Informationen über die Herkunfts-, Transit- und Zufluchtsländer der Asylsuchenden und Flüchtlinge gesammelt und dokumentarisch aufbereitet werden. Wegen der positiven Bewertung wird den Verwaltungsgerichten ein regulärer Zugang ab dem 01.01.2016 eingeräumt werden. Das Thema „Wiederaufnahme der elektronischen Kommunikation mit dem BAMF“ wird bundesweit auf BLK-Ebene behandelt. Als bundesweit wirkendes Gremium hat der Themenkreis „Elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Akte in den Fachgerichtsbarkeiten“ der BLK-AG Elektronischer Rechtsverkehr mit dem BMI Kontakt aufgenommen, um wieder eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation mit dem BAMF herzustellen. Auftrag des Themenkreises ist es insbesondere, ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen für den Daten- und Dokumenten-/Aktenaustausch zu erreichen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
15.10.2015
Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162