Gemeinsam gegen rechts / Bundesweiter Fachaustausch der Ausstiegsprogramme im Niedersächsischen Justizministerium
Wenn sich Menschen aus dem rechtsradikalen Milieu fragen, wie der Weg zurück in die Mitte der Gesellschaft gelingen kann, spielen sie eine entscheidende Rolle: Die Ausstieghelferinnen und Ausstiegshelfer im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Sie helfen den Ausstiegwilligen, der rechten Ecke den Rücken zu kehren.
Im Niedersächsischen Justizministerium kamen nun – auf Einladung des Landespräventionsrats Niedersachsen – Ausstiegshelferinnen und Ausstiegshelfer aus 13 Bundesländern sowie dem Bund zusammen. Insgesamt 38 Personen von neun in behördlicher und zehn in freier Trägerschaft befindlichen Aussteigerprogrammen sowie der Dachverband der zivilgesellschaftlich organisierten Ausstiegsarbeit folgten der Einladung in die niedersächsische Landeshauptstadt. Damit knüpfte der seit 2015 stattfindende Fachaustausch in seiner achten Auflage an das an, was er seit Beginn ist: ein bundesweites Erfolgsprojekt.
Die Dynamik rechtsextremer Szenen ist eine erhebliche Herausforderung für die Ausstiegsarbeit. In den vergangenen Jahren und verstärkt noch einmal während der Corona-Pandemie traten u. a. Gruppen wie Verschwörungsgläubige, sogenannte Querdenker und Reichsbürger stärker in Erscheinung. Diese Gruppen besitzen zum Teil personelle und ideologische Schnittmengen mit rechtsextremen Szenen und geraten daher auch zunehmend in den Fokus von Ausstiegsbegleitung.
In den zurückliegenden Auflagen des Fachaustausches wurden u. a. die Auswirkungen der Pandemie auf die Ausstiegsarbeit, Verschwörungserzählungen sowie Möglichkeiten der Ausstiegsberatung im Zusammenhang mit der sog. Anastasia-Bewegung diskutiert. Der diesjährige Fokus lag auf der sogenannten Reichsbürger-Bewegung. Die Reichsbürgerideologie verbindet u. a. staats- und demokratiefeindliche, antisemitische, völkische, verschwörungsideologische und esoterische Elemente miteinander.
Die anwesenden Praktikerinnen und Praktiker verschafften sich durch einen Vortrag von Prof. Dr. Andrea Kretschmann (Leuphana-Universität Lüneburg) tiefere Einblicke in das Phänomen der sogenannten Reichsbürger. Ihr Vortrag aus rechtssoziologischer Perspektive bildete die Grundlage, auf der unter Rückgriff auf die versammelte Expertise der Beratungspraxis Ideen diskutiert wurden, Menschen aus diesem Spektrum für einen Ausstieg zu gewinnen und ihnen ein Ankommen in der demokratischen Gesellschaft zu ermöglichen.
Die Niedersächsische Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann würdigte die Arbeit der Ausstiegshelferinnen und Ausstiegshelfer: „Strukturen der Reichsbürgerbewegung sind im gesamten Bundesgebiet verbreitet und stellen eine latente Gefahr für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat dar. Diese Szene ist hochgradig dynamisch, teilweise sehr militant und hat deutliche Schnittmengen zum Rechtsextremismus. Es ist daher gut und wichtig, dass wir uns bei der Bekämpfung der Reichsbürgerbewegung breit aufstellen und uns über die Ländergrenzen hinaus vernetzen. Die Ausstiegsberatung ist ein ganz entscheidendes Instrument, Menschen von extremistischen Irrwegen abzubringen, sie wieder demokratisch zu integrieren und damit unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen.“
Hintergrund:
Die Prävention von Rechtextremismus ist im Landespräventionsrat Niedersachsen, der im Niedersächsischen Justizministerium angesiedelt ist, vielfältig verankert. Über das Landes-Demokratiezentrum wird das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ umgesetzt. In diesem Rahmen werden auch die „Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“, die „Mobile Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus“ sowie die zivilgesellschaftliche Ausstiegsberatung und die Antidiskriminierungsberatung gefördert. Zudem ist die Koordinierungsstelle des Landesprogramms für Demokratie und Menschenrechte im Landespräventionsrat angesiedelt.