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„Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten“

Rede von Frau Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz am 10. Juli 2015 zu TOP 21 der 935. Sitzung des Bundesrates:


„Eine Ausschussempfehlung mit 63 Punkten auf 58 Seiten ist Ausdruck entweder besonderer Bedeutung des Gesetzes oder aber Ausdruck der Unzufriedenheit der Länder. Nach meiner Einschätzung steht bei diesem Entwurf die Unzufriedenheit im Vordergrund.

Aus Ländersicht geht es zunächst um die Frage, ob die Bundes- oder die Länderebene die Aufgaben der Anerkennung von Streitbeilegungsstellen und die der Auffangschlichtung übernimmt. Die Position der Länder zu dieser Frage ist eindeutig. Eine bundesweite Auffangschlichtung würde über die höhere Fallzahl den Aufbau von Fachwissen und eine Spezialisierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen. Darüber wäre eine zentrale Einrichtung wegen der nur einmal statt 16-fach notwendigen Infrastruktur erheblich kostengünstiger. Eine zentrale Stelle würde sehr viel bessere Aufmerksamkeit im Sinne eines Corporate Branding erreichen, eine Vernetzung im internationalen Kontext würde erleichtert und Zuständigkeitszweifel könnten vermieden werden.

Auch die Anerkennung der Verbraucherschlichtungsstellen muss von einer Stelle wahrgenommen werden. Das Gesetz arbeitet mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen, über deren Auslegung sich ein einheitlicher Maßstab herausbilden muss. Weiter will der Entwurf die Anerkennung in das Ermessen der zuständigen Behörde stellen. Anhaltspunkte für die zu berücksichtigenden Ermessensgründe fehlen in dem Wortlaut des Entwurf ebenso wie in der Begründung. Eine einheitliche Anerkennungspraxis kann nur durch eine bundesweite Anerkennungsstelle gewährleitet werden.

Eine allzu harte Grundsatzkritik des Gesetzentwurfs ist aber vielleicht deswegen nicht wirklich angemessen, weil der deutsche Gesetzgeber vor dem Problem steht, eine Richtlinie umsetzen zu müssen, die der deutschen Situation nicht spezifisch gerecht wird. Man könnte durchaus den Verdacht haben, dass die Richtlinie uns die Lösung für ein Problem liefert, das wir gar nicht haben. Schlecht wäre es aber, wenn wir den Richtlinienauftrag durch Schaffung einer aufwendigen Parallelstruktur ohne einen Mehrwert und am Ende gar zum Schaden der Verbraucher erfüllten. Wir brauchen Nachbesserungen. Zu drei Punkten will ich kurz Stellung nehmen:

Zum Stichwort Parallelstruktur: Wir haben mit der Justiz die fachkundige, unabhängige und in jeder Hinsicht funktionsfähige Institution zur Bearbeitung von Rechtsstreitigkeiten, auch und gerade im Verbraucherbereich. Der Europäischen Union fehlt für europaweite Korrekturen zum technisch modernen Zugang oder zur Streitwert-Gebühren-Relation der Gerichte als Eingriff in das Prozessrecht bekanntlich die Kompetenz. Es drängt sich der Eindruck auf, dass sie den Umweg über die alternative Streitbeilegung sucht!

Die Umsetzung der Richtlinie darf kein Produkt schaffen, das das Gerichtsverfahren kopiert. Deshalb ist es falsch, den Schlichtungsvorschlag zwingend an das Recht zu koppeln. Die Streitbeilegungsstellen sollten nicht zu gerichtsanalogen Einrichtungen werden, sondern müssen ihr eigenes Profil erarbeiten. Die Kopie wäre nur eine schlechte oder jedenfalls unvollständige. Denn Streitbeilegungsstellen werden keine Beweise erheben und sie sind nicht in der Lage, Grundsatzklärungen herbeizuführen. Der Streitmittler muss eben anders als die Gerichte die Freiheit haben, in seinen Vorschlag auch andere Aspekte als rein juristische einzubeziehen.

Aber auch zu verbraucherpolitischen Fragen enthält der Entwurf Schwächen. Ich greife einen Aspekt heraus: Es ist sicher zu begrüßen, wenn Unternehmen sich zu der alternativen Streitbeilegung bekennen. Und natürlich wäre es ein Erfolg des Gesetzes, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher von diesem Angebot in großem Umfang Gebrauch machen, immer vorausgesetzt, dass es im Gesetzgebungsverfahren gelingt, die Qualität des Verfahrens zu sichern. Es gibt aber nach meiner festen Überzeugung keinen Grund dafür, den Verbraucher schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens zu fesseln. Dies tut der Gesetzentwurf zwar nicht selbst, er lässt es aber zu, dass Unternehmen diese Verpflichtung über Allgemeine Geschäftsbedingungen herstellen. Folge wäre, dass der Verbraucher im Streitfall nicht frei entscheiden könnte, ob nicht doch die sofortige Anrufung des Gerichts die bessere Lösung ist. Hier muss auch im Interesse eines Missbrauchsschutzes nachgebessert werden.“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.07.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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