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Antwort der Justizministerin auf Mündliche Anfrage: Opferschutz im Strafrecht

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.02.2014, Mündliche Anfrage Nr. 66


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner,

Jan-Christoph Oetjen und Almuth von Below-Neufeldt (FDP):

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) wurde am 29. Juni 2013 verkündet. Einige Teile davon traten bereits am 30. Juni 2013 in Kraft. Die Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO) und im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) traten hingegen erst am 1. September 2013 und die Änderungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) erst am 1. Januar 2014 in Kraft.

Das Gesetz greift verschiedene Forderungen des Runden Tisches „Sexueller Missbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen“ auf. Konkret wurden etwa das Instrument der Videovernehmung gestärkt und die Möglichkeiten der Beiordnung eines Opferanwalts und des Ausschlusses der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung erweitert. Ferner sollen die Jugendgerichte in Jugendschutzsachen zuständig sein, „wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Kindern oder Jugendlichen, die in dem Verfahren als Zeugen benötigt werden, besser gewahrt werden können“, so im Gesetzestext.

Bislang werden grundsätzlich die betroffenen Kinder während des Ermittlungsverfahrens von der Polizei in kindgerecht eingerichteten Räumen befragt. Die Polizei hat in Sachen Vernehmung jugendlicher Sexualopfer Know-how gesammelt und verfügt über eine große Expertise. Es kommt jedoch vor, dass die Kinder ihre Aussagen erneut in einer Hauptverhaltung vor Gericht wiederholen müssen.

Nun sollen aber die Jugendrichter bereits im Ermittlungsverfahren einbezogen werden und die Vernehmung übernehmen. Es ist offensichtlich, dass die Vernehmung eines Kindes im Rahmen einer Sexualstraftat nicht nur für das betroffene Kind, sondern auch für die Jugendrichter eine schwere Aufgabe ist. Diese Aufgabe stellt die Jugendrichter - zumindest ohne eine besondere Schulung - vor besonderen Herausforderungen.


Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele und welche Fortbildungsveranstaltungen für die Jugendrichter plant die Landesregierung diesbezüglich anzubieten? Falls keine, warum nicht?

2. Plant die Landesregierung, für die Vernehmung von jugendlichen Sexualopfern in allen niedersächsischen Gerichten kindgerecht eingerichtete Vernehmungsräume einzurichten? Falls nein, warum nicht?

3. Wie ist der aktuelle Technikstand der Videovernehmung in den Nebenräumen in den Amts- und Landgerichten in Niedersachsen?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Der Landesregierung sind Opferschutz und Opferhilfe besondere Anliegen. In den letzten Jahrzehnten wuchs die Erkenntnis, dass die Verletzten einer Straftat nicht nur als Zeuginnen und Zeugen wichtig sind, sondern als in ihren Grundrechten Verletzte anerkannt und geachtet werden müssen. Die Justiz sieht sich in der Pflicht, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen nicht nur mit Hilfe aller zur Verfügung stehenden Mittel aufzuklären, sondern auch die Opfer durch die Durchführung des Strafverfahrens nicht noch weiter zu traumatisieren. Der Schutz der Verletzten ist daher ein wichtiges Ziel des Strafverfahrens, dem sich die Landesregierung verpflichtet fühlt. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen, ist die Einrichtung kindgerechter Vernehmungsräume, auf die nicht nur die Polizei, sondern auch die Staatsanwaltschaften und die Gerichte zugreifen können. Darüber hinaus ist es wichtig, Mehrfachvernehmungen von Kindern und Jugendlichen und Personen, die zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alt waren, nach Möglichkeit zu vermeiden. Hierzu ist die erforderliche technische Ausstattung bereit zu stellen. Schließlich müssen insbesondere die Jugendrichterinnen und Jugendrichter in der Vernehmung traumatisierter Zeuginnen und Zeugen sowie speziell in der Vernehmung von Kindern und Jugendlichen geschult werden, die Opfer einer Sexualstraftat geworden sind. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist aus Sicht der Landesregierung wichtig, um den Belangen von Opferschutz und Opferhilfe gerecht zu werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

1. Unabhängig von dem Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) hat das Justizministerium bereits bisher zahlreiche Fortbildungen für Jugendrichterinnen und Jugendrichter angeboten, um sie u. a. in der Vernehmung von Kindern und Jugendlichen zu schulen, die Opfer einer Sexualstraftat geworden sind. So bietet das Justizministerium einmal jährlich eine einwöchige Fortbildung zum Jugendstrafrecht für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Amtsanwältinnen und Amtsanwälte an, die in Jugendstrafsachen tätig sind. Die Tagung enthält ein Modul zur Befragung minderjähriger Zeugen u. a. im Bereich von Sexualstraftaten. Alle Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte - insbesondere Neueingestellte - haben die Möglichkeit, an Schulungen zur Vernehmungslehre teilzunehmen. Darüber hinaus sind in den letzten drei Jahren folgende weitere Schulungen speziell im Bereich des Opferschutzes angeboten worden, die sich (u. a.) auch mit der Vernehmung traumatisierter Zeuginnen und Zeugen unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Videovernehmung beschäftigt haben:

- Häusliche Gewalt - Phänomen und Bearbeitung von Verfahren in der Justiz

- Umgang mit traumatisierten Zeugen/Zeuginnen

- Schutz von Opfern in Ermittlungs- und Strafverfahren: Praktische Umsetzung richterlicher Vernehmung kindlicher und jugendlicher Opferzeugen im Ermittlungsverfahren

- Effiziente Verfolgung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung - richterliche Videovernehmung von (insbes. kindlichen) Opferzeugen

Das Fortbildungsangebot in diesem Bereich soll in den kommenden Jahren fortgesetzt und ausgebaut werden. Das Justizministerium wird gezielt weitere Fortbildungen im Bereich des Opferschutzes anbieten. Die Planungen hierzu haben begonnen. Einbezogen ist auch der Landespräventionsrat. Die Schulungen sollen dazu beitragen, Justizbedienstete für die Belange des Opferschutzes und der Opferhilfe zu sensibilisieren. Sie sollen entsprechend der Opferschutzkonzeption (S. 31 f.) professionsübergreifend, womöglich auch ressortübergreifend angeboten werden.

Ferner werden an der Deutschen Richterakademie regelmäßig Schulungen zum Jugendstrafrecht und zu häuslicher Gewalt angeboten. In diesem Jahr werden darüber hinaus die Tagungen „Das Opfer in der Strafrechtspflege“ und „Die Anhörung/Vernehmung von Kindern und Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung der Videovernehmung“ angeboten. Die Richterakademie wird von allen Bundesländern und dem Bund getragen. Die dort angebotenen Schulungen stehen allen Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in der Bundesrepublik offen.

2. Kindgerecht eingerichtete Vernehmungsräume für die Vernehmung von jugendlichen Sexualopfern sind bereits in zahlreichen niedersächsischen Gerichten eingerichtet, und zwar in den Landgerichten Aurich, Bückeburg, Göttingen, Osnabrück, Hannover, Hildesheim (gemeinsam mit dem Amtsgericht Hildesheim) und Lüneburg (gemeinsam mit dem Amtsgericht Lüneburg) sowie den Amtsgerichten Achim, Aurich, Braunschweig, Burgwedel, Cloppenburg, Cuxhaven, Duderstadt, Elze, Gifhorn, Göttingen, Hann. Münden, Hannover, Langen, Nienburg (Weser), Osnabrück, Osterode am Harz, Otterndorf, Peine, Rotenburg (Wümme), Stade, Sulingen, Tostedt, Verden (Aller) und Winsen (Luhe). Beim Amtsgericht Norden wird ein solches Vernehmungszimmer zurzeit eingerichtet. Das Amtsgericht Goslar kann auf ein kindgerechtes Vernehmungszimmer bei der Polizeiinspektion Goslar zurückgreifen. Darüber hinaus stehen in den Gerichten teilweise Spielzimmer, Spielecken und/oder Spielzeug zur Verfügung, in bzw. mit denen Vernehmungen kindgerecht gestaltet werden können. Soweit künftig auch von weiteren Gerichten der Bedarf nach kindgerecht eingerichteten Vernehmungszimmern angemeldet werden wird, wird die Landesregierung dies im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel selbstverständlich unterstützen.

3. Videoanlagen, die es erlauben, Zeugenaussagen von einem Nebenraum in einen Verhandlungssaal oder anders herum zu übertragen, sind bei den Landgerichten Bückeburg, Oldenburg, Stade, Verden und Göttingen sowie bei den Amtsgerichten Hannover und Braunschweig vorhanden. Das Landgericht Hannover verfügt über zwei mobile Videoanlagen, die transportiert und auf diese Weise auch von anderen Gerichten genutzt werden können. Hiervon machen insbesondere das Landgericht Hildesheim, aber auch Amts- und Landgericht Osnabrück Gebrauch.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.02.2014

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

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