Antwort auf Mündliche Anfrage: „Wer entscheidet zukünftig über die Besetzung von Richterstellen in Niedersachsen?“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.09.2013, Mündliche Anfrage (TOP 17)
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Lutz Winkelmann und Thomas Adasch (CDU):
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet in ihrer Ausgabe vom 22. August 2013 („Gewerkschafter sollen Richter aussuchen“) über Pläne der Justizministerin, Frau Niewisch-Lennartz, im kommenden Jahr in Niedersachsen Richterwahlausschüsse einzurichten.
Laut FAZ möchte Ministerin Niewisch-Lennartz in den Richterwahlausschüssen „gesellschaftliche Kräfte“, wie etwa Tarifpartner oder Religionsgemeinschaften, einbinden.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Welche Pläne und Modelle hat die Landesregierung zur Einführung von Richterwahlausschüssen?
2. In welchen Bundesländern sind Richterwahlausschüsse mit „gesellschaftlichen Kräften“ besetzt, und wo gibt es noch Planungen zur Beteiligung „gesellschaftlicher Kräfte“?
3. Wie wird die Landesregierung nach der Einführung von Richterwahlausschüssen sicherstellen, dass freiwerdende Richterstellen oder neue Richterstellen zeitnah besetzt werden?
Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:
Ziel der Niedersächsischen Landesregierung ist es, die Eigenverantwortlichkeit der unabhängigen Justiz durch die sukzessive Ausweitung eigener personal- und budgetrechtlicher Handlungsspielräume der Gerichte und Staatsanwaltschaften, insbesondere der Mitwirkungsrechte bei der Ernennung, der Beförderung und der Budgetierung zu stärken. Darüber hinaus soll ein Richterwahlausschuss eingerichtet werden. Gemeinsam mit den Richter- und Staatsanwaltsvertretungen, den Justizverbänden sowie den Präsidenten der Obergerichte und den Generalstaatsanwälten soll ein Modell für die Einrichtung von Richterwahlausschüssen entwickelt werden.
Ende Mai 2013 hat hierzu bereits ein erster Gedankenaustausch mit den Präsidenten der Obergerichte, den Generalstaatsanwälten, den Vertreterinnen und Vertretern der Präsidialräte, der Hauptrichterräte, des Hauptstaatsanwaltsrates sowie Vertreterinnen und Vertretern der Richter- und Staatsanwaltsverbände stattgefunden. Diskutiert wurde unter anderem über die Einführung eines Richterwahlausschusses in Niedersachsen, dessen Sinn und Zweck, dessen Befugnisse, dessen Zusammensetzung und dessen Verhältnis zum bereits bestehenden Präsidialrat. Die Gesprächspartner haben nun bis Ende September 2013 Gelegenheit, zu den erörterten Fragen vertiefend Stellung zu nehmen. Nach Auswertung der Gespräche und Stellungnahmen werden die Eckpunkte für die Einrichtung des Richterwahlausschusses festgelegt. Diese Eckpunkte sollen dann die Grundlage des einzuleitenden Gesetzgebungsverfahrens und der dort weiter zu führenden Diskussion insbesondere über die Befugnisse und die Zusammensetzung eines Richterwahlausschusses in Niedersachsen sein.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:
1. Das Niedersächsische Justizministerium hat nach meinem Amtsantritt die Diskussion um die Einrichtung eines Richterwahlausschusses auch in Niedersachsen angestoßen. Ziel dieser Diskussion ist es, gemeinsam mit den Leitungen der niedersächsischen Justizbehörden, den Richter- und Staatsanwaltsvertretungen und den Justizverbänden ein Modell für die Einrichtung eines Richterwahlausschusses zu entwickeln. Dieser Entwicklungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Ein Modell bzw. Plan der Landesregierung liegt damit noch nicht vor.
2. In neun von sechzehn Ländern (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hansestadt Bremen, Hansestadt Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen) sind Richterwahlausschüsse eingerichtet. Die Befugnisse, die Zusammensetzung dieser Richterwahlausschüsse und das Verfahren bei Beteiligung von Richterwahlausschüssen bei der Besetzung von Richterstellen unterscheiden sich in den einzelnen Ländern erheblich. Der Kreis der möglichen Mitglieder nach den verschiedenen länderrechtlichen Regelungen umfasst folgende Personen: Justizminister/in bzw. sonstige Landesminister/in mit bzw. ohne Stimmrecht, Vertreter/innen des Justizministeriums bzw. eines anderen Ministeriums, Landtagsabgeordnete, Berufsrichter/innen, Gerichtspräsidentinnen/ten (nur beratend/stimm-berechtigt), Staatsanwältinnen/te, Generalstaatsanwältin/anwalt (nur beratend), Vertreter/innen des Präsidialrats (ohne Stimmrecht und nur auf Antrag) sowie als gesellschaftliche Kräfte Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte, Arbeitgeber-/Arbeit-nehmervertreter/innen sowie vom Landtag gewählte bürgerliche Mitglieder. Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte als gesellschaftliche Kräfte gehören den Richterwahlausschüssen von acht Bundesländern an, in denen Richterwahlausschüsse eingerichtet sind (in Thüringen ist die Rechtsanwaltschaft nicht im Richterwahlausschuss vertreten). In der Hansestadt Bremen wird eine Vertreterin/ein Vertreter der Rechtsanwaltschaft nur beratend hinzugezogen. In Hessen und in der Hansestadt
Hamburg werden die bürgerlichen Mitglieder des Richterwahlausschusses von der Bürgerschaft bzw. dem Landtag gewählt. Sie müssen zur Bürgerschaft/zum Landtag wählbar sein. In Schleswig-Holstein schließlich gehört dem Richterwahlausschuss je eine Vertreterin/ein Vertreter der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber an, wenn über eine Anstellung, Beförderung oder Versetzung in der Arbeits- oder der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden ist.
Über diesen Sachstand hinausgehende Planungen der anderen Länder, weitere gesellschaftliche Kräfte in die Richterwahlausschüsse zu integrieren, sind hier nicht bekannt.
3. Freiwerdende Richterstellen und neue Richterstellen werden in Niedersachsen stets zeitnah und zügig besetzt. Diesen Standortvorteil gerade im Werben um die besten Nachwuchskräfte will die Niedersächsische Landesregierung erhalten. Deshalb wird dieser Aspekt bereits in der laufenden Diskussion um die Entwicklung eines Modells bzgl. der Einrichtung eines Richterwahlausschusses berücksichtigt.
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.09.2013
Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181