Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Zukunft der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 7. April 2017, Mündliche Anfrage Nr. 4
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 4 der Abgeordneten Helge Limburg, Meta Janssen-Kucz, Filiz Polat, Heiner Scholing (Grüne):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Die in Ludwigsburg ansässige Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen wurde 1958 gegründet und dient noch heute zur Aufarbeitung von Verbrechen aus der NS-Zeit. Hierfür kooperiert die Zentrale Stelle mit internationalen Ermittlern und Forschungsstellen, mit denen gemeinsam Dokumente und Quellen analysiert und folgend gegebenenfalls Ermittlungen durch die Staatsanwalt eingeleitet werden. Laut eigenen Angaben führte die Zentrale Stelle selbst ca. 7.600 Vorermittlungen durch und arbeitete an weiteren fast 11.000 durchgeführten Verfahren seit Bestehen (Stand 1. Januar 2017) mit.
Auf der JuMiKo vom 18. Juni 2015 wurde beschlossen, dass man sich für eine Weitererhaltung der Zentralen Stelle ausspreche, bis keine Strafermittlungen durch beispielsweise den Tod von Beschuldigten mehr möglich seien. Weiterhin soll laut Beschluss, wenn der aktuelle Zweck der Strafverfolgung in Zukunft durch genannten Grund beispielsweise nicht mehr erfüllt werden muss, die Zentrale Stelle als Denkmal- und Informationszentrum für begangene Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus eingerichtet und verwendet werden.
Auch in letzter Zeit liefen einige Verfahren gegen ehemalige Mitwirkende in der NS-Zeit. 2015 wurde vor dem Landgericht Lüneburg der Prozess gegen den in Auschwitz anwesenden damaligen SS-Unterscharführer Oskar Gröning durchgeführt. Er wurde im Juli 2015 für schuldig befunden, durch seine Mitwissenschaft und Anwesenheit Mordbeihilfe in 300.000 Fällen betrieben zu haben. Dieses Urteil bestätigte der BGH in höherer Instanz und bestätigte somit die Rechtsauffassung, welche u.a. von der Zentralen Stelle erarbeitet und begründet wurde.
Vorbemerkung der Landesregierung
Auch über 70 Jahre nach Kriegsende ist die strafrechtliche Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen nicht abgeschlossen. Gerade der 2015 vor dem Landgericht Lüneburg durchgeführte Prozess zeigt, dass die Ermittlung damaligen Unrechts weiterhin notwendig ist und erfolgreich betrieben werden kann. Dabei hat die Rechtsprechung zur Frage der Beihilfe nunmehr ausgeführt, dass ein SS-Wachmann sowohl durch den Dienst an der Rampe als auch durch seine allgemeine Dienstausübung in Auschwitz den organisierten Tötungsapparat unterstützt haben kann. Selbst wenn angesichts des Zeitablaufs weitere Ermittlungsverfahren gegen nunmehr ausnahmslos ältere Personen die Ausnahme darstellen dürften, zeigt auch die Anteilnahme der Opfer an solchen Strafverfahren die außerordentliche Wichtigkeit dieser Verfahren auf.
1. Trägt das MJ die Einigung der Justizministerkonferenz im Juni 2015 über das Fortbestehen der Zentralen Stelle derzeit mit?
Das Niedersächsische Justizministerium hat im Juni 2015 die Weiterführung der Zentralstelle uneingeschränkt mitgetragen und tut dies nach wie vor. Es bestand absolute Einigkeit der Justizministerinnen und Justizminister der Länder, dass eine Weiterführung nicht zur Disposition stehen darf, solange Strafverfolgungsaufgaben anfallen. Der in der Vorbemerkung angesprochene Prozess verdeutlicht, dass Strafverfahren nach wie vor erfolgreich begonnen und zu Ende geführt werden können.
2. Wie arbeitet das Land Niedersachsen in Verfahren mit dem Verdacht nationalsozialistischer Straftaten mit o. g. Institution zusammen?
Hat die Zentrale Stelle für einen Tatkomplex den Kreis der Verdächtigen und die zuständige Staatsanwaltschaft der jeweiligen Bundesländer festgestellt, so schließt sie ihre Vorermittlungen ab und leitet den Vorgang dieser Staatsanwaltschaft zu. Ausweislich des Tätigkeitsberichts für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2016 der Zentralen Stelle verläuft auch die Zusammenarbeit mit den übrigen Ermittlungsbehörden, insbesondere den Landeskriminalämtern, derzeit ohne Probleme. Weiterhin als gut bezeichnet die Zentralstelle zudem auch die Zusammenarbeit mit den Einwohnermeldeämtern und Standesämtern der Bundesländer. Dies gilt auch für Niedersachsen.
3. Bis wann wird die Zentrale Stelle nach Einschätzung der Landesregierung als solche aktiv bleiben?
Auch der aktuelle Tätigkeitsbericht der Zentralen Stelle für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2016 weist die Einleitung 30 neuer Vorermittlungsverfahren im Jahr 2016 aus. Trotz des fortgeschrittenen Alters von bis Kriegsende handelnden Tätern ist das Ende der strafrechtlichen Ermittlungstätigkeit derzeit daher noch nicht absehbar.
Artikel-Informationen
erstellt am:
07.04.2017
Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt
Nds. Justizministerium
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