Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Werden „Reichsbürger“ in Niedersachsen zu einem Problem? (Teil 3)“
Sitzung des Nds. Landtages am 24. November 2016, Mündliche Anfrage Nr. 40
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 40 der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode, Christian Dürr, Hermann Grupe, Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Aus der Antwort der Landesregierung auf die mündliche Anfrage von Abgeordneten der FDP-Fraktion (Drs.17/6785; Nr. 41) geht hervor, dass die „Reichsbürger“ an den niedersächsischen Gerichten einen erhöhten Bearbeitungsaufwand sowie gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen verursachten. Dabei solle gerade der Tätigkeitsbereich von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern betroffen sein. Auch in Justizvollzugsanstalten sollen die „Reichsbürger“ aktiv sein.
Ferner sollen wegen dieser Bewegung in der Vergangenheit Gespräche mit Obergerichten und Generalstaatsanwaltschaften stattgefunden haben, um einen sinnvollen Umgang mit den „Reichsbürgern“ zu verabreden.
1. Wie oft kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern und „Reichsbürgern“ in Niedersachsen?
In der überwiegenden Zahl der niedersächsischen Amtsgerichte hatten die dort tätigen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in den letzten Jahren dienstliche Kontakte mit sogenannten Reichsbürgern. Wie oft es dabei zu Auseinandersetzungen kam, lässt sich nur grob schätzen. Auseinandersetzungen werden nicht statistisch erfasst und sind auch nicht weiter definiert. Der Begriff der Auseinandersetzung wird vor Ort unterschiedlich ausgelegt. Die nachfolgende Darstellung wird zusätzlich dadurch vergröbert, dass die Frage den interessierenden Zeitraum nicht eingrenzt und die Berichte des Geschäftsbereichs des Justizministeriums sich auf unterschiedliche Zeiträume (beginnend mit dem Jahr 2012) beziehen. Mit diesen Einschränkungen stellt sich die Lage wie folgt dar:
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig soll es mehr als 50 Fälle von Auseinandersetzungen gegeben haben. Dabei soll es sich ausschließlich um verbale Auseinandersetzungen gehandelt haben, deren Tonfall und Inhalt den bei sogenannten Reichsbürgern beobachteten (schriftlichen) Injurien entsprochen habe. Von tätlichen Auseinandersetzungen, also körperlichen Übergriffen auf Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, wurde hingegen nicht berichtet. Für solche würden im Einzelfall Vorkehrungen getroffen, bspw. durch das Hinzuziehen von Polizeikräften oder die Verwendung von Schutzwesten.
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle soll es etwa 90 Auseinandersetzungen ohne die Anwendung körperlicher Gewalt gegeben haben. Auch hier wird von verbalen Auseinandersetzungen, Drohungen gegen die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher und vereinzelt auch von der Anfertigung von Filmen berichtet. Daneben hat ein Amtsgericht von einem Fall der Anwendung körperlicher Gewalt bei einer Räumungsmaßnahme berichtet, bei der ein sogenannter Reichsbürger eine Polizistin verletzt haben soll, die die Maßnahme abgesichert habe.
Im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg soll es eine nicht näher bezifferte Anzahl von schriftlichen und verbalen Konfrontationen von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern mit sogenannten Reichsbürgern gegeben haben. Bei bekannten „Reichsbürgern“ werde die Polizei um Amtshilfe gebeten. Aus dem Bezirk des Landgerichts Osnabrück wird ein Fall eines körperlichen Übergriffs berichtet: Bei dem Amtsgericht Osnabrück sei ein sogenannter Reichsbürger auf einen Gerichtsvollzieher im Beisein mehrerer Polizeibeamter mit einem Baseballschläger losgegangen.
2. In welchen konkreten niedersächsischen Justizvollzugsanstalten verursachten die „Reichsbürger“ einen erhöhten Aufwand durch eine Vielzahl von Beschwerden beziehungsweise durch mangelnde Kooperation?
In der Vergangenheit verursachte jeweils ein inhaftierter „Reichsbürger“ in den Justizvollzugsanstalten Meppen und Uelzen einen erhöhten Aufwand durch eine Vielzahl von Beschwerden beziehungsweise durch mangelnde Kooperationsbereitschaft. Beide Gefangenen sind mittlerweile entlassen.
In der Abteilung Braunschweig der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel ist aktuell ein „Reichsbürger“ inhaftiert, der einen erhöhten Arbeitsaufwand verursacht und nicht kooperiert.
Gegen einen aktuell in der Justizvollzugsanstalt Bremervörde inhaftierten „Reichsbürger“ und seine externen Unterstützer wurden diverse Strafanzeigen wegen Beleidigung und Bedrohung gestellt. Ein erhöhter Arbeitsaufwand war damit bisher nicht verbunden.
3. Welche konkreten Ergebnisse hatten die Besprechungen mit den Obergerichten und Generalstaatsanwaltschaften?
Auf Besprechungen im Frühjahr 2016 hin hat das Justizministerium den niedersächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften Handreichungen zum Umgang mit sogenannten Reichsbürgern zur Verfügung gestellt. Weitere Besprechungen haben den Bedarf an aufgabenbezogenen Handreichungen sowie weitere Unterstützung von Leiterinnen und Leitern der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie der Beschäftigten ergeben. In dieser Folge hat das Justizministerium einen Ansprechpartner für Justizangehörige bestellt, die Fragen und Anliegen zum Umgang mit sogenannten Reichsbürgern haben. Es hat außerdem aufgabenbezogene Handreichungen entwickelt und deren Inhalt und Zielrichtung mit Vertreterinnen und Vertretern der Obergerichte, der Generalstaatsanwaltschaften sowie von Gerichten und Staatsanwaltschaften, außerdem mit Vertreterinnen und Vertretern der Hauptrichterräte der Gerichtsbarkeiten, des Hauptstaatsanwaltsrats und des Hauptpersonalrats abgestimmt. Die Handreichungen werden derzeit finalisiert.
Artikel-Informationen
erstellt am:
24.11.2016
Ansprechpartner/in:
Frau Katja Josephi
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5044