Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Werden in Niedersachsen die Möglichkeiten zur Beschleunigung von Strafverfahren bei „Antänzern“ genutzt?“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. Februar 2016, Mündliche Anfrage Nr. 19
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 19 der Abgeordneten Abgeordnete Lutz Winkelmann und Mechthild Ross-Luttmann (CDU):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten wird die Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens nach § 417 ff. StPO stärker von der Öffentlichkeit beobachtet. So berichtete „Spiegel TV“ am 17. Januar 2016 über „einen ganz normalen Tag am Amtsgericht Hannover“. Berichtet wurde hier über drei beschleunigte Strafverfahren. Laut „Spiegel TV“ stand es am Ende „3:0 für die Angeklagten“.
Vorbemerkung der Landesregierung
Die Effektivität und Schnelligkeit der Strafverfolgung sind zentrale Verfahrensgrundsätze der Strafprozessordnung. Eine zügige Verurteilung von Straftätern stärkt das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und unterstützt den Opferschutz. Der schnellen Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs dient unter anderem das beschleunigte Verfahren gemäß §§ 417 ff. StPO. Gegen Jugendliche schließt § 79 Abs. 2 JGG das beschleunigte Verfahren aus. An seine Stelle tritt das vereinfachte Jugendverfahren nach den §§ 76 ff. JGG.
Das beschleunigte Verfahren nach § 417 ff. StPO ist gekennzeichnet durch zahlreiche Verfahrensvereinfachungen im Vergleich zum herkömmlichen Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren beim Strafrichter oder Schöffengericht mündlich oder schriftlich zu stellen, „wenn die Sache aufgrund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist“. In Nr. 146 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) wird dies dahingehend näher konkretisiert, dass „in allen geeigneten Fällen die Aburteilung im beschleunigten Verfahren (§ 417 StPO) zu beantragen ist“. Dies gilt vor allem, wenn der Beschuldigte geständig ist oder andere Beweismittel zur Verfügung stehen. Das beschleunigte Verfahren kommt nicht in Betracht, wenn Anlass besteht, die Person des Beschuldigten und sein Vorleben genau zu erforschen oder wenn der Beschuldigte durch die Anwendung dieses Verfahrens in seiner Verteidigung beeinträchtigt würde. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßgaben ist das beschleunigte Verfahren für alle Straftaten aus dem Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität, denen einfache Sachverhalte oder klare Beweislagen zugrunde liegen, geeignet, wenn die Rechtsfolgenkompetenz des Gerichts ausreicht (§ 419 StPO). Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der beschuldigten Personen. Das beschleunigte Verfahren erfasst vor allem sog. „reisende“ Beschuldigte bzw. nicht sesshafte Beschuldigte oder solche ohne festen Wohnsitz. Es eignet sich aber auch für Täter, deren Straftaten in besonderem Maße der Öffentlichkeit ins Auge fallen, z.B. für Täter die Straftaten demonstrativ in der Öffentlichkeit begehen, um den Rechtsstaat vorzuführen. Mit Rücksicht auf die ungewisse Dauer der Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen oder sonstigen Unterkünften werden bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften und Gerichten beschleunigte Verfahren auch gegen Asylbewerber durchgeführt, soweit die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.
1. Wie oft wurde seit dem 1. Januar 2015 in Niedersachsen das beschleunigte Verfahren nach §§ 417 ff. StPO angewendet und wie oft waren dabei Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit angeklagt (bitte aufschlüsseln nach Monat und Gericht)?
Seit dem 1. Januar 2015 bis zum 10. Februar 2016 wurden insgesamt 923 beschleunigte Verfahren nach § 417 StPO geführt. Die Staatsanwaltschaften stellten in diesem Zeitraum 641 Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gegen Beschuldigte ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Sie beantragten ferner insgesamt 111 Mal eine Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren gegen Beschuldigte ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage, die sich auf Verfahren gegen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bezieht.
2. Wie viele Verurteilungen zu Freiheitsstrafen mit und ohne Bewährung und nach Jugendstrafrecht wurden dabei ausgesprochen?
Seit dem 1. Januar 2015 bis zum 10. Februar 2016 erfolgte in insgesamt 122 Fällen eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung sowie in 76 Fällen eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Jugendstrafen wurden nicht verhängt. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage, die sich auf Verfahren gegen Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bezieht.
3. Ist das beschleunigte Verfahren nach § 417 ff. StPO nach Ansicht der Landesregierung geeignet, um auf von Asylbewerbern und geduldeten Ausländern ausgehende Kriminalität angemessen zu reagieren?
Siehe Vorbemerkung.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.02.2016
Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162