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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Was tut die Landesregierung für die Barrierefreiheit an den Amtsgerichten?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 5. Juni 2015, Mündliche Anfrage Nr. 12


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 12 des Abgeordneten Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU):

Vorbemerkung des Abgeordneten

Bei persönlichen Gesprächen im Wahlkreis beklagten Bürgerinnen und Bürger mehrfach die mangelnde Barrierefreiheit einzelner Amtsgerichte.

So beraumte das Amtsgericht Burgdorf in einer zivilrechtlichen Angelegenheit für den 15. April 2014 einen Verhandlungstermin an und ordnete dazu das persönliche Erscheinen an.

Die Geladene hatte kurz zuvor am 10. April 2014 eine Wadenbeinfraktur erlitten, die es ihr unmöglich machte, ohne Gehhilfen und weitere unterstützende Maßnahmen den Verhandlungssaal des Amtsgerichtes im ersten Stock zu erreichen.

Mit Befremden stellten die Geladene und ihr Rechtsanwalt fest, dass das Amtsgericht Burgdorf nicht barrierefrei ausgestattet ist. Das Amtsgericht verfügt weder über einen Fahrstuhl noch über einen behelfsmäßigen Aufzug, um gehandicapten Menschen den Zugang zum Gericht zu ermöglichen.

So kam es dazu, dass der Richter und der Rechtsanwalt gemeinsam die Mandantin stützend die Treppen hinauf begleitet haben, um ihr die Teilnahme an der wichtigen zivilrechtlichen Verhandlung zu ermöglichen.

In einem weiteren Fall wurde am 2. Juli 2014 vor dem Amtsgericht Burgdorf ein familienrechtliches Verfahren durchgeführt. Eine der Parteien sitzt im Rollstuhl. Über den gerufenen Krankentransport wurde der Betroffene zum Amtsgericht Burgdorf in den Gerichtssaal gebracht. Nach Ende der Sitzung gegen 16:00 Uhr wurde dann wieder der Krankentransport gerufen. Es dauerte eine Weile, bis dieser das Gerichtsgebäude erreichte. Bis dahin saß der Verfahrensbeteiligte mit seiner Rechtsvertretung im ersten Stock und konnte nicht ohne Hilfe das Gerichtsgebäude verlassen. Beim Eintreffen des Krankentransportes war die Tür zum Gericht bereits verschlossen. Mit Hilfe des Amtsgerichtsdirektors konnte dann die Tür aufgeschlossen und der Mandant von den Krankenpflegern heruntergebracht werden. Diese teilten mit, dass das Abholen vom Amtsgericht Burgdorf für sie auch deshalb ein ständiges Ärgernis sei, da dort keinerlei Parkmöglichkeit für den Transporter vorhanden sei und sie regelmäßig ein Verwarnungsgeld zu zahlen hätten, da sie auf der Straße parken müssten.

Da keine Verhandlungssäle im Erdgeschoss vorhanden sind und auch die Erdgeschossebene nur über Treppen zu erreichen ist, ist das Amtsgericht Burgdorf nach dem Empfinden der Betroffenen nicht barrierefrei und behindertenunfreundlich.

Neben der fehlenden Möglichkeit, dass Behinderte allein Zugang zu dem Gerichtsgebäude finden können, ist dies auch für Eltern mit Babys in Kinderwagen oder Kleinkindern in Kinderkarren nur schwer möglich.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der gleiche Zugang aller Menschen zu den Gerichten ist ein elementarer Grundpfeiler der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Landesregierung bekennt sich zu einer Gesellschaft, die allen Menschen, gleich ob Frauen und Männern, Einheimischen und Zuwanderern, behinderten und nichtbehinderten Menschen durch die Beseitigung von Teilhabebarrieren einen Zugang zur Gesellschaft ermöglicht, der keine Anpassungsnotwendigkeiten oder Diskriminierungen kennt.

Deshalb ist die Beseitigung von baulichen Barrieren landesweit eine wichtige Aufgabe, für die die Landesregierung erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellt.

Eine Vielzahl der Amtsgerichte in Niedersachsen ist in alten und zum Teil denkmalgeschützten Liegenschaften – teilweise sogar in alten Schlössern und Burgen – untergebracht, bei denen eine barrierefreie Zugänglichkeit weder vorausgesetzt noch leicht umgesetzt werden kann. Hierzu zählt auch das vom Fragesteller angeführte Amtsgericht Burgdorf. Gleichwohl ist die Landesregierung bestrebt, die Situation in den Gerichtsgebäuden zu verbessern und akzeptable (Zwischen-) Lösungen zu finden. Die Barrierefreiheit wird kontinuierlich ausgebaut und verbessert.

Bis die vielfältigen baulichen Veränderungen, die im Altbaubestand notwendig sind, realisiert sind, wird gleichwohl noch Zeit vergehen. Trotz erheblicher finanzieller Investitionen im Altbaubestand werden an vielen Gerichten Zwischenlösungen entwickelt, auch wenn diese nur eine eingeschränkte Barrierefreiheit darstellen. Hingegen ist die Landesregierung bei Neubauten im öffentlichen Bereich bestrebt, Maßstäbe zu setzen. Für Neubauten wie das Fachgerichtszentrum Hannover und genehmigungspflichtige An- und Umbauten gilt, dass diese barrierefrei sein müssen (vgl. § 49 Abs. 2 Ziffer 1 Niedersächsische Bauordnung (NBauO) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 NBGG). Auch bei Neuanmietungen von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen wird der Frage der Barrierefreiheit stets eine besondere Bedeutung beigemessen.

Auch, wenn das Thema der Zugänglichkeit hinsichtlich baulicher Anforderungen öffentliche Aufmerksamkeit erregt, bezieht sich die Barrierefreiheit nicht nur auf Gebäude oder sonstige Anlagen sondern auch auf Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen.

Es ist das Ziel der Landesregierung, alle Lebensbereiche auch für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernisse und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar zu machen (§ 2 Abs. 3 Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz – NBGG).

Im Geschäftsbereich des Justizministeriums sollen künftig Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der Barrierefreiheit zur Verfügung gestellt werden. Mit den Empfehlungen werden vielfältige Maßnahmen einschließlich des zu erwartenden Kostenrahmens zusammengefasst werden, die zur Verbesserung der Barrierefreiheit beitragen. Grundlage hierfür werden die Vorschläge sein, die im Rahmen des im Mai 2013 von der Niedersächsischen Landesregierung eingerichteten interministeriellen Arbeitskreises für die Umsetzung der Inklusion (IMAK Inklusion) gesammelt wurden.

1. Gibt es vergleichbare Situationen an anderen Amtsgerichten in Niedersachsen? Wenn ja, wo?

Hinsichtlich der weiteren Amtsgerichte, bei denen keine oder eine stark eingeschränkte barrierefreie Zugangssituation besteht, wird auf die Tabelle verwiesen. Weitere Erhebungen über Barrieren für behinderte Menschen in einzelnen Amtsgerichtsgebäuden liegen dem Justizministerium nicht vor.

2. Beabsichtigt die Landesregierung den zeitnahen behindertengerechten Ausbau des Amtsgerichts Burgdorf und der anderen in der Antwort zur ersten Frage genannten Gerichte?

Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

3. Gilt das Ziel der Barrierefreiheit in Niedersachsen auch für das öffentliche Rechtssystem?

Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Kein oder stark eingeschränkter barrierefreier Zugang vorhanden

Amtsgericht Bad Gandersheim

Amtsgericht Goslar (Haus I)

Amtsgericht Seesen

Amtsgericht Wolfenbüttel

Amtsgericht Einbeck

Amtsgericht Hann. Münden

Amtsgericht Herzberg

Amtsgericht Osterode (Hauptgebäude)

Amtsgericht Bückeburg

Amtsgericht Rinteln (Nebengebäude)

Amtsgericht Stadthagen

Amtsgericht Hameln

Amtsgericht Neustadt a.Rbg. (Nebengebäude)

Amtsgericht Alfeld

Amtsgericht Elze

Amtsgericht Gifhorn

Amtsgericht Peine

Amtsgericht Celle

Amtsgericht Soltau

Amtsgericht Bremervörde (Hauptgebäude)

Amtsgericht Otterndorf (Hauptgebäude

Amtsgericht Stade

Amtsgericht Zeven (Nebengebäude)

Amtsgericht Achim (Nebengebäude 2)

Amtsgericht Osterholz Scharmbeck (Nebengebäude)

Amtsgericht Rotenburg

Amtsgericht Syke

Amtsgericht Aurich

Amtsgericht Brake

Amtsgericht Nordenham

Amtsgericht Oldenburg

Amtsgericht Vechta (Nebengebäude)

Amtsgericht Lingen (Nebengebäude)

Amtsgericht Osnabrück (Kollegienwall 9/10)

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
05.06.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

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