Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Verweigerung der Zulassung zum Rechtsreferendariat wegen Unwürdigkeit“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 10. März 2016, Mündliche Anfrage Nr. 24
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 24 der Abgeordneten Helge Limburg, Filiz Polat, Belit Onay und Meta Janssen-Kucz (Grüne):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Im Februar 2016 wurde durch Medienberichte bekannt, dass in Nordrhein-Westfalen ein mehrfach vorbestrafter Neonazi und Mitglied der Partei „Die Rechte“ nicht zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen wurde. Damit kann der Diplom-Jurist weder Richter noch Staatsanwalt oder Rechtsanwalt werden. Das Verwaltungsgericht Minden bestätigte damit die Entscheidungen des Landes Nordrhein-Westfalen sowie des VG Minden und des OVG Münster im Eilverfahren. Der Mann sei unwürdig und charakterlich nicht geeignet für den juristischen Vorbereitungsdienst.
Vorbemerkung der Landesregierung
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des Juristenausbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen - JAG NRW - hat grundsätzlich jeder, der die erste Prüfung im Sinne des JAG bestanden hat, einen Anspruch auf Aufnahme in den als öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis zum Land ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst. Die Aufnahme ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW allerdings zu versagen, wenn die Bewerberin oder der Bewerber der Zulassung nicht würdig ist. Eine Bewerberin oder ein Bewerber ist würdig, wenn sie oder er nach dem Gesamtbild ihrer oder seiner Persönlichkeit charakterlich geeignet ist, in einen Ausbildungsgang aufgenommen zu werden, der ihr oder ihm die Befähigung zum Richteramt verschafft. Daran fehlt es, wenn der Bewerberin oder dem Bewerber ein schwerer Verstoß gegen das Recht, dass sie oder er bereits während des Vorbereitungsdienstes eigenverantwortlich pflegen soll, zum Vorwurf gemacht wird. Ein solch schwerer Verstoß ist nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW in der Regel anzunehmen, wenn die Bewerberin oder der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist. Unter Berücksichtigung der konkreten Tat und ihrer Folgen, des Verhaltens der Bewerberin oder des Bewerbers nach der Tat, der Gesamtpersönlichkeit und der Sozialprognose für ihr oder sein zukünftiges Verhalten sowie der nach der Tat verstrichenen Zeit kann unter besonderen Umständen sowohl die Einstellung versagt werden, wenn eine Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr verhängt worden ist als auch eine Einstellung - ausnahmsweise - erfolgen, wenn die Freiheitsstrafe ein Jahr überschreitet.
Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das zuständige Oberlandesgericht den Antrag des Bewerbers auf Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst mit Bescheid vom 15. April 2015 abgelehnt, weil er aufgrund der Gesamtabwägung seiner Vorstrafen sowie seiner verfassungsfeindlichen Betätigung derzeit der Zulassung nicht würdig sei. Es hat weiter festgestellt, dass eine Aufnahme in den Vorbereitungsdienst vor Ablauf einer Wohlverhaltensphase von drei Jahren ab Datum des Bescheides nicht in Betracht komme. Nachdem der Bewerber bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sowohl vor dem Verwaltungsgericht Minden als auch vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen sowie mit seiner nachfolgend erhobenen Verfassungsbeschwerde erfolglos geblieben ist, hat das Verwaltungsgericht Minden seine Klage mit Urteil vom 22. Februar 2016 abgewiesen. Die derzeit fehlende Würdigkeit des Bewerbers zur Aufnahme in den Vorbereitungsdienst folge bereits aus der Anzahl, Bandbreite und Qualität seiner mehrfachen Vorstrafen, auch wenn diese nicht das Regelbeispiel des § 30 Abs. 4 Nr. 1 Halbsatz 2 JAG NRW erfüllten.
1. Ist die Rechtslage bezüglich der Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst in Niedersachsen vergleichbar mit der in Nordrhein-Westfalen ?
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen (NJAG) wird in den Vorbereitungsdienst nicht aufgenommen, wer persönlich ungeeignet ist; die Ungeeignetheit kann sich insbesondere aus einem Verbrechen oder einem vorsätzlich begangenen Vergehen ergeben. Die Voraussetzungen für die Nichtannahme der persönlichen Eignung entsprechen denjenigen der Unwürdigkeit im Sinne des § 30 Abs. 4 Nr. 1 JAG NRW. In Niedersachen ist danach jeweils anhand der von der Bewerberin oder dem Bewerber im einzureichenden Bewerbungsvordruck unter Benennung des Aktenzeichens ggfls. anzugebenden Straf-/Ermittlungsverfahren und unter Heranziehung der Ermittlungs-/Strafakten im Einzelfall zu prüfen, ob ein Hindernis für die beabsichtigte Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 NJAG besteht und die Einstellung zu versagen ist.
2. Sind in Niedersachsen in den letzten fünf Jahren vergleichbare Fälle bekannt geworden, bei denen eine Person wegen Unwürdigkeit und charakterlicher Nichteignung nicht zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen wurde?
Im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig gab es von März 2002 bis März 2016 insgesamt weniger als zehn bekannte Fälle, in denen die Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NJAG versagt wurde. Diese Anzahl liegt verglichen mit den Bewerberzahlen im Promillebereich. In den Oberlandesgerichtsbezirken Celle und Oldenburg gab es in den vergangenen fünf Jahren keine solchen Fälle.
Allerdings liegt dem Oberlandesgericht Oldenburg gegenwärtig ein vergleichbarer Fall zur Entscheidung vor.
3. Wenn ja: Welche konkreten Gründe lagen bei diesen Fällen jeweils vor, die zu dieser Entscheidung führten?
Den nach § 5 Abs. 1 Satz 2 NJAG ergangenen ablehnenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Braunschweig lagen zumeist Betrugsdelikte zu Grunde. Ein Fall betraf ein größeres Verfahren, bei dem es um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten nach umfangreichem und vielfältigem Stalking ging. Im Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig gab es bisher keine Bewerbungen von Personen mit rechtsradikaler Motivation oder von Personen, die wegen Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund oder Verurteilungen wegen solcher Straftatbestände aufgefallen sind.
Artikel-Informationen
erstellt am:
10.03.2016
Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
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