Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Strafverfolgung von NS-Verbrechen in Niedersachsen“
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. Dezember 2016, Mündliche Anfrage Nr. 3
Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 3 der Abgeordneten Helge Limburg, Filiz Polat, Julia Willie Hamburg, Belit Onay, Heiner Scholing und Meta Janssen-Kucz (Grüne):
Vorbemerkung der Abgeordneten
Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust nimmt die Zahl derer, die als Überlebende von den NS-Verbrechen berichten können, ab. Gleichfalls nimmt die Zahl der Täterinnen und Täter ab, die für ihre Taten in den Konzentrationslagern oder an anderen Stellen während der NS-Zeit zur Rechenschaft gezogen werden können. „Der wohl letzte NS-Prozess in Deutschland“ betitelt der Tagesspiegel am 17. Juni 2016 den Bericht zur Verurteilung des früheren SS-Wachmanns Reinhold Hanning wegen Beihilfe zum Mord an 170 000 Menschen durch das Landgericht Detmold.
In Niedersachsen wurde zuletzt im Juli 2015 Oskar Gröning, bekannt als „Buchhalter von Auschwitz“, vor dem Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Nebenklage und Verteidigung legten Revision ein. Der Bundesgerichtshof wies Ende November 2016 die Revisionsanträge ab. Damit ist das Urteil gegen Oskar Gröning rechtskräftig. Gröning wurde verurteilt, ohne dass ihm eine konkrete Tötung nachgewiesen wurde. Nach Auffassung des Landgerichts Lüneburg und des Bundesgerichtshofs leistete er allein durch seine Tätigkeit in Auschwitz einen Tatbeitrag zum hunderttausendfachen Mord. Nach Auffassung von Expertinnen und Experten ermöglicht das Urteil neue Ermittlungen gegen weitere Personen, die in Konzentrationslagern oder an anderen Stellen der NS-Mordmaschinerie tätig waren, gegen die bislang mangels eines Nachweises einer unmittelbaren Tötung kein Gerichtsverfahren geführt wurde.
Im Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen kamen zwischen 1941 und 1945 mehr als 70 000 Menschen um. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen gibt an, derzeit auch Ermittlungen wegen Verbrechen im Konzentrationslager Bergen-Belsen zu prüfen.
Vorbemerkung der Landesregierung
Der Landesregierung ist sowohl die historische als auch strafrechtliche Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus ein besonderes Anliegen.
Das Justizministerium unterrichtet deshalb den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, sobald ein Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen von einer niedersächsischen Staatsanwaltschaft eingeleitet wird oder der Stand eines Vorermittlungsverfahrens dies zulässt. Dadurch wird dem Informationsbedürfnis des Landtages kontinuierlich Rechnung getragen.
1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen werden gegenwärtig bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften geführt?
Bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften wird gegenwärtig ein Ermittlungsverfahren und ein Vorermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen geführt.
2. Welche Staatsanwaltschaften führen jeweils die unter 1. genannten Ermittlungen?
Das Ermittlungsverfahren wird bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg und das Vorermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Hannover geführt.
3. Ist der Landesregierung bekannt, ob Staatsanwaltschaften anderer Länder zu Taten in Konzentrationslagern, die im heutigen Niedersachsen lagen, ermitteln?
Vorermittlungen werden meist zunächst von der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg geführt. Sobald diese einen Tatkomplex herausgearbeitet und festgestellt hat, welche beteiligten Personen noch verfolgt werden können, gibt sie den Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft ab. Diese ist verpflichtet, grundsätzlich den gesamten Verfahrenskomplex zu bearbeiten. Hierbei leistet die Zentralstelle weiterhin Ermittlungshilfe. Eine darüberhinausgehende institutionalisierte Zusammenarbeit findet nicht statt. Demnach ist hier nicht bekannt, ob Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer zu Taten in Konzentrationslagern, die im heutigen Niedersachen lagen, ermitteln.
Artikel-Informationen
erstellt am:
15.12.2016
Ansprechpartner/in:
Frau Katja Josephi
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
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