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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Die elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ)“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 5. Juni 2015, Mündliche Anfrage Nr. 64


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 64 der Abgeordneten Dr. Marco Genthe, Stefan Birkner, Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP):

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ), auch bekannt als „elektronische Fußfessel“, ist eine mögliche Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht. Die Regelung wurde zum 1. Januar 2011 in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Einige Bundesländer haben in demselben Jahr einen Staatsvertrag zur Einrichtung einer gemeinsamen Überwachungsstelle unterzeichnet.

Die Effektivität dieses Instruments und die Verhältnismäßigkeit seiner Einsetzung sind nicht ganz unumstritten.

Vorbemerkung der Landesregierung

Seit dem 1. Januar 2011 ist es gemäß § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 Strafgesetzbuch (StGB) möglich, Führungsaufsichtsprobanden die Weisung zu erteilen, ein Gerät zur elektronischen Überwachung ihres Aufenthalts zu tragen. In diesem Fall ordnet das Gericht an, dass die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen hat. Die Erteilung einer solchen Weisung ist gemäß § 68b Absatz 1 Satz 3 StGB nur zulässig, wenn

1. die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,

2. die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 StGB genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,

3. die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 StGB genannten Art begehen wird, und

4. die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 StGB genannten Art abzuhalten.

Die Weisung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung kann mit oder ohne aufenthaltsbezogene Bestimmungen erteilt werden. So können zum Beispiel Gebotszonen (Aufenthalt nur in einem bestimmten Gebiet), aber auch orts- oder kontaktbezogene Verbotszonen (Verbot des Aufsuchens bestimmter Orte oder der Kontaktaufnahme zu bestimmten Personen) eingerichtet werden.

Zur Durchführung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen am 19. Mai/29. August 2011 einen Staatsvertrag über die Einrichtung einer gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder unterzeichnet, dem - neben den übrigen Bundesländern - Niedersachsen mit Gesetz vom 23. März 2012, in Kraft getreten am 30. März 2012, beigetreten ist.

Grundlage der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung in Niedersachsen ist die „Konzeption für die Vorbereitung und Durchführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung im Rahmen der Führungsaufsicht“ (Gem. RdErl. d. MJ, d. MI u. d. MS v. 28.12.2012 - 4263 – 403.217 -, VORIS 33350), die am 01.01.2013 in Kraft getreten ist.

Mit der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung erfolgt keine Echtzeitüberwachung. Vielmehr werden mit Hilfe der von der verurteilten Person mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort erhoben und gespeichert (§ 463a Absatz 4 StPO). Die Verwendung dieser Daten ist ohne Einwilligung des Verurteilten nur in bestimmten Fällen zulässig, zum Beispiel im Falle eines Verstoßes gegen aufenthaltsbezogene Weisungen.

Die technische Überwachung erfolgt durch die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), die fachliche Überwachung durch die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL) mit Sitz in Bad Vilbel (Hessen).

1. Wie bewertet die Landesregierung die EAÜ?

Die elektronische Aufenthaltsüberwachung dient der Überwachung aufenthaltsbezogener Weisungen, daneben kann sie auch die Aufklärung von Straftaten erleichtern. In gewissem Umfang kann die elektronische Aufenthaltsüberwachung auch spezialpräventive Wirkung entfalten, indem sie die Hemmschwelle der Führungsaufsichtsprobanden für die Begehung neuer Straftaten aufgrund des ihnen bewussten, gestiegenen Entdeckungsrisikos erhöht. Straftaten verhindern kann sie jedoch nicht.

Umso wichtiger für einen effektiven Schutz der Gesellschaft vor rückfallgefährdeten Gewalt- und Sexualstraftätern sind daher effiziente Maßnahmen der Tertiärprävention. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, entlassenen Strafgefangenen, Sicherungsverwahrten und Maßregelvollzugspatienten eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen und ihnen Perspektiven für ein zukünftig straffreies Leben aufzuzeigen. Die Niedersächsische Landesregierung widmet sich dieser wichtigen Aufgabe seit langem mit Nachdruck und setzt sich gemeinsam mit den beteiligten Partnern, unter anderem den Anlaufstellen der Freien Straffälligenhilfe, den Justizvollzugsanstalten und dem Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen (AJSD), für eine stetige Fortentwicklung des Übergangsmanagements ein.

2. Beabsichtigt die Landesregierung, dem oben genannten Staatsvertrag beizutreten?

Vgl. die Vorbemerkung der Landesregierung.

3. Wie oft wurde dieses Instrument seit 2013 in Niedersachsen eingesetzt?

Seit dem Jahr 2013 wurde die Elektronische Aufenthaltsüberwachung in 3 Fällen eingesetzt:

In einem Fall erfolgte eine Übernahme einer Führungsaufsicht mit Weisung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung aus Thüringen im November 2012. Die Führungsaufsicht dauert an, ruht derzeit jedoch, weil gegen den Probanden eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren vollsteckt wird.

In einem anderen Fall wurde die Weisung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung im Dezember 2012 erteilt und das Überwachungsgerät im Februar 2013 angelegt. Die Weisung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung wurde im Januar 2015 aufgehoben, die Führungsaufsicht dauert jedoch an.

In einem weiteren Fall erfolgten die Erteilung der Weisung im Juli 2014 und die Anlegung des Überwachungsgeräts im Februar 2015. Die Führungsaufsicht dauert an.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
05.06.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

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