Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz: „Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Celler Generalstaatsanwalt - Ist eine Zusammenarbeit zwischen der Justizministerin und der niedersächsischen Justiz noch möglich?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 04.06.2015, TOP 13 b): Dringliche Anfrage - Drs. 17/7581
Sie haben mich richtig zitiert. Ich habe gesagt, es sei für mich ausgesprochen bitter, dass die Information über die Verfahrenseinleitung die Presse erreicht hat, bevor ich dieses Hohe Haus im Februar selbst informieren konnte. Dem habe ich Nichts hinzuzufügen.
Diese Weitergabe von Informationen sind die eigentliche Gefahr für das Ansehen der niedersächsischen Justiz: Es ist nicht der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Göttingen ein Verfahren wegen Geheimnisverrats gegen Herrn Dr. Lüttig eingeleitet hat. Es ist auch nicht der Umstand, dass ich im Februar das Parlament hierüber informiert habe, bevor die Nachricht durch die pflichtgemäße Beantwortung einer Presseanfrage an die Öffentlichkeit gelangt wäre. Und es ist sicher auch nicht der Umstand, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft Göttingen das Verfahren jetzt eingestellt hat, weil sich keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Verurteilung als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen.
Das eigentliche Problem ist, dass wiederholt vertrauliche Details aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit politischem Bezug an die Öffentlichkeit gelangt sind. Und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die Preisgabe dieser Informationen die Ermittlungen gefährden konnte. Von der Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Beschuldigten und Zeugen einmal ganz zu schweigen.
Das ist es, was dem Ansehen der Justiz schadet! Darum geht es im Kern! Diesen Umstand muss man einmal in Erinnerung rufen, wenn wir hier zum wiederholten Male darüber debattieren, ob ich das Parlament damals nicht besser später und vertraulich über die Ermittlungen gegen den Generalstaatsanwalt hätte informieren können!
Zu Ihrer ersten Frage:
Mit Erlass vom 24.06.2014 hat mein Haus die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig gebeten, eine Staatsanwaltschaft aus ihrem Bezirk mit der Bearbeitung der Strafanzeige des Rechtsanwalts Dr. Fritz vom 16.06.2014 zu beauftragen.
Mit Erlass vom 07.08.2014 erteilte das Niedersächsische Justizministerium der Staatsanwaltschaft Göttingen die erforderliche Strafverfolgungsermächtigung.
Mit Schreiben vom 09.10.2014 hat die Staatsanwaltschaft Göttingen das Niedersächsische Justizministerium um Unterstützung zur Aufklärung des Sachverhaltes gebeten.
Mit Erlass vom 17.10.2014 - und auch fernmündlich am selben Tag - teilte die zuständige Referatsleiterin mit, im meinem Haus als alleinige Ansprechpartnerin der Staatsanwaltschaft Göttingen für dieses Ermittlungsverfahren zuständig zu sein.
Weiter wurde mitgeteilt, dass alle im Niedersächsischen Justizministerium vorhandenen Vorgänge eingesehen, ausgewertet und bei Bedarf zur Ermittlungsakte abgelichtet werden könnten.
Im Laufe der folgenden Monate sind von der Staatsanwaltschaft Göttingen insgesamt dreimal Ermittlungen unmittelbar im Niedersächsischen Justizministerium durchgeführt worden.
Seit dem 17.10.2014 fanden zwischen der zuständigen Referatsleiterin meines Hauses und dem ermittelnden Staatsanwalt mehrere Telefonate statt.
Insbesondere ging es um die Absprache von Terminen zur Einsichtnahme in Akten sowie um die Art und Weise der Übersendung von Vorgängen des Niedersächsischen Justizministeriums. Es ging in den Telefonaten weiter beispielsweise um die Organisation von Zeugenvernehmungen im Niedersächsischen Justizministerium, um die Erteilung von Aussagegenehmigungen und um Fragen zu den Aktenvorlagebegehren im Verfahren Edathy.
Darüber hinaus haben weitere aktenkundige, schriftliche und fernmündliche Kontakte zwischen dem Niedersächsischen Justizministerium und der Staatsanwaltschaft Göttingen im Zusammenhang mit der Übersendung von Vorgängen und Aktenvermerken stattgefunden. In einem Fall ging es um eine Klarstellung betreffend die Erstreckung der Ermittlungen auf den „Komplex Edathy“.
Mitteilungen über den Umfang oder den Sachstand der Verfahren, die Entscheidung über die Eintragung der Beschuldigten oder die Einstellung der Verfahren, sind von der Staatsanwaltschaft Göttingen ausschließlich auf dem Dienstweg berichtet worden.
Insoweit erfolgten die nachfolgenden Berichte:
- Ein Bericht vom 05.12.2014 zum Hintergrund einer dpa-Meldung vom 01.12.2014, wonach die Staatsanwaltschaft Göttingen auch im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Edathy ermittele.
- Ein Bericht vom 13.02.2015 über die Eintragung von Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig und PräsLG a.D. Schneidewind als Beschuldigte.
- Ein Bericht vom 02.03.2015 über die Einstellung des Verfahrens gegen PräsLG a.D. Schneidewind.
- Ein Bericht vom 23.03.2015 zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage vom 10.03.2015.
- Zwei Berichte vom 07.05.2015 zur Beantwortung Kleiner Anfragen vom 22.04.2015.
- Ein ergänzender Bericht vom 19.05.2015 zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage vom 22.04.2015.
- Und abschließend ein Bericht vom 28.05.2015 über die Einstellung des Verfahrens gegen Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig.
Wie Sie sehen gab und gibt es in diesem Ermittlungsverfahren keinerlei Einflussnahme vonseiten meines Hauses. Nicht auf die Einleitung, nicht auf den Gang und nicht auf die Einstellung des Verfahrens. Es wird auch zukünftig unter meiner Leitung keine Einmischungen der Politik in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen geben. Die Ermittlungsakten haben während des laufenden Verfahrens den zuständigen Mitarbeitern meines Hauses nicht vorgelegen, geschweige denn mir selbst. Ganz anders übrigens, als das in der zurückliegenden Legislaturperiode im Verfahren gegen Christian Wulff dem Vernehmen nach der Fall gewesen sein soll.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Der unterschiedlich lange Zeitraum bis zum jeweiligen Verfahrensabschluss ergibt sich aus dem unterschiedlichen Umfang der beiden Verfahren.
Die Ermittlungen gegen den Generalstaatsanwalt betrafen 21 Fälle der mutmaßlichen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Die Sachverhalte waren teils komplex, es waren mehrere Zeugen zu vernehmen und Akten auszuwerten. Gegen den ehemaligen Präsidenten des Landgerichts Hannover stand hingegen lediglich in einem einzigen Fall ein Fahrlässigkeitsvorwurf im Raum, der sich schnell ausräumen ließ.
Der ehemalige Präsident des Landgerichts hat bereits am Tag nach seiner schriftlichen Anhörung eine Einlassung zur Sache abgegeben. Herr Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig hat etwa zwei Monate nach seiner Anhörung eine Einlassung abgegeben.
Zu Ihrer dritten Frage:
Die weitere Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft Celle ist mir im Interesse einer funktionsfähigen Justiz ein außerordentlich wichtiges Anliegen.
Ein erstes, persönliches Gespräch mit Herrn Dr. Lüttig habe ich bereits geführt. Das Gespräch war getragen vom beiderseitigen Wunsch nach einer konstruktiven Zusammenarbeit. Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass die Inhalte vertraulich behandelt werden sollen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Artikel-Informationen
erstellt am:
04.06.2015
Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181