Landtagsrede der Justizministerin Niewisch-Lennartz zum Fall Edathy "Rot-Grün"
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.02.2014, Dringliche Anfrage (TOP 13 b)
Antwort der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz auf die Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU zu TOP 13 b) „Hat Rot-Grün im Fall Edathy etwas zu verbergen?“
Die Anfrage beantworte ich gern für die Landesregierung.
Zu Frage 1:
Die wesentlichen Ermittlungsschritte habe ich bereits zum Tagesordnungspunkt 2 der aktuellen Sitzung des Niedersächsischen Landtags dargestellt. Dies will ich nun detaillierter wie folgt tun:
In Kanada wurde seit 2010 von den dortigen Behörden unter der Bezeichnung „Operation Spade“ ein Ermittlungsverfahren gegen ein Unternehmen geführt, das Filme von nackten oder weitgehend unbekleideten vorpubertären Kindern in fast 100 Staaten verkauft hatte. Im Mai 2011 kam es dort zu Durchsuchungs- und Sicherstellungsmaßnahmen sowie zur Festnahme des Firmenbetreibers.
Im November 2011 erhielt das Bundeskriminalamt umfangreiches Datenmaterial, das über 800 deutsche Besteller betraf. Mit der Auswertung begann das BKA im Juni 2012. Die Ergebnisse wurden in Abstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main rechtlich bewertet und in die Kategorien I (kinder- oder jugendpornografisch) und II (nicht tatbestandlich) unterteilt. Erste Personenüberprüfungen fanden am 2. November 2012 statt und betrafen bundesweit 443 Besteller, davon 34 in Niedersachsen.
Nach Individualisierung der übrigen Tatverdächtigen wurden am 15. Oktober 2013 alle 16 Landeskriminalämter um Mitteilung personenbezogener Erkenntnisse zu den Bestellern gebeten.
Das Landeskriminalamt Niedersachsen leitete die ihm zugegangenen und 16 Personen in Niedersachsen betreffenden Informationen noch am selben Tag den örtlichen Polizeidienststellen zu. Darunter befand sich erstmalig auch eine Erkenntnisanfrage bezüglich des damaligen Bundestagsabgeordneten Edathy, die an die Polizeiinspektion Nienburg weitergeleitet wurde.
Am 31. Oktober 2013 erhielt die Generalstaatsanwaltschaft Celle die den damaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy betreffenden Vorgänge, bestehend aus einem Hauptband und einem Sonderheft, die dieser am 1. November, einem Freitag, an die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover sandte, wo sie am darauf folgenden Dienstag eingingen.
Innerhalb der Staatsanwaltschaft Hannover ist seither der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer und sonst jugendgefährdender Schriften für das Verfahren zuständig, der eine eigenständige rechtliche Bewertung vornahm und - im Benehmen mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt und der Generalstaatsanwaltschaft - weitere Ermittlungen im Interesse einer einheitlichen Behandlung zurückstellte, bis am 20. Dezember 2013 die bei der für den Ermittlungskomplex in Deutschland zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt angeforderten 8 „Kategorie I – Verfahren“ und neben dem Edathy-Verfahren weiteren 7 „Kategorie II - Verfahren“ vorlagen.
Am 28. Januar 2014 fand eine abschließende Besprechung bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle statt, in deren Folge die Entscheidung erging, einen Anfangsverdacht für Straftaten auch in Bezug auf die in Kategorie II eingestuften Fälle (nichtpornografisches Bildmaterial) zu bejahen und in dieser Folge ein förmliches Ermittlungsverfahren auch gegen den Beschuldigten Edathy einzuleiten.
Am 6. Februar wandte sich die Staatsanwaltschaft Hannover sodann an den Präsidenten des Deutschen Bundestages, um entsprechend Nr. 192a Abs. 3 der Richtlinien über das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren die beabsichtigte Verfahrenseinleitung anzuzeigen.
Am 10. Februar 2014 teilte außerdem der Verteidiger des Beschuldigten Edathy mit, dass dieser am vorangegangenen Freitag sein Bundestagsmandat niedergelegt habe, was zutrifft.
Die förmliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erfolgte am 10. Februar 2014 unter dem Aktenzeichen 3714 Js 9585/14.
An diesem Tag erhielt auch das Landeskriminalamt Niedersachsen den Auftrag zur Vorbereitung von Durchsuchungsmaßnahmen. Dieses bediente sich wiederum der Unterstützung durch die Polizeiinspektion Nienburg.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergingen außerdem mehrere Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hannover, die noch am selben Tag vollstreckt wurden. Dabei wurden verschiedene Beweismittel sichergestellt. Ein Reporter, der aus bislang ungeklärter Quelle von dem Durchsuchungstermin erfahren, sich Zutritt zu dem betreffenden Grundstück verschafft und unerlaubt fotografische Aufnahmen gefertigt hatte, wurde während der laufenden Maßnahme des Grundstücks verwiesen.
Wegen dieses Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 12. Februar 2014 auf eine Strafanzeige des Verteidigers des Beschuldigten Edathy vom Vortag hin das Verfahren 1141 UJs 11665/14 eingeleitet. Die diesbezüglichen Ermittlungen dauern an.
Am 11. Februar 2014 bat die Staatsanwaltschaft Hannover die Bundestagsverwaltung um Sicherung der Büroräume des Beschuldigten im Bundestag, wobei es ihr insbesondere auf die EDV-Ausstattung ankam. Auf Grund der geführten Gespräche ging sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass sie entsprechende Unterstützung erfahren würde. Allerdings erfuhr sie schon nicht, dass das frühere Büro des Beschuldigten inzwischen von der nachrückenden Abgeordneten Groneberg bezogen worden war.
Ebenfalls am 11. Februar 2014 erhielt das Landeskriminalamt Niedersachsen aus der Nachbarschaft Hinweise auf ein weiteres Büro des Beschuldigten nahe seiner Wohnanschrift. Dieses wurde sodann, nachdem ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt worden war, am folgenden Tag durchsucht.
Im Verlauf des 12. Februar 2014 ging ein am 7. Februar 2014 abgesandtes Originalschreiben der Staatsanwaltschaft vom 06. Februar 2014 beim Präsidenten des Deutschen Bundestages ein. Es befand sich in einem geöffneten Umschlag der City Post, der seinerseits im Umschlag eines anderen Dienstleisters steckte.
Wegen der Umstände der Übersendung des Schreibens führt die Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 1141 UJs 13155/14 ein Ermittlungsverfahren, das am 17.2.2014 von Amts wegen eingeleitet worden ist und ebenfalls noch andauert.
Am 13. Februar 2014 wurde der Staatsanwaltschaft aus Pressemeldungen bekannt, dass der damalige Innenminister Friedrich den SPD-Vorsitzenden Gabriel bereits im Oktober 2013 über mögliche Ermittlungen gegen Herrn Edathy informiert habe, woraufhin im Anschluss mehrere SPD-Spitzenpolitiker den höchstvertraulichen Sachverhalt erfahren haben sollen.
Wegen dieses Sachverhalts ist das am 19. Februar 2014 eingeleitete Ermittlungsverfahren 1141 UJs 14464/14 anhängig, das ebenfalls noch andauert.
Die Ermittlungen gegen den früheren Bundeslandwirtschaftsminister Dr. Hans-Peter Friedrich aus diesem Vorgang hat auf Grund einer Vereinbarung vom 18. Februar 2014 zwischen den Generalstaatsanwaltschaften in Celle und Berlin mittlerweile die Staatsanwaltschaft Berlin übernommen.
Am 14. Februar 2014 (Freitag) erhielt die Staatsanwaltschaft schließlich die Nachricht, dass der Präsident des Deutschen Bundestages es abgelehnt habe, das Büro des Beschuldigten Edathy versiegeln zu lassen, bevor ihm ein Durchsuchungsbeschluss vorliege. Daher wurde am 17. Februar 2014 (Montag) ein Durchsuchungsbeschluss beantragt und erlassen sowie dem Präsidenten des Deutschen Bundestages am 18. Februar 2014 (Dienstag) von dem zuständigen Dezernenten überbracht.
Am 18. Februar 2014 erfuhr die Staatsanwaltschaft Hannover aus einem Schreiben des Präsidenten der Bundespolizeidirektion Berlin, dass der Beschuldigte Edathy am 12. Februar beim Bundestag den ihm von dort zur Verfügung gestellten Laptop als gestohlen gemeldet habe. Wegen dieses Sachverhalts ermittelt die Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 3714 UJs 14319/14.
Die Ermittlungen dauern an. Weitergehende Auskünfte können daher derzeit nicht gegeben werden.
Frage 2:
Die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Hannover am 14. Februar 2014 war organisatorisch, aber nicht inhaltlich mit dem Justizministerium abgestimmt. Ich erläutere Ihnen gern den Hintergrund und den Verlauf der organisatorischen Abstimmung:
Vor dem 14. Februar 2014 hatte die Staatsanwaltschaft Hannover eine als sehr zurückhaltend wahrgenommene Pressearbeit betrieben, die von den Medien zunehmend deutlich kritisiert wurde.
Am 13. Februar 2014 trat ich um 19 Uhr vor die Presse. Gleichwohl meldete sich am 14. Februar 2014 morgens der Vorsitzende der Landespressekonferenz beim Pressesprecher des Justizministeriums und bat um eine offensivere Pressearbeit entweder des Justizministeriums oder der Staatsanwaltschaft Hannover im Rahmen der Landespressekonferenz. Der Pressesprecher des Justizministeriums nahm deshalb Kontakt mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Fröhlich auf und fragte an, ob die Staatsanwaltschaft Hannover bereit sei, im Anschluss an die reguläre Landespressekonferenz, die um 10:30 Uhr beginnt, eine Pressekonferenz zu geben. Herr Dr. Fröhlich sagte zu, so dass der Termin gegenüber der Landespressekonferenz bestätigt werden konnte. Eine Absprache über Inhalte der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Hannover fand nicht statt.
Ob im Rahmen der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Hannover die Persönlichkeitsrechte von Herrn Edathy gewahrt wurden, ist Gegenstand einer Dienstaufsichtsbeschwerde des Verteidigers von Herrn Edathy, Herrn Rechtsanwalt Noll, gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Fröhlich. Die Zuständigkeit hierfür liegt bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Das Ergebnis der Überprüfung bleibt abzuwarten.
Frage 3:
Auf der Grundlage der bisher vorliegenden Berichterstattungen und Erkenntnisse ist ein Fehler von Seiten der Polizei zurzeit nicht erkennbar. Eine abschließende Bewertung kann wegen der noch andauernden vielschichtigen Ermittlungen derzeit nicht erfolgen.
Entsprechendes gilt für die Arbeit der Staatsanwaltschaft Hannover. Für die Bewertung von etwaigen Fehlern der Staatsanwaltschaft Hannover im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Herrn Edathy ist die Generalstaatsanwaltschaft Celle zuständig, die derzeit auch die Dienstaufsichtsbeschwerde von Rechtsanwalt Noll bearbeitet. Von dort liegt noch keine Bewertung vor.
Artikel-Informationen
erstellt am:
28.02.2014
Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage
Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181