Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. März 2015, TOP 24
Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz
Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 1 der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Jan-Christoph Oetjen, Björn Försterling, Jörg Bode, Christian Dürr, Christian Grascha, Sylvia Bruns, Hillgriet Eilers, Hermann Grupe, Dr. Gero Hocker, Gabriela König, Horst Kortlang und Almuth von Below-Neufeldt (FDP):
„Ausbrüche, Geheimnisverrat, umstrittene Ermittlungsverfahren - Zwei Jahre rot-grüne Justizpolitik“
In der Vorbemerkung Ihrer Frage sprechen Sie diverse Vorgänge an. Diese waren allesamt bereits mehrfach Gegenstand ausführlicher parlamentarischer Befassung: sei es in mündlichen Anfragen, dringlichen Anfragen, schriftlichen Anfragen oder schriftlichen wie mündlichen Unterrichtungen im Rechtsausschuss. Wir haben Sie gerne und ausführlichst informiert.
Wenn Sie diese Vorgänge erneut ansprechen, und damit offenbar den Eindruck hervorrufen wollen, man könne der Justiz in Niedersachsen nicht mehr vertrauen, dann ist es dringend geboten, Ihnen in aller Sachlichkeit meine Antworten noch einmal zu Gehör zu bringen.
Erstens: Zur Sicherungsverwahrung.
In der Vorbemerkung der Mündlichen Anfrage behaupten die Fragesteller, dass in den letzten zwei Jahren wiederholt Sicherungsverwahrte entwichen seien. In der Überschrift ist sogar von Ausbrüchen die Rede. Das ist sachlich falsch. Vielleicht möchten Sie ja den völlig unzutreffenden Eindruck vermitteln, die Sicherheitslage im Justizvollzug sei so schlecht wie nie. Das Gegenteil ist der Fall. Und Sie, verehrte Abgeordnete dieses Hauses, wissen das auch. Der Strafvollzug in Niedersachsen belegt in Fragen der Qualität und Sicherheit einen Spitzenplatz in Deutschland. Und dies ist keine schlichte Behauptung, sondern Ihnen immer wieder auch mit harten Zahlen belegt worden.
Ein Beispiel: Aus den Einrichtungen des offenen Vollzuges sind im Jahr 2003 noch 124 Gefangene entwichen. 2014 waren es noch 15.
Es ist deshalb sachlich und begrifflich falsch, wenn in der Vorbemerkung der Mündlichen Anfrage undifferenziert von wiederholten Entweichungen von Sicherungsverwahrten die Rede ist. Gemeint sind wohl zwei Fälle im vergangenen Jahr, in denen Sicherungsverwahrte nicht aus genehmigten Ausgängen zurückgekehrt sind.
Auch hierzu sind Sie bis ins kleinste Detail im Plenum, im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, im Unterausschuss Justizvollzug und Straffälligenhilfe, durch Antworten auf mehrere - zum Teil sehr umfangreiche - Kleine Anfragen und durch die Vorlage von Akten unterrichtet worden.
Die Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage zeigt, dass es dennoch noch Defizite gibt. Ich nutze gerne die Gelegenheit solche - wenn es sie denn gibt - zu beseitigen.
Der Fall vom 30.05.2014 hat uns sehr bewegt. Ein Sicherungsverwahrter der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Lingen hat nach Überzeugung des Landgerichts Osnabrück bei einem Langzeitausgang ein 13-jähriges Mädchen schwer missbraucht. Der Sicherungsverwahrte ist deshalb inzwischen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden. Zudem wurde erneut die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Urteil ist noch nicht rechtkräftig.
Der Sicherungsverwahrte war im Vorfeld der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen durch das Prognosezentrum im niedersächsischen Justizvollzug begutachtet worden. Danach und nach dem bisherigen Vollzugsverlauf erschien die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen für die Vollzugsbehörde verantwortbar. Diese Einschätzung wurde von einem externen Sachverständigen von exzellentem Ruf fast zeitgleich mit dem Versagen des Sicherungsverwahrten bestätigt.
Bis zu der mutmaßlichen Straftat wurden dem Sicherungsverwahrten in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren insgesamt 390 Ausgänge gewährt. Dabei handelte es sich um 188 Ausgänge in Begleitung eines Bediensteten der sozialtherapeutischen Abteilung, 169 Ausgänge ohne Begleitung, zehn Ausgänge im Rahmen des Freigangs zur Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme und 23 Langzeitausgänge. In all diesen vollzugsöffnenden Maßnahmen hatte sich der Sicherungsverwahrte bereits bewährt.
Zur Vorbereitung auf ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten gehört, dass neue Verhaltensweisen auch außerhalb der Mauern eingeübt und erprobt werden müssen. Dabei spielen vollzugsöffnende Maßnahmen eine wichtige Rolle, zumal sie die Motivation zur langfristigen Verhaltensveränderung unterstützen können und auch die Suche nach Wohnung, Arbeit und sozialen Kontakten erleichtern. Ohne eine erfolgreiche Erprobung in vollzugsöffnenden Maßnahmen kommt eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung oder sogar die Erledigung der Maßregel in der Regel nicht in Betracht.
Sicherungsverwahrte haben auf Grundlage des Nds. Sicherungsverwahrungsgesetzes einen Anspruch auf Lockerungen, wenn nicht die Gefahr der Begehung schwerer Straftaten besteht. Da die Sicherungsverwahrung mit dem Ziel zu vollstrecken ist, die Sicherungsverwahrung zu beenden, weil von dem Sicherungsverwahrten keine Gefahr schwerer Straftaten mehr ausgeht, ist dies auch konsequent.
Die mit der Behandlung befassten Bediensteten stehen ständig vor der Herausforderung, abschätzbare, aber nicht vollständig kalkulierbare Risiken in der Gewährung von Freiheiten und Erprobungsräumen eingehen zu müssen, um Sicherungsverwahrte auf die Entlassung vorzubereiten und zu resozialisieren.
Die Herausforderungen für Sachverständige und für die Bediensteten des Justizvollzugs sind groß. Wie man in dem hier angesprochenen Fall sehen kann, sind Fehlbeurteilungen trotz größter Sorgfalt möglich. Sie sind vor der Perspektive des missbrauchten Mädchens schier unerträglich.
Dank des auch im Bundesvergleich exzellenten Prognoseniveaus, das wir auch seiner konsequenten Entwicklung in den 10 Jahren der Vorgängerregierung verdanken, handelt es sich glücklicherweise um höchst seltene Ausnahmefälle.
2014 wurden landesweit aus dem geschlossenen Vollzug heraus 14.404 Ausgänge und 1.287 Urlaube bzw. Langzeitausgänge gewährt. Insgesamt kehrten aus diesen Maßnahmen 15 Personen nicht oder nicht rechtzeitig in den geschlossenen Vollzug zurück. Die Quote der sogenannten Nichtrückkehrer lag bei den Ausgängen bei 0,0903 % und bei den Urlauben bzw. Langzeitausgängen bei 0,15554 %.
Diese Zahlen sprechen für sich und für den niedersächsischen Strafvollzug, auf dessen Arbeit wir alle mit gutem Grund vertrauen können!
Eine dieser 15 Personen, die ich gerade genannt habe, ist auch der Sicherungsverwahrte, der sich am 02.10.2014 am Rande der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am Maschsee seiner Begleitung entzogen hat und vorübergehend flüchtig war. Er konnte am 08.10.2014 in Göttingen ergriffen werden. Er war nach seinen glaubwürdigen Angaben auf dem Rückweg in die nahe gelegene Justizvollzuganstalt Rosdorf. Anhaltspunkte dafür, dass der Sicherungsverwahrte während seiner Flucht Straftaten begangen haben könnte, gibt es nicht.
Sie verzerren in Ihrer Frage nicht nur die Wirklichkeit. Sie zeichnen auch ein Bild, als seien aus diesen beiden genannten Fällen keine Konsequenzen gezogen worden. Sie könnten es besser wissen!
Der Vorfall in Lingen hat zu einer umfangreichen Überprüfung nicht nur des Einzelfalls, sondern auch der Therapieverläufe aller in sozialtherapeutischen Abteilungen des Landes untergebrachten Sicherungsverwahrten geführt. In der Folge wurden drei Sicherungsverwahrte aus der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Lingen abgelöst und in die Justizvollzugsanstalt Rosdorf verlegt.
Zu den Ergebnissen der Überprüfung des Einzelfalls sowie zu den Gründen der Verlegungen ist der Unterausschuss Justizvollzug und Straffälligenhilfe in vertraulicher Sitzung umfassend unterrichtet worden.
Jeder Einzelfall gibt uns Anlass, etwaige Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen! Das ist selbstverständlich und Teil einer seit langem gelebten Praxis des niedersächsischen Justizvollzuges.
In Reaktion auf den Vorfall am 02.10.2014 sind zwei Arbeitsgruppen unter Federführung meines Hauses und unter Beteiligung von mehreren Leiterinnen und Leitern der Justizvollzugseinrichtungen des Landes eingerichtet worden, die unter Hochdruck zwei Allgemeinverfügungen, eine für den Vollzug der Freiheits- und Jugendstrafe und eine für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, erarbeitet haben.
Die Allgemeinverfügungen ersetzen die bisherigen Regelungen zum Verfahren zur Anordnung von Lockerungen des Vollzuges und von vollzugsöffnenden Maßnahmen sowie zur Unterbringung im offenen Vollzug vollständig. Diese Bestimmungen waren bisher in den Niedersächsischen Ausführungsvorschriften für den Strafvollzug und in den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz sowie in verschiedenen Erlassen geregelt.
Es handelt sich um sehr komplexe Regelungswerke, die eine enge Abstimmung mit den in den Arbeitsgruppen vertretenen Leiterinnen und Leitern der Justizvollzugseinrichtungen erfordert haben und durch Schulungsmaßnahmen flankiert werden müssen. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen sind allen Leiterinnen und Leitern der niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen am 25.02.2015 auf einer Dienstbesprechung vorgestellt worden und sind nach redaktionellen Abstimmungen im Nachgang zu dieser Sitzung gestern von mir gebilligt worden. Für den 25.03.2015 ist eine zentrale Schulungsmaßnahme für die stellvertretenden Anstaltsleitungen zu den neuen Regelungen im Justizministerium geplant. Die Regelungen werden zum 01.04.2015 in Kraft treten.
Gerne stellen wir Ihnen die Regelungen zeitnah nach ihrem Inkrafttreten im Unterausschuss Justizvollzug und Straffälligenhilfe vor. Ich hoffe sehr auf Ihr Interesse.
Für die Sicherungsverwahrten der Justizvollzugsanstalt Rosdorf ist ergänzend ein gesondertes Risikomanagement entwickelt worden, das durch eine besondere Regelung der Anstalt eingeführt wurde und bereits zur Anwendung kommt. Danach sind die Sicherungsverwahrten nunmehr verpflichtet, vollzugsöffnende Maßnahmen jeweils vier Wochen vor dem Termin mittels eines Planungsbogens, der das Ziel und den gewünschten Ablauf der Maßnahme beschreibt, zu beantragen. Im Rahmen einer wöchentlich stattfindenden Konferenz wird über die räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Rahmenbedingungen der Maßnahmen entschieden. Das Ergebnis der Konferenz wird jeweils in einem Formblatt dokumentiert. Die aufsichtführenden bzw. begleitenden Bediensteten fertigen nach Durchführung einer jeden vollzugsöffnenden Maßnahme einen Verhaltensbericht.
Die Maßnahmen werden von den Wohngruppenleitungen in Gesprächen mit den Sicherungsverwahrten nachbereitet. Sie sehen, es wurden in den vergangenen Monaten umfangreiche Maßnahmen ergriffen.
Aber auch aufgrund dieser neuen Regularien werden es immer die Menschen im Strafvollzug sein, die die Verantwortung für Prognosen und daraus folgenden Entscheidungen tragen müssen. Immer haben sie auch die Folgen vor Augen, wenn eine Beurteilung fehlerhaft ist. Und dennoch müssen sie im Interesse einer erfolgreichen Resozialisierung über Lockerungen nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, wohl wissend, dass sie nicht allwissend sind. Dazu verpflichtet unser Grundgesetz und die hierauf bauende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Das ist gut und richtig so.
Für diese Arbeit, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzuges manchmal nicht schlafen lässt, gebührt ihnen unser Dank und Anerkennung!
Ich komme nun zur Weitergabe vertraulicher Informationen aus Ermittlungsverfahren.
Es trifft zu, dass in einzelnen Ermittlungsverfahren, unter anderem dem gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy, mehrfach vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Jede Geheimnisverletzung zieht einen Vertrauensverlust nach sich. Dies gilt für alle Lebensbereiche. Es darf jedoch nicht sein, dass Verfehlungen einzelner dazu führen, die Integrität der Justiz insgesamt in Frage zu stellen. Dem lässt sich nur durch eine sorgfältige und umfassende Aufklärung entgegenwirken.
Soweit es in dem Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Edathy zu Geheimnisverletzungen gekommen ist, gestaltet sich eine Aufklärung schon deshalb schwierig, weil ein kaum begrenzbar großer Personenkreis Kenntnis der Akteninhalte hat. Das sind zunächst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Behörden und Gerichte sowie der Angeklagte und sein Verteidiger. Durch diverse Aktenvorlagen an parlamentarische Gremien des niedersächsischen Landtages und des Deutschen Bundestages - teilweise noch vor Abschluss des Strafverfahrens - ist die Zahl derjenigen, die Zugang zu den Informationen hatten, kaum noch rekonstruierbar.
Zur umfassenden Aufklärung der den Verdacht der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht begründenden Vorfälle wurden und werden bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren geführt.
Nachdem während der Durchsuchung der Privatwohnung des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy ein Reporter der Nienburger Lokalzeitung „Die Harke“ erschienen war und Fotos vom Inneren der Wohnung gefertigt hatte, wurde nicht nur wegen dieses Vorfalls, sondern auch weil der Reporter möglicherweise vorab über den Termin informiert worden sein könnte, von der Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 1141 Js 25824/14 (vormals 1141 UJs 11665/14) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und später an die Staatsanwaltschaft Lüneburg abgegeben. Das Verfahren wurde am 23.06.2014 nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt.
In dem Ursprungsverfahren gegen Sebastian Edathy hatte sich die Staatsanwaltschaft Hannover vor der Aufnahme von Ermittlungen mit Schreiben vom 06.02.2014 an den Präsidenten des Deutschen Bundestags gewandt, um diesem die von ihr beabsichtigte Verfahrenseinleitung anzuzeigen. Da das Schreiben erst am 12.02.2014 und zudem in einem geöffneten Briefumschlag bei der Bundestagsverwaltung eintraf, leitete die Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 1141 UJs 13155/14 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein. Das Verfahren ist am 23.04.2014 nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden.
Am 13.02.2014 wurde der Staatsanwaltschaft Hannover aus Pressemeldungen bekannt, dass der damalige Innenminister Friedrich den SPD-Vorsitzenden Gabriel bereits im Oktober 2013 über mögliche Ermittlungen gegen Herrn Edathy informiert habe, woraufhin im Anschluss mehrere SPD-Spitzenpolitiker den höchstvertraulichen Sachverhalt erfahren haben sollen. Deswegen ist am 19.02.2014 ein Ermittlungsverfahren unter dem Aktenzeichen: 1141 UJs 14464/14 eingeleitet worden, das ebenfalls den Verdacht der Verletzung von Dienstgeheimnissen zum Gegenstand hat. Dieses Verfahren richtet sich gegen potentielle unbekannte dritte „Tippgeber“ und wird von der Staatsanwaltschaft Lüneburg bearbeitet. Das dortige Aktenzeichen lautet 5101 Js 34094/14, vormals 5101 UJs 12761/14. Die Ermittlungen dauern an.
Aus Anlass der gegen Sebastian Edathy geführten Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 14.02.2014 im Rahmen der Landespressekonferenz die anwesenden Medienvertreter über den Gegenstand des Verfahrens und den Stand der Ermittlungen unterrichtet. Deswegen ist es zu Strafanzeigen gekommen, in denen der Vorwurf der Verletzung des Dienstgeheimnisses durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Hannover erhoben worden ist. Die Staatsanwaltschaft Bückeburg, der die Prüfung dieses Vorwurfes übertragen worden ist, hat das dort unter dem Aktenzeichen 409 Js 1919/14 geführte Verfahren am 12.08.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht hat die Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 1101 UJs 37769/14 eingeleitet, als Teile des Abschlussberichts des Landeskriminalamtes Niedersachsen aus dem Ursprungsverfahren gegen Sebastian Edathy bekannt wurden. Hierbei handelt es sich um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg führte in der Folgezeit unter dem Aktenzeichen 5101 UJs 14337/14 ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Geheimnisverrats. Dieses Verfahren geht auf eine Strafanzeige des Verteidigers zurück, der den Vorwurf erhebt, einem Journalisten des „Berliner Kuriers“ sei ein Vorgang der Staatsanwaltschaft Hannover, der ein Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers in die Akten des Verfahrens 3714 Js 9585/14 enthalte, zugänglich gemacht worden. Im Zuge der Ermittlungen wurde auch Korrespondenz mit der Bundestagsverwaltung geführt. Nachdem aus einem Schreiben der Bundestagsverwaltung vom 04.04.2014 in der Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert worden sein soll, wurden auch insoweit Ermittlungen aufgenommen. Das Aktenzeichen lautet 5101 UJs 14341/14. Die Ermittlungen in diesen Verfahren dauern noch an.
Nachdem verschiedene Medien in jüngster Vergangenheit berichtet hatten, ihnen würden die Akten des Verfahrens gegen Sebastian Edathy vorliegen, und darüber hinaus vertrauliche Informationen aus den Akten sogar einzelne Aktenbestandteile veröffentlicht worden waren, wurden weitere Verfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht eingeleitet. Auch insoweit dauern die Ermittlungen an.
Soweit zunächst ein Überblick über die laufenden Ermittlungen wegen Geheimnisverrats im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Sebastian Edathy. Wir können darauf vertrauen, dass die niedersächsische Justiz auch weiterhin konsequent und ohne Ansehen der Person allen Verdachtsfällen nachgehen wird. Die Ergebnisse der noch laufenden Ermittlungsverfahren müssen wir aber mit der gebotenen Geduld abwarten.
Ich komme zum Korruptionsfall im Landesjustizprüfungsamt.
Das Strafverfahren wegen des Verkaufs von Examensleistungen gegen den Richter L. ist zwischenzeitlich in erster Instanz abgeschlossen.
Das Landgericht Lüneburg hat den Richter und ehemaligen Referatsleiter im Landesjustizprüfungsamt am 26.02.2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dem Urteil liegen sechs Fälle der Verletzung von Dienstgeheimnissen und sechs Fälle der Bestechlichkeit zugrunde. In vier Fällen der Bestechlichkeit erfolgte die Verurteilung tateinheitlich mit versuchter Nötigung, in einem dieser Fälle tateinheitlich mit der Verletzung von Dienstgeheimnissen. Daneben hat die Kammer den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000,00 € angeordnet und den Haftbefehl aufrecht erhalten. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.
Die Aufarbeitung des Vorfalls zeigt, dass wir in Niedersachsen eine leistungsstarke und unabhängige Justiz haben. Lassen Sie mich die Ereignisse und das prompte Reagieren hierauf noch einmal skizieren:
Ende Februar/Anfang März 2013 fielen im Zusammenhang mit Prüfungsleistungen eines Kandidaten in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zum ersten Mal Unregelmäßigkeiten auf, die den Verdacht eines Sicherheitsvorfalls im Landesjustizprüfungsamt begründeten.
Daraufhin hat mein Haus den Sachverhalt umfassend geprüft und am 11. April 2013 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Verden erstattet. Das aufgrund dieser Strafanzeige des Niedersächsischen Justizministeriums eingeleitete Ermittlungsverfahren ist am 24. Oktober 2013 durch die Staatsanwaltschaft Verden gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Die auffälligen Notensteigerungen bei diesem Kandidaten konnten damals nicht aufgeklärt werden; insbesondere gab es keinerlei Hinweise auf Bestechlichkeit von Mitarbeitern des Landesjustizprüfungsamts. In der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Verden vom 24. Oktober 2013 heißt es:
„Die durchgeführten Ermittlungen haben keine Hinweise darauf ergeben, dass der Beschuldigte über einen Mitarbeiter des LJPA vorab Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt hat.“ Dieser Einstellung lag der Abschlussbericht des Landeskriminalamts vom 30. Juli 2013 zugrunde. Dort heißt es ebenfalls: „Die durchgeführten Ermittlungen haben den Verdacht, der Beschuldigte habe Prüfungsunterlagen von Mitarbeitern des LJPA erhalten und dafür eine Gegenleistung erbracht, nicht bestätigt.“ Ein Hinweis auf eine Manipulation durch den jetzt verurteilten Richter L. lag nicht vor.
Den Anstoß für die konkreten Ermittlungen gegen den Richter L. gab im Januar 2014 eine Referendarin. Wir haben den Hinweis sofort der Staatsanwaltschaft in Verden zur Kenntnis gebracht.
Nachdem es dem Beschuldigten zunächst gelungen war zu flüchten, hatte die europaweite Fahndung schon nach wenigen Tagen Erfolg. Die italienische Polizei hat den Beschuldigten in Mailand festgenommen. Er wurde zunächst in Italien verurteilt und anschließend nach Deutschland verbracht. Dort wurde er dem zuständigen Ermittlungsrichter zur Verkündung des deutschen Haftbefehls vorgeführt. Seither befindet er sich in Haft.
Vom Beginn der verdeckten Ermittlungen bis zur Festnahme hat das Ermittlungsverfahren nur 2 Monate gedauert. Auch die Hauptverhandlung hat kaum mehr als 2 Monate gedauert. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte haben in diesem Verfahren schnell und sorgfältig gearbeitet.
Ich komme nun zu den umfangreichen Maßnahmen, die wir bereits ab März 2013 im Landesjustizprüfungsamt veranlasst haben.
Parallel zum Ermittlungsverfahren wurde der IT-Sicherheitsbeauftragte für die Niedersächsische Justiz unmittelbar nach Bekanntwerden dieses ersten Sicherheitsvorfalls im April 2013 mit einer gutachterlichen Expertise zur Verbesserung der Sicherheitsstrukturen beauftragt.
Als Ergebnis wurde ein Sicherheitskonzept vorgelegt und zügig umgesetzt. Dieses Sicherheitskonzept umfasst sowohl technische als auch organisatorische Veränderungen. Ich nenne Ihnen einige Beispiele:
Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zugang zu Prüfungsaufgaben und Lösungshinweisen haben, ist auf das unbedingt notwendige Maß reduziert.
Die sensiblen Daten sind verschlüsselt, auch USB-Sticks sind verschlüsselt und die Mitarbeiter sind mit sicheren Notebooks ausgestattet.
Regelungen zur Vervielfältigung und Lagerung der Klausuren sind eingeführt, die sowohl das Landesjustizprüfungsamt selbst betreffen, als auch alle anderen Standorte, an denen Klausuren geschrieben werden. Außerdem werden versiegelte Umschläge für die Versendung von Klausuren und Aktenvorträgen verwendet.
All das gab es vorher nicht!
Weitere Einzelheiten des Konzepts kann ich aus Gründen der Sicherheit an dieser Stelle nicht nennen. Es ist selbstverständlich notwendig, im Landesjustizprüfungsamt fortlaufend an der Verbesserung der Sicherheitsstandards zu arbeiten; und das geschieht auch mit allem Nachdruck.
Zusätzlich zur Einführung des Sicherheitskonzeptes im Landesjustizprüfungsamt haben wir noch weitere Maßnahme ergriffen:
Aufgrund der von der Staatsanwaltschaft Verden mitgeteilten Ermittlungsergebnisse wurden die Landesjustizprüfungsämter aller Bundesländer über den bestehenden Verdacht unterrichtet.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe habe ich den Austausch der Klausuren für den Anfang April 2014 begonnenen Durchgang der Zweiten Juristischen Staatsprüfung veranlasst. So konnte ausgeschlossen werden, dass Prüfungstexte durch das Verhalten des Verurteilten einzelnen Kandidatinnen oder Kandidaten des laufenden Examensdurchgangs bekannt waren. Alle Klausuren des zeitlich folgenden Durchgangs der Ersten juristischen Staatsprüfung wurden ebenfalls vorsorglich ausgetauscht.
Zudem habe ich noch Ende März 2014 beschlossen, sämtliche Prüfungsleistungen zum Zweiten Juristischen Staatsexamen, die seit September 2011 abgelegt wurden, umfassend überprüfen zu lassen. Mit dieser Überprüfung haben wir sofort begonnen und von April bis Dezember 2014 sämtliche Prüfungsleistungen des Zweiten juristischen Staatsexamens seit September 2011 kontrolliert.
Diese Maßnahme hat maßgeblich dazu beigetragen, das Prüfungswesen für unseren juristischen Nachwuchs in Niedersachsen in ruhiges Fahrwasser zu lenken und das Vertrauen in das Landesjustizprüfungsamt und in die niedersächsischen Absolventinnen und Absolventen zu bestätigen.
Mehr als 200 Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Beamtinnen und Beamte aus ganz Niedersachsen haben sich als Sonderprüferinnen und Sonderprüfer engagiert. Sie haben die Klausuren mit ganz unterschiedlichem Zeitbudget neben ihren regulären dienstlichen Verpflichtungen überprüft. Die Sonderprüferinnen und Sonderprüfer haben sich auf einen Aufruf des Justizministeriums hin freiwillig gemeldet.
In einem gewaltigen Kraftakt beispielloser Solidarität haben sie die Klausuren neben ihren regulären dienstlichen Verpflichtungen überprüft. Die Tätigkeit der Sonderprüferinnen und Sonderprüfer wurde nicht monetär vergütet, weil es dafür - leider, muss ich sagen - keine Rechtsgrundlage gibt. Von den Sonderprüfern habe ich oft zu hören bekommen: „Das ist Ehrensache.“ Dieses großartige Engagement verdient höchsten Respekt und den Dank der Landesregierung.
Insgesamt wurden die Prüfungsleistungen von rund 2.000 Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Zeitraum von September 2011 bis März 2014 überprüft. In diesem Zeitraum wurden mehr als 14.000 Klausuren angefertigt. Es sind sämtliche Klausuren aus dem oben genannten Zeitraum auf statistische bzw. inhaltliche Auffälligkeiten überprüft worden.
Trotz dieses gewaltigen Umfangs konnten die Sonderprüfungen bereits Mitte Dezember 2014 abgeschlossen werden. Mehr als 99 % der Kandidaten sind „sauber“. In 15 Fällen besteht Anlass zu der Annahme, dass die Prüfungsleistungen auf unredliche Weise erzielt wurden. In diesen Verdachtsfällen werden Verfahren zur Aberkennung des Zweiten juristischen Staatsexamens geführt. Zum Teil sind diese Verfahren sogar schon abgeschlossen, indem die Aberkennung der Prüfungsentscheidung rechtskräftig geworden ist.
Zum Stand der einzelnen Verfahren haben wir den Rechtsausschuss in vertraulicher Sitzung unterrichtet. Am Ende der ausführlichen Unterrichtung sind keine Fragen offen geblieben.
Das Ergebnis, das ich Ihnen eben dargestellt habe, zeigt auf, dass die übergroße Mehrheit der Examenskandidaten ehrlich gearbeitet hat. Ich bin erleichtert und zufrieden, dass der Generalverdacht der Täuschung wieder von ihnen genommen ist und sie ihren Berufsweg unbelastet weitergehen können.
Mit der konsequenten Durchführung der Sonderprüfungen konnten wir ein starkes Signal setzen, dass die niedersächsische Justiz bei konkreten Verdachtsmomenten schnell, entschlossen und konsequent handelt.
Die Erkenntnisse der mehr als 200 Sonderprüferinnen und Sonderprüfer werde ich auch über den eigentlichen Prüfauftrag hinaus nutzen, um die Abläufe bei der Juristischen Staatsprüfung zu optimieren. Diese - wenn auch unfreiwillige - Evaluation des Korrekturverlaufs, wollen wir nicht ungenutzt lassen.
Ich habe mich außerdem mit der Frage befasst, ob wir mit dem Sicherheitscheck im ersten Durchgang schon alles Nötige veranlasst haben. Ich habe deshalb die Maßnahmen und unsere Anti-Korruptionsstrategie für das Prüfungsamt durch die Fachleute der „Zentralstelle Korruption“ des Landeskriminalamtes überprüfen lassen.
Das Landeskriminalamt hat neben seiner fachlichen Expertise einen von mir ausdrücklich gewünschten „Blick von außen“ beigesteuert. Dabei ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass die technischen und organisatorischen Vorkehrungen „optimal“ sind.
Mein Haus hat zudem bei den übrigen Bundesländern abgefragt, ob für die dortigen Landesjustizprüfungsämter besondere organisatorische Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung vorhanden oder geplant sind.
Die Berichte der Länder wurden ausgewertet und gute Anregungen zur Ablauforganisation werden selbstverständlich aufgegriffen. Ich werde außerdem einen regelmäßigen Wechsel der hauptamtlichen Prüferinnen und Prüfer etablieren. Auch den gab es in der Vergangenheit nicht! Wir aktualisieren auch den von der Vorgängerregierung vorgefundenen Korruptionsatlas.
Die Vorgängerregierung hatte dort die Mitarbeiter des Prüfungsamtes als „wenig korruptionsgefährdet“ eingeordnet. Leider mussten wir etwas anderes erfahren.
Alle geschilderten Maßnahmen dienen dazu, das Vertrauen in das Justizprüfungsamt und in die niedersächsische Justiz insgesamt zu erhalten und zu stärken. Zugleich tragen sie dazu bei, die von dem Korruptionsvorfall erschütterten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Prüfungsamtes für ihre tägliche Arbeit neu zu motivieren.
Kommen wir zum Dienstwagenkomplex.
Gegen den Präsidenten der Niedersächsischen Landesschulbehörde hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg am 17. Januar 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des Landes Niedersachsen aufgrund von Privatfahrten mit einem Dienstkraftfahrzeug eingeleitet.
Vielfach sind die in dem Verfahren ergriffenen Maßnahmen angegriffen worden, auch teilweise von Abgeordneten dieses Hauses. Deshalb darf ich auf folgendes hinweisen:
Die während des Ermittlungsverfahrens durchgeführten Observationen und Durchsuchungsmaßnahmen sowie der Einsatz technischer Mittel sind jeweils auf Anordnung eines Richters, nämlich des zuständigen Ermittlungsrichters bei dem Amtsgericht in Lüneburg erfolgt. Dieser hat das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einschließlich der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen bejaht. Wie Sie alle wissen, ist die Landesregierung aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt daran gehindert, die richterlichen Entscheidungen zu kommentieren oder gar eigene Erwägungen zur Frage der Verhältnismäßigkeit anzustellen. Von jeder weiteren Beurteilung sehe ich deshalb an dieser Stelle ab.
Soweit das Handeln der Staatsanwaltschaft in Rede steht, ist es mir wichtig, die Aufgabe und Stellung der Staatsanwaltschaft im System des Strafprozesses noch einmal zu verdeutlichen. Anders als in den meisten anderen Rechtssystemen und anders als es beispielsweise in Filmen oft dargestellt wird, ist es nämlich nicht in erster Linie Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Beschuldigte zu überführen. Es ist vielmehr ihre Aufgabe, den Sachverhalt zu erforschen, wie es in § 160 StPO formuliert ist.
Danach hat sie nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund können Ermittlungen einen zunächst bestehenden Tatverdacht bestätigen, sie können jedoch auch dazu führen, den Beschuldigten von gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu entlasten. Ich möchte das an dieser Stelle betonen: Es kann sein, dass die Staatsanwaltschaft mit großem Aufwand Ermittlungen betreibt, um am Ende festzustellen, dass sich der anfängliche Verdacht nicht bestätigt hat. Das ist keine Niederlage, sondern reguläre Aufgabenerfüllung. Hierin liegt keine Schwäche des Ermittlungsverfahrens, sondern gerade seine rechtsstaatliche Stärke.
Darauf sollten wir und können wir stolz sein! Es ist gut, dass unsere Staatsanwaltschaften die Sachverhalte bei bestehenden Verdachtsmomenten umfänglich aufklären; und dies mit offenem Ergebnis, frei von Vorverurteilungen und voreiligen Schlüssen. Dies zu begleiten und zu bewahren ist unser aller Aufgabe.
Zuletzt zu meiner Unterrichtung dieses Hohen Hauses im vergangenen Monat.
Es ist ausgesprochen bitter, dass die Information über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Generalstaatsanwalt in Celle offenbar bereits im Internet zu lesen war, kurz bevor ich Gelegenheit hatte, in der Plenarsitzung am 20. Februar das Hohe Haus persönlich zu unterrichten.
Ich muss nicht extra betonen, dass dies der Informationspolitik meines Hauses diametral entgegenläuft. Sie haben das zu Recht kritisiert; ich schließe mich Ihrer Kritik an. Mir ist aber nicht bekannt, auf welche Weise die Informationen an die Presse gelangt sind und wer dafür verantwortlich sein könnte. Ich habe deshalb auch keine weiteren Maßnahmen ergreifen können. Die Staatsanwaltschaft, der die Informationen über diesen Vorgang zugänglich sind, hat bisher ebenfalls keinen Anlass gesehen, Ermittlungen aufzunehmen.
Zur Beantwortung der Fragen Nr. 1 und 2 darf ich auf meine soeben getätigten Aussagen verweisen.
Ihre dritte Frage schließlich unterstellt, dass das Vertrauen in die niedersächsische Justiz und ihr Ansehen in der rot-grünen Regierungszeit verloren gegangen wären. Dem möchte ich in aller Entschiedenheit widersprechen. Die niedersächsische Justiz war in den vergangenen Jahren mit einer Reihe sehr schwieriger Verfahren konfrontiert. Diese hatten ihren Ursprung längst nicht alle in der aktuellen Regierungszeit, sondern lagen weit davor.
Nennen darf ich nur die Vorgänge um die sogenannten Krankenhausmorde in Oldenburg, das Verfahren gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff und den Korruptionsfall im Landesjustizprüfungsamt. All diesen Herausforderungen hat sich die Justiz gestellt. Dass es dabei auch Fehler gab, die abzustellen sind, ist klar und bedarf keiner besonderen Erwähnung. Fehler sind aber auch menschlich und kommen deshalb auch in der Justiz vor. Sie können darauf vertrauen: Die Justiz wird täglich nach besten Kräften daran arbeiten, Fehler zu vermeiden.
Es hat die Sache für die Justiz nicht immer leichter gemacht, dass diese Verfahren zum Gegenstand ausführlicher parlamentarischer und medialer Befassung gemacht wurden; und zwar gleichsam in einem Parallelverfahren, in dem einzelne Ermittlungsschritte in Echtzeit öffentlich diskutiert wurden. Aber auch diesem Phänomen muss sich die Justiz stellen.
Die Justiz, insbesondere die Strafjustiz, steht immer im Fokus der Kritik. Das ist Teil ihres normalen Geschäftes. Das liegt an ihrer schwierigen Stellung im Spannungsfeld von öffentlichem Ermittlungsinteresse und den Rechten des Einzelnen.
Die Justiz stellt sich dieser Kritik in der öffentlichen Debatte, in einer Vielzahl von Veranstaltungen und in der kritischen Selbstreflexion. Vor allem aber bestätigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Niedersächsischen Justiz tagtäglich durch ihre gute, sorgfältige Arbeit das Vertrauen der Menschen in diesem Land in den Rechtsstaat. Das sollten wir alle hier im hohen Haus von Kräften unterstützen und nicht durch die Skandalisierung von Einzelfällen oder die Verzerrung der Wirklichkeit unnötig erschweren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Artikel-Informationen
erstellt am:
19.03.2015
Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt
Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181