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Rede der Nds. Justizministerin Niewisch-Lennartz zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU (Drs. 17/3341) „Wie viele Straftaten konnten bislang ohne die Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten in Niedersachsen nicht aufgeklärt werden?"

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16. Juli 2015, TOP 37


Es gilt das gesprochene Wort!

„Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wird sowohl im Bund als auch in Niedersachsen kontrovers diskutiert. Wir haben das eben und in der Vergangenheit ja auch in diesem Haus erlebt. Mit Sorge beobachte ich dabei, dass diese Diskussion teilweise sehr emotional geführt wird: Die Vorratsdatenspeicherung wird von den einen - fälschlicherweise - zum Garanten für eine absolute Sicherheit erhoben. Skeptiker müssen sich den pauschalen Vorwurf gefallen lassen, sie stünden einer effektiven Strafverfolgung im Weg und nähmen es billigend in Kauf, dass schwerste Straftaten nicht aufgeklärt werden könnten und damit ungesühnt blieben.

Genau in diese Richtung zielen auch die von Ihnen gestellten Fragen. Von anderer Seite wird ebenso fälschlicherweise vertreten, der Entwurf der Bundesregierung sei das Ende jeden Datenschutzes. Wir haben Ihnen die beim LKA Niedersachsen geführte Statistik ausführlich dokumentiert. In ihr sollen sämtliche Fälle erfasst werden, in denen die Abfrage von Telekommunikationsverbindungsdaten nicht zum Erfolg geführt hat oder aufgrund der derzeitigen Bestimmungen gar nicht erst gestellt wurde.

Die in der Statistik genannten Fallzahlen beruhen auf einer fachlichen Einschätzung des LKA. Nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen. Ob die Abfrage ein Ergebnis gehabt hätte, und wenn ja welches und ob diese Erkenntnisse zur Überführung eines Täters geführt hätten, das wissen wir nicht. Niemand kann in die Zukunft sehen! Dass in den statistisch erfassten Fällen im Falle einer Vorratsdatenspeicherung Ermittlungsergebnisse zu erzielen gewesen wären, ist gut möglich. Mit Sicherheit, vor allen Dingen mit valider statistischer Sicherheit hinsichtlich der Quote kann das aber niemand sagen!

Jedes nicht aufgeklärte Verbrechen hinterlässt einen besonders bitteren Nachgeschmack, bei den Bürgern und bei den Ermittlern. Die dargestellte Statistik erlaubt aber nicht den Rückschluss, dass durch eine Vorratsdatenspeicherung ein Allheilmittel gegeben wäre.

Ich denke, das Thema ist viel zu komplex, um es einer „Schwarz-Weiß-Malerei“ zu überlassen.

Ich möchte an dieser Stelle eine Passage aus dem Urteil des BVerfG zitieren, die es für mich auf den Punkt bringt: Die Richter haben ausgeführt, dass „die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet (ist), ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann.“

Ein generelles Verbot der Vorratsdatenspeicherung hat das BVerfG nicht ausgesprochen. Ob eine Vorratsdatenspeicherung nach den Maßgaben der Entscheidung des EuGH zu realisieren ist, wird vielfach bestritten.

Zusammengefasst: Die Vorratsdatenspeicherung berührt die Grundrechtsausübung der Bürgerinnen und Bürger in einer Vielzahl von Lebenssachverhalten und betrifft damit existenzielle Bürgerrechtsfragen. Wir sind meines Erachtens gut darin beraten, einer Beschränkung von Bürgerrechten immer mit gehöriger Skepsis gegenüberzustehen - gleich aus welchen achtenswerten Motiven heraus sie erfolgen soll. Eine solche Beschränkung muss - soweit erforderlich - auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Der verständliche Wunsch nach größtmöglicher Sicherheit darf nicht auf Kosten der Freiheit gehen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass wir die Notwendigkeit einer effektiven Strafverfolgung und Gefahrenabwehr aus dem Blick nehmen dürfen. Sicherheitsbehörden müssen diejenigen Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Kriminalität tatsächlich unverzichtbar sind, zur Verfügung stehen. Natürlich muss der Staat auch die Grundrechte der Opfer von Straftaten schützen.

Für mich ist wichtig, dass wir an dieser Stelle einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen suchen: namentlich zwischen dem Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und dem staatlichen Ziel der effektiven Bekämpfung schwerer Kriminalität zum Schutze der Bürgerinnen und Bürger andererseits. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 12. Juni 2015 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten keine Stellung genommen. Von den Empfehlungen der Ausschüsse war keine mehrheitsfähig. Wir dürfen daher auf die weitere Beratung im Deutschen Bundestag gespannt sein.

Und lassen Sie mich abschließend noch den letzten Punkt Ihrer Anfrage ansprechen, sehr geehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion:

Einen Zusammenhang zwischen den von der IT-Sicherung des Deutschen Bundestages bei dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Edathy gesicherten Daten und der Vorratsdatenspeicherung gibt es nicht. Die IT-Sicherung im Deutschen Bundestag betrifft nur interne Vorgänge. Mit der Frage der Vorratsdatenspeicherung hat dies nichts zu tun.

Vielen Dank.“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.07.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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