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Landtagsrede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz: „Gerechtigkeit für die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in Deutschland! Rehabilitierung durchsetzen!“

Sitzung des Nds. Landtages am 12. Mai 2015, Abschließende Beratung (TOP 10)


(Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, LT-Drs. 17/2716)

In den letzten Jahren hat es mehrfache Versuche gegeben, die homosexuellen Männer, die von bundesdeutschen Strafgerichten wegen ihrer Homosexualität verurteilt worden sind, zu rehabilitieren. All diese Bestrebungen sind bislang ohne Erfolg geblieben. Die Landesregierung begrüßt es daher nachdrücklich, dass die Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen dieses wichtige Thema aktiv weiter vorantreiben. Die Landesregierung wird der Initiative nachkommen und sich auf Bundesebene für eine vollständige Rehabilitierung und Entschädigung derjeniger Männer einsetzen, die nach 1945 gemäß § 175 StGB und nach den entsprechenden Normen in der DDR verurteilt wurden.

Die Landesregierung begrüßt es ausdrücklich, dass die Fraktion der CDU sich mit dem vorliegenden Änderungsantrag an der konstruktiven Auseinandersetzung beteiligt. Es kommen allerdings verschiedene Wege der Rehabilitierung der Betroffenen in Betracht. Den Fokus jetzt schon auf eine bestimmte Form der Umsetzung zu verengen, würde der rechtlichen und tatsächlichen Komplexität der Materie nicht gerecht werden. Was wir jetzt brauchen, ist ein ergebnisoffener Diskussionsprozess aller Länder. Die möglichen Lösungsansätze möchte ich kurz skizzieren:

Erstens: Als erste Form der Rehabilitation bietet sich die Kassation der strafgerichtlichen Urteile durch ein Gesetz an. Dies entspräche der Vorgehensweise wie bei den Verurteilungen während der NS-Zeit, wirft aber beachtliche verfassungsrechtliche Fragestellungen auf. Denn die Generalkassation von Strafurteilen durch den Bundesgesetzgeber bedarf angesichts des Gewaltenteilungsgrundsatzes der besonderen Rechtfertigung. Zudem sind die Verurteilungen unter der Geltung des Grundgesetzes in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren ergangen. Und schließlich werden mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG Bedenken geäußert, weil strafgerichtliche Verurteilungen z. B. wegen Ehebruchs oder Kuppelei von den Rehabilitationstatbeständen nicht erfasst werden sollen. Die dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken sind auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen, schließen diese Form der Rehabilitation aber nicht von vornherein aus.

Zweitens: Als alternativer Ansatz der Rehabilitation kommt die Schaffung eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes für die rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren in Betracht. Dies könnte durch eine Erweiterung des Katalogs der Wiederaufnahmegründe in § 359 StPO geschehen. Denkbar wäre auch eine Regelung in Anlehnung an § 79 BVerfGG, der ein Wiederaufnahmeverfahren u. a. vorsieht, wenn eine strafgerichtliche Verurteilung auf einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Norm beruht. Kritisch wird dieser Ansatz mit dem Argument betrachtet, dass ein Wiederaufnahmeverfahren angesichts der zum Teil lange zurückliegenden Urteile unzulänglich oder ungeeignet sein könnte. Damit verbundene Schwierigkeiten könnte jedoch der Bundesgesetzgeber eventuell dadurch ausräumen, dass die gesetzlichen Regelungen nach erfolgter Wiederaufnahme die Einstellung der Strafverfahren eröffnen. Diese Art der Rehabilitation gibt jedenfalls der Rechtsprechung selbst die Chance, die Verurteilungen aus der Welt zu schaffen.

Drittens: Als weitere Rehabilitationsform kommt schließlich die Beseitigung der strafrechtlichen Konsequenzen der früheren Verurteilungen in Betracht, indem etwa die Verurteilungen aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.

Bei den aufgezeigten möglichen Lösungsansätzen der Rehabilitation ist immer auch zugleich die Frage nach der Entschädigung der Betroffenen in den Blick zu nehmen. Denn die Wirkungen der Verurteilungen erschöpfen sich für die Betroffenen nicht in dem Strafausspruch, sondern führten zugleich zu einer gesellschaftlichen Ausgrenzung.

Aus Sicht der Landesregierung muss der Diskussionsprozess über die Ausgestaltung der Rehabilitierung unter Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen rasch vorangetrieben werden. Ich habe das Thema daher für die im nächsten Monat stattfindende Justizministerkonferenz angemeldet. Das Ziel ist, eine gemeinsame Haltung in der Frage zu erreichen und diese Haltung auch mit Nachdruck gemeinsam gegenüber der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag zu vertreten. Wir brauchen jetzt eine gemeinsame Stimme gegenüber der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag. Dafür werde ich mich einsetzen. Die Justizministerkonferenz ist dafür das richtige Forum. Denn dass die Rehabilitierung längst überfällig ist, darin sind wir uns alle einig.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
12.05.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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