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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Göttingen als Standort eines Sozialgerichts (Teil 2)"

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. März 2015, Mündliche Anfrage Nr. 3


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 3 der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta und Ronald Schminke (SPD):

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Laut Bericht im Göttinger Tageblatt vom 27. Januar 2015 bleibt die Zahl der Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide der südniedersächsischen Behörden hoch. Im Jahr 2014 seien es gut 2 200 Fälle, im Jahr davor 2 284 Klagen gewesen. Verhandelt werden die Klagen aus der Stadt und dem Landkreis Göttingen sowie aus Holzminden, Northeim und Osterode vor dem Sozialgericht in Hildesheim, da Südniedersachsen zu den Regionen in Niedersachsen ohne ein Sozialgericht gehört. Angesichts der konstant hohen Zahlen wurde erneut die Forderung nach einem Sozialgerichtsstandort in Göttingen laut (vgl. fraktionsübergreifende Entschließung des Göttinger Kreistages vom Februar 2014).

In der Antwort der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage zur Sozialgerichtsbarkeit in Niedersachsen bekennt sie sich ausdrücklich zu dem Ziel, „dass die Bürgerinnen und Bürger überall im Land einen effektiven Zugang zur Justiz in erreichbarer Nähe haben sollen“. Kurze Wege zu den Gerichten sollen sicherstellen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte wahrnehmen können und so Bürgernähe nicht nur im übertragenen Sinne verwirklicht werde (vgl. Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 9 zur mündlichen Beantwortung der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta (SPD), Drucksache 17/1250, Seite15 f.).

Da der Sozialgerichtsbarkeit die Rechtsprechung in den Bereichen der Sozialversicherung (gesetzliche Kranken-, Renten- und Unfallversicherung sowie soziale Pflegeversicherung), dem Schwerbehindertenrecht, dem Pflegeversicherungsrecht und zum anderen - seit Januar 2005 - auch für die Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (geregelt im SGB II), der Sozialhilfe (geregelt im SGB XII) und des Asylbewerberleistungsgesetzes obliegt, sind von den Verfahren vor Gericht oft Menschen betroffen, die sich in schwierigen Lebenslagen (Mütter mit kleinen Kindern, Schwerbehinderte, Flüchtlinge, Arbeitslose, Rentner u. a.) befinden. Für diese stellt die Anreise nach Hildesheim eine große Belastung dar. Zwei Beispiele zur Verdeutlichung: Erstens Anreise zum Termin vor dem Sozialgericht Hildesheim aus Duderstadt, Landkreis Göttingen, Terminbeginn um 9:00Uhr: Abfahrt ZOB Duderstadt um 6:17 Uhr, anschließend viermal Umsteigen, Ankunft in Hildesheim um 8:20 Uhr, Gesamtfahrzeit 2:03 Stunden. Zweitens Anreise zum Gerichtstermin vor dem Sozialgericht Hildesheim aus Bad Sachsa, Landkreis Osterode, Beginn des Termins um 9:00 Uhr: Abfahrt Bad Sachsa 6:33 Uhr, zweimal Umsteigen, Ankunft in Hildesheim 8:20 Uhr, Gesamtfahrzeit 1:47 Stunden. Zwar werden vereinzelt auch in Göttingen Verhandlungstage angesetzt, doch mit durchschnittlich 18 Verhandlungstagen im Jahr stellt dies keine nennenswerte Entlastung dar. So fand 2015 noch kein einziger Verhandlungstag in Göttingen statt. Es gibt deshalb seit längerem politische Initiativen, im Interesse einer bürgernahen Justiz am Standort Göttingen ein Sozialgericht für Südniedersachsen anzusiedeln. Das Justizministerium hat die Initiative aufgegriffen und Ende 2013 mit der Prüfung eines Sozialgerichtsstandortes Göttingen begonnen. Ausgehend von den ermittelten Fallzahlen, sollten zunächst der konkrete Raumbedarf ermittelt und der Liegenschaftsfonds Braunschweig/Göttingen gebeten werden, die mögliche Unterbringung in einer landeseigenen Liegenschaft in Göttingen zu überprüfen (vgl. Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage, s. o).

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Zu welchen konkreten Ergebnissen sind nach zwölf Monaten die Prüfungen zum Sozialgerichtsstandort Göttingen inzwischen gekommen (u. a. räumliche Unterbringung, Rechtsgebiete, Personalausstattung)?
  2. Wann wird die Landesregierung eine Entscheidung in dieser Frage treffen?
  3. Gibt es weitergehende Überlegungen zur Entwicklung des Gerichtsstandortes Göttingen?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Niedersachsen hat acht Sozialgerichte an den Standorten Aurich, Braunschweig, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Stade. Im südlichen Landesteil ist das Sozialgericht Hildesheim für die Landkreise Hildesheim und Holzminden sowie für die Landkreise Göttingen, Osterode und Northeim zuständig.

Eine im Februar 2014 durchgeführte Erhebung des Justizministeriums über die Verteilung der in den Jahren 2010 bis 2013 beim Sozialgericht Hildesheim eingegangenen Rechtsfälle hat ergeben, dass etwa die Hälfte der Verfahren ihren Ursprung in den Landkreisen Göttingen, Osterode und Northeim hat. Aufgrund dieses Anteils am Gesamtverfahrensaufkommen des Sozialgerichts Hildesheim ist es naheliegend zu prüfen, ob und wie der Gerichtsstandort Göttingen für die Sozialgerichtsbarkeit gestärkt werden kann.

Das Justizministerium prüft dabei alle Organisationsvarianten. Dabei wägt es das Interesse der Rechtsuchenden aus den Landkreisen Göttingen, Osterode und Northeim an einem wohnortnahen Zugang zur Justiz mit öffentlichen Belangen einschließlich der Effektivität der Rechtsgewährung, der ressourcenschonenden Aufbau- und Ablauforganisation in der Justiz sowie den Grundsätzen der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln ab (vgl. Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 2. Februar 2014, Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 9 der Abgeordneten Dr. Gabriele Andretta: Göttingen als Standort eines Sozialgerichtes?, LT-Drs. 17/1250, S. 113). Insbesondere ist stets zu berücksichtigen, dass alle Maßnahmen der Gerichtsorganisation Auswirkungen auf den Sozialgerichtsstandort Hildesheim hätten.

Eine Schließung des Sozialgerichts Hildesheim zugunsten eines Sozialgerichts Göttingen kommt für die Landesregierung nicht in Betracht, weil hierdurch tief in die gewachsenen und bewährten Strukturen des Justizstandorts Hildesheim eingegriffen würde. Zum derzeitigen Stand streitet gegen die Bildung eines zweiten eigenständigen Sozialgerichts in Südniedersachsen, dass das Gesamtverfahrensaufkommen aus den Landkreisen Hildesheim, Holzminden, Göttingen, Osterode und Northeim zwei Sozialgerichte nicht angemessen auslasten würde. Damit konzentriert sich die Prüfung des Justizministeriums nunmehr auf die Schaffung einer echten Außenstelle des Sozialgerichts Hildesheim am Standort Göttingen. Eine abschließende Entscheidung über diese Organisationsvariante ist auch mit Blick auf den derzeitigen Stand des Haushaltsaufstellungsverfahrens für das Haushaltsjahr 2016 nicht gefallen.

Allerdings ist im Verlauf der Prüfung deutlich geworden, dass auch gegen die Außenstellenlösung Gründe von einigem Gewicht sprechen.

So weist der Präsident des Landessozialgerichts Niedersachsen/Bremen darauf hin, dass eine Außenstelle nur dann ein Gewinn für die Prozessbeteiligten sei, wenn an dem weiteren Standort ein möglichst breites Spektrum der zahlreichen Rechtsgebiete des Sozial(versicherungs)rechts bei gleichbleibend hoher qualitativer Bearbeitungstiefe abgedeckt werden könne. Das liege bei der Größe des Gerichtsbezirks, der Anzahl der Verfahren in den einzelnen Rechtsgebieten und dem Umstand, dass das Präsidium des Gerichts nach dem Gerichtsverfassungsgesetz unabhängig von der Verwaltung die Geschäftsverteilung vornimmt, nicht auf der Hand. Durch einen weiteren Standort könne daher nicht sichergestellt werden, dass auch in Göttingen alle Rechtsgebiete bearbeitet und verhandelt würden. Auch seien personelle Vakanzen an zwei Standorten deutlich schwieriger auszugleichen als an einem - personell stärkeren - Gerichtsstandort. Gegen eine Außenstellenbildung führt der Präsident des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen außerdem die Gefahren organisatorischer Reibungsverluste sowie eine faktische Verselbständigung einer Außenstelle ins Feld.

Auch die Haushaltslage des Landes unter den Bedingungen der Schuldenbremse gebietet es den Fokus auf vorrangige gesetzliche Aufgaben der Justiz zu richten. Der Ausbau des Gerichtsstandorts Göttingen für die Sozialgerichtsbarkeit genießt bei diesem Maßstab nicht die höchste Priorität, weil die Justizgewährung, auf die Bürgerinnen und Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch haben, in Südniedersachsen nicht gefährdet ist. Das gilt auch unter dem Aspekt der Erreichbarkeit des Sozialgerichts Hildesheim. Es entspricht - das gilt für das gesamte Land Niedersachsen - richterlicher Praxis, auf die Entfernung des Wohnorts bzw. Behördenstandorts von Verfahrensbeteiligten sowie -vertreterinnen und -vertretern bei der Ladung zu gerichtlichen Termin angemessen Rücksicht zu nehmen.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Prüfung bezog sich im ersten Schritt auf die Auswertung der Verfahrensverteilung auf die Landkreise, die zum Bezirk des Sozialgerichts Hildesheim gehören. Die Auswertung erfolgte händisch. Die weitere Prüfung hat sich sodann auf die Ermittlung geeigneter Räumlichkeiten für ein Sozialgericht Göttingen oder eine Außenstelle des Sozialgerichts Hildesheim in Göttingen konzentriert. Hierfür wurde ein vorläufiger Raumbedarfsplan aufgestellt. Referat BL 43 der Oberfinanzdirektion (LFN Göttingen) wurde vorsorglich gebeten, auf der Grundlage dieses vorläufigen Raumbedarfsplans Unterbringungsmöglichkeiten in landeseigenen Liegenschaften oder Mietflächen in Göttingen vorzuschlagen. Landeseigene Liegenschaften stehen danach nicht zur Verfügung. Eine für einen Sozialgerichtsstandort in Göttingen nach Auffassung des LFN Göttingen geeignete Mietimmobilie befindet sich derzeit auf dem Markt. Weitere Schritte sind bislang nicht unternommen worden.

Zu 2.:

Die Landesregierung wird für das Haushaltsjahr 2016 im Rahmen des diesjährigen Haushaltsaufstellungsverfahrens die Entscheidung treffen, ob Haushaltsmittel für einen Sozialgerichtsstandort Göttingen zur Verfügung stehen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Zu 3.:

Der Justizstandort Göttingen ist in dieser Wahlperiode bereits deutlich gestärkt worden.

So erhielt das Landgericht Göttingen im Zusammenhang mit den sogenannten Securenta-Verfahren durch den Haushaltsplan 2014 zwei zusätzliche Planstellen der Besoldungsgruppe R2 für Vorsitzende Richter/-innen am Landgericht sowie vier weitere Stellen der Besoldungsgruppe R1 für Richter/-innen am Landgericht. Daneben wurde die Personalausstattung in der mittleren Beschäftigungsebene durch die Bereitstellung von fünf Beschäftigungsmöglichkeiten der EG 6 TV-L und die des Wachtmeisterdienstes durch zwei zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten der EG 3 TV-L verbessert. Alle insgesamt 13 Planstellen und Beschäftigungsmöglichkeiten wurden mit Beschäftigungsvolumen und Personalkostenbudget hinterlegt und befristet zunächst bis zum 31. Dezember 2015 ausgebracht. Die Landesregierung wird im Rahmen der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs 2016 eine Verlängerung der Personalverstärkung prüfen.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.03.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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