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Antwort auf Mündliche Anfrage: „Warum blieb das Justizministerium bei der Weitergabe von Prüfungsinhalten untätig?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22. Januar 2015, Mündliche Anfrage Nr. 57


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP):

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Das Landgericht Lüneburg hat das Hauptverfahren gegen den ehemaligen Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Verden hat Anklage wegen Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchter Nötigung erhoben. Der Angeklagte soll Prüfungsinhalte für die zweite juristische Staatsprüfung an elf Rechtsreferendare verraten oder ihnen die Weitergabe angeboten haben.

Die Hauptverhandlung hat am 17. Dezember 2014 begonnen. Der Angeklagte hat bereits eine Aussage gemacht. Dabei ging es u. a. um den Fall eines Rechtsreferendars, bei dem es schon im Herbst 2012 zu extremen Notensprüngen gekommen ist. In seinem Geständnis legt der Angeklagte dar, dass das Prüfungsamt oder das Justizministerium selbst keine wesentlichen Aufklärungsversuche über den konkreten Fall hinaus unternommen haben. Gerade dieser Umstand habe ihn dazu verleitet, weiter Prüfungsinhalte weiterzugeben.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Warum hat es nach diesem ersten konkreten Verdacht im Herbst 2012 keine unverzüglichen Ermittlungsmaßnahmen durch das Justizministeriums gegeben?

2. Wie bewertet die Landesregierung, dass sich der Angeklagte trotz konkreter Verdachtsfälle zwei Jahre sicher gefühlt hat, dass eine mögliche Weitergabe von Prüfungsinhalten nicht durch das Prüfungsamt oder das Justizministerium verfolgt wird?

3. Wie will die Landesregierung dazu beitragen, dass neben der juristischen Aufarbeitung der Straftaten eine restlose Aufklärung hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs der Ermittlungen durch das Prüfungsamt und das Justizministeriums erfolgt?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Ende Februar/Anfang März 2013 fielen im Zusammenhang mit Prüfungsleistungen eines Kandidaten in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zum ersten Mal Unregelmäßigkeiten auf, die den Verdacht eines Sicherheitsvorfalls im Landesjustizprüfungsamt begründeten. Hiervon unterrichtete das Prüfungsamt das Niedersächsische Justizministerium am 6. März 2013.

Daraufhin hat das Niedersächsische Justizministerium den Sachverhalt durch einen eigens hierfür eingesetzten Ermittlungsführer umfassend geprüft und am 11. April 2013 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Verden erstattet. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen den betroffenen Examenskandidaten geführt und dabei diverse strafprozessuale Maßnahmen (u.a. Durchsuchungen, Telefonüberwachungen) ergriffen.

Darüber hinaus ist der IT-Sicherheitsbeauftragte für die Niedersächsische Justiz nach Bekanntwerden des ersten Sicherheitsvorfalls im April 2013 beauftragt worden, eine gutachterliche Expertise zur Verbesserung der Sicherheitsstrukturen im Landesjustizprüfungsamt zu erstellen. Das so entwickelte Sicherheitskonzept ist umgehend ab Juni 2013 umgesetzt worden. Es umfasst erhebliche technische und organisatorische Veränderungen. So ist die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zugang zu Prüfungsaufgaben und Lösungshinweisen haben, auf das unbedingt notwendige Maß reduziert worden. Die technischen und organisatorischen Empfehlungen, die umgesetzt wurden, betreffen insbesondere auch den Bereich der Datenverschlüsselung, die Ausstattung mit sicheren Notebooks, die Arbeit mit verschlüsselten USB-Sticks, die Klausurenvervielfältigung, die Klausurenlagerung im Landesjustizprüfungsamt und an den Klausurenstandorten sowie die Einführung versiegelter Umschläge für die Versendung von Klausuren und Aktenvorträgen. Weitere Einzelheiten des Konzepts können aus Gründen der Sicherheit an dieser Stelle nicht dargestellt werden.

Das im 2. Quartal 2013 entwickelte Sicherheitskonzept wird derzeit evaluiert und fortlaufend weiter entwickelt.

Das aufgrund der Strafanzeige des Niedersächsischen Justizministeriums eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Examenskandidaten ist durch die zuständige Staatsanwaltschaft am 24. Oktober 2013 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil kein Tatnachweis geführt werden konnte und die Staatsanwaltschaft keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsansätze gesehen hat. Die Ermittlungen haben insbesondere keinerlei validen Hinweis auf ein korruptes Verhalten einer Mitarbeiterin / eines Mitarbeiters des Landesjustizprüfungsamtes ergeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Ein Verdachtsfall aus Herbst 2012 ist hier nicht bekannt.

Gemeint sein dürfte der in den Vorbemerkungen dargestellte Verdachtsfall. Hierzu wird Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Zu 2:

Bei objektiver Betrachtung kann sich der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt sicher gefühlt haben. Das Niedersächsische Justizministerium hat unverzüglich nach Bekanntwerden des ersten Verdachtsfalls im Frühjahr 2013 alle erforderlichen Maßnahmen in strafrechtlicher und organisatorischer Hinsicht veranlasst, um den möglichen Sicherheitsvorfall aufzudecken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Zu 3:

Die juristische Aufarbeitung der Straftaten ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und des Gerichts. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind im Übrigen durch die vom Niedersächsischen Justizministerium veranlasste Überprüfung aller in der Zeit von September 2011 bis März 2014 erbrachten Prüfungsleistungen nachhaltig unterstützt worden. Mehr als 200 Sonderprüferinnen und Sonderprüfer haben die Examensleistungen von 2065 Kandidatinnen und Kandidaten überprüft und diese Mammutaufgabe zum Ende des Jahres 2014 erfolgreich abgeschlossen.
Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.01.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

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