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Antwort auf Mündliche Anfrage: „Ermittlungsverfahren gegen potenzielle islamistische Terroristen in Niedersachsen“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22. Januar 2015, Mündliche Anfrage Nr. 6


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Onay, Meta Janssen-Kucz und Filiz Polat (GRÜNE):

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Durch die jüngsten Terroranschläge in Frankreich sind auch in Deutschland potenzielle IS- oder Al-Quaida-Terroristen wieder verstärkt in den Fokus der öffentlichen Debatte geraten. Als eine spezielle Gefahr werden dabei Personen angesehen, die eine Ausbildung in einem ausländischen Terrorcamp durchlaufen oder für den IS gekämpft haben und anschließend nach Niedersachsen zurückgekehrt sind. Eine solche Ausbildung und die anschließende Vorbereitung einer Straftat kann gemäß §§ 89 a und 89 b Strafgesetzbuch bestraft werden. Die Mitgliedschaft im IS oder bei Al Quaida könnte gemäß §129 a i. V. m. § 129 b StGB als Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bestraft werden. Strafrechtliche Ermittlungen in diesen Fällen kann grundsätzlich der Generalbundesanwalt übernehmen. Ansonsten sind die örtlichen Staatsanwaltschaften zuständig.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Gegen wie viele Personen in Niedersachsen laufen gegenwärtig strafrechtliche Ermittlungen oder Strafprozesse gemäß §§ 89 a, 89 b oder §§129 a i. V. m. 129 b StGB?

2. In wie vielen Fällen wird gegenwärtig von einem islamistischen Hintergrund ausgegangen?

3. In wie vielen Fällen hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen?

Ministerin Niewisch-Lennartz beantwortet die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Nach der Generalklausel der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Art. 30 GG ist die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Eine solche besteht für das Staatsschutzstrafrecht. Nach dem Grundgesetz ist der Bund zur Regelung dieser Materie befugt. Der Bundesgesetzgeber hat seine ihm durch Art. 96 Abs. 5 GG eingeräumte Gesetzgebungskompetenz genutzt und die Zuständigkeit für die Verfolgung von Staatsschutzstrafsachen zwischen der Bundesjustiz und der Justiz der Länder aufgeteilt (§ 120 GVG i.V.m. § 142a GVG). Danach ist der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Staatsanwalt des Bundes bei besonders gravierenden Straftaten gegen die innere oder äußere Sicherheit originär zuständig (§ 120 Abs. 1 GVG i.V.m. § 142a GVG). Originäre Zuständigkeit bedeutet unmittelbare Verfolgungskompetenz des Generalbundesanwalts für die in § 120 Abs. 1 GVG abschließend aufgezählten Straftaten. Dazu gehört gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG die Zuwiderhandlung gegen das Vereinigungsverbot des § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen), auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB (kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland). Bei anderen Straftaten mit Staatsschutzcharakter übernimmt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof die Verfolgung unter bestimmten, in § 120 Abs. 2 GVG gesetzlich geregelten Voraussetzungen (sogenanntes Evokationsrecht). Dabei muss es sich um eine der in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 GVG genannten Fallgestaltungen handeln und der Generalbundesanwalt muss die besondere Bedeutung des Falles bejahen. An die Bejahung der „besonderen Bedeutung“ des Falles, mit der der Generalbundesanwalt die Verfolgung übernimmt, sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie ist nur anzunehmen, wenn es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtsgutverletzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handelt, das die Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des Generalbundesanwalts geboten ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof das Verfahren an sich zu ziehen. Soweit ihm eine Zuständigkeit auf diese Weise nicht ausdrücklich zugewiesen ist, verbleibt es auch bei Delikten mit Staatsschutzcharakter bei der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften der Länder. Die Staatsanwaltschaften der Länder haben dementsprechend, sobald sie von einer Straftat Kenntnis erhalten, welche die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründet oder begründen könnte, dem Generalbundesanwalt Bericht zu erstatten. Dies gilt auch dann, wenn sich im Laufe der Ermittlungen von Landesstaatsanwaltschaften der Verdacht einer solchen Straftat herausstellt. Solche Vorgänge haben die Landesstaatsanwaltschaften gemäß Nr. 202 RiStBV dem Generalbundesanwalt vorzulegen.

In Niedersachsen wurde mit AV des Justizministeriums vom 7. Juli 2011, in Kraft seit dem 1. August 2011, zur wirksamen Bekämpfung akut auftretender terroristischer Gefährdungslagen, bei denen anzunehmen ist, dass die Täterin oder der Täter aus politischen oder religiösen Motiven handelt, bei der Staatsanwaltschaft Hannover gemäß § 143 Abs. 4 GVG eine Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus eingerichtet. Sie ist zuständig für die Bearbeitung der in Niedersachsen anfallenden Ermittlungs- und Strafverfahren, die terroristisch motivierte Straftaten betreffen, soweit diese ein unverzügliches Handeln erfordern oder aufgrund der Anzahl der Beschuldigten oder der Bedeutung der Sache überdurchschnittlich umfangreiche Ermittlungen erwarten lassen. Dies gilt z.B. für Straftaten nach § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und nach § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat).

Dies vorangeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

zu 1.

Seit Beginn des Jahres 2014 wurden von der Staatsanwaltschaft Hannover – Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus – gegen insgesamt 19 Personen Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat gemäß §§ 89a, 89b StGB aufgenommen, wobei es sich um insgesamt 17 Ermittlungsverfahren handelte. Aktuell sind noch 12 Ermittlungsverfahren gegen 14 Beschuldigte anhängig. Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat gemäß §§ 129a, 129b StGB im Zusammenhang mit einem islamistischen Hintergrund werden bei niedersächsischen Staatsanwaltschaften nicht geführt. Diese fallen in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof, der gegenwärtig in fünf Ermittlungsverfahren das Landeskriminalamt Niedersachsen mit den Ermittlungen gegen insgesamt fünf Beschuldigte beauftragt hat.

zu 2.

In allen unter Ziffer 1 genannten Ermittlungsverfahren.

zu 3.

Seit Ende November 2014 hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof fünf der unter Ziffer 1 genannten Verfahren unter dem Gesichtspunkt einer Straftat nach §§ 129a, 129b StGB übernommen, in denen ein Anfangsverdacht (auch) wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (ISIS bzw. IS) bestand.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.01.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Alexander Wiemerslage

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5044
Fax: 0511 / 120 - 5181

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