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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Verhinderung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstraffe durch das Konzept „Schwitzen statt Sitzen“

128. bis 130. Sitzung des Niedersächsischen Landtages, Mündliche Anfrage Nr. 3


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr.3 der Abgeordneten Helge Limburg und Heiner Scholing (Grüne):

Vorbemerkung der Abgeordneten

In der dpa-Presseberichterstattung vom 8. Mai 2017 („Land spart jährlich Millionen mit Programm ‚Schwitzen statt Sitzen‘“) wird das in Niedersachsen praktizierte Konzept „Schwitzen statt Sitzen“ aufgegriffen, bei dem als Alternative zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe insbesondere mittellosen Verurteilten die Möglichkeit gegeben wird, durch die Ableistung gemeinnütziger Arbeit eine drohende Inhaftierung abzuwenden.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die mündliche Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

1. Was unternimmt die Landesregierung, um die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu verhindern?

Die Vermeidung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe war und ist der Landesregierung stets ein ganz besonderes Anliegen, zumal gerade bei der damit meist verbundenen kurzen Haftdauer lediglich geringe Chancen zu einer effektiven Resozialisierung bestehen. Kurze Haftstrafen haben regelmäßig weder einen positiven Einfluss auf die Betroffenen noch sind sie in Anbetracht der Haftkosten wirtschaftlich sinnvoll.

In der laufenden Wahlperiode wurde daher u.a. das Programm „Schwitzen statt Sitzen“, bei dem Verurteilte anstelle des Strafvollzuges gemeinnützige Arbeit verrichten können, fortgeführt und ausgebaut. Das Programm „Schwitzen statt Sitzen“ wird seit dem Jahr 1991 durch das Land Niedersachsen durchgeführt. Das Programm bietet Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind, und diese nicht zahlen können, die Möglichkeit eine drohende Ersatzfreiheitsstrafe durch das Ableisten von gemeinnütziger Arbeit abzuwenden. Das Programm bietet Vorteile für alle Beteiligten. Die Betroffenen können in ihrem sozialen Umfeld verbleiben. Sie laufen nicht Gefahr, durch eine Inhaftierung soziale oder berufliche Verbindungen zu verlieren. Zudem entfällt für sie eine mögliche gesellschaftliche Stigmatisierung durch die Inhaftierung. Daneben wird die Belegung von Haftplätzen vermieden. Auf diesem Weg hat das Land Niedersachsen seit dem Jahr 2008 bis 2015 Haftkosten in Höhe von über 52 Millionen Euro eingespart.

Das Programm basiert auf der Niedersächsischen Verordnung über die Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 19. April 1996, Nds. GVBl. 1996, 215. Da seit 2007 ein Absinken der Zahlen zu konstatieren war, hat die Landesregierung das Programm einer kritischen Prüfung unterzogen, um Maßnahmen zur Förderung zu treffen.

Nach Beteiligung der Praxis wurden konkrete Maßnahmen zur weiteren Intensivierung des Programms getroffen. Hierzu zählen insbesondere, die Förderung des Schnittstellenmanagements zu den Einsatzstellen durch den Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen (AJSD), welcher für die Vermittlung der gemeinnützigen Arbeit zuständig ist, die Sensibilisierung der Kommunen für das Projekt, um mehr Einsatzstellen zu gewinnen, und die Sensibilisierung der für die Strafvollstreckung zuständigen Staatsanwaltschaften hinsichtlich einer frühzeitigen und deutlichen Information betroffener Verurteilter in Bezug auf die Möglichkeit der Ableistung gemeinnütziger Arbeit.

Neben dem Programm „Schwitzen statt Sitzen“ dient auch das Projekt „Geldverwaltung statt Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe“ erfolgreich der Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen.

Die Anlaufstellen für Straffällige, die von der Landesregierung finanziell unterstützt werden, führen seit Beginn des Jahres 2010 das Projekt durch, das mittlerweile landesweit etabliert ist und beachtliche Erfolge erzielt. Mit dem Konzept führen die Anlaufstellen für Straffällige für zu einer Geldstrafe verurteilte Personen die Verwaltung derer finanzieller Mittel durch. Hierzu ermitteln sie mit den Verurteilten gemeinsam nachhaltig tragbare Raten und schlagen der Vollstreckungsbehörde eine realistische Höhe vor. Von der Anlaufstelle wird dann für die Verurteilten ein Verwahrgeldkonto eingerichtet. Die Verurteilten treten zur Gewährleistung einer erfolgreichen Ratenzahlung ihre Einkünfte (regelmäßig Ansprüche auf Sozialleistungen) ab. Die Anlaufstellen sind begleitend beratend tätig und leisten den Betroffenen auch sozialarbeiterische Hilfestellungen.

In vielen Fällen kann die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen dadurch vermieden werden. Im Jahr 2016 wurden 1.923 Fälle registriert. Davon waren rund 24% erfolgreich. In rund 73% sind diese bereits teilweise erfolgreich. Lediglich in knapp 3% der Fälle wurden keine Zahlungen aufgenommen. Der Gesamtbetrag der von den Anlaufstellen im Rahmen der Geldverwaltung an die Staatsanwaltschaften überwiesenen Summe der Geldstrafen belief sich im Jahr 2016 auf 486.847,00 EUR. Unter Zugrundelegung des aktuellen Haftkostentagessatzes (148,12 EUR) summieren sich die eingesparten Kosten allein im Jahr 2016 auf 4.113.884,88 EUR. Betrachtet man dies seit Projektbeginn, so können über 20 Mio. EUR an eingesparten Haftkosten ausgewiesen werden (20.267.569,03 EUR).

Für die Jahre 2017 und 2018 sind zusätzlich jeweils 27.000 EUR für die Erprobung des Projekts im Landgerichtsbezirk Verden durch die Anlaufstellen für Straffällige, also die freiwillige Straffälligenhilfe, im Landeshaushalt zur Verfügung gestellt worden. Hier ist das Antragsverfahren derzeit anhängig.

2. Welche Bemühungen unternimmt die Landesregierung, um die Verhinderung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zu intensivieren?

Die Bemühungen zur Verhinderung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen werden stets intensiviert. Derzeit werden die „Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit vom 19. April 1996“ überarbeitet sowie die vorhandenen Belehrungs- und Informationsblätter optimiert und die Möglichkeit der Ableistung gemeinnütziger Arbeit auch während des Vollzuges einer Ersatzfreiheitsstrafe geprüft.

Bereits im Januar 2015 wurde zudem durch das Niedersächsische Justizministerium eine länderübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich wesentlich auch mit dieser Thematik befasst hat. Diese war professionsübergreifend (Landesjustizverwaltungen, Universität Hannover, JVA Hannover, Staatsanwaltschaft Hannover und AJSD) und länderübergreifend (Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Niedersachsen) strukturiert. Die Arbeit wurde im November 2015 abgeschlossen. In dieser Arbeitsgruppe ging es zunächst lediglich um eine Bestandsaufnahme und die Schaffung einer Diskussionsgrundlage, um Lösungsansätze aufzuzeigen. Inhaltlich wird diese Arbeit in großen Teilen gegenwärtig unter Beteiligung Niedersachsens in einer anderen Bund-Länder-Arbeitsgruppe fortgesetzt. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten und Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ wurde von der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2016 eingesetzt. Die Arbeitsgruppe ist im Oktober 2016 erstmals zusammengetreten. Im Rahmen des zweiten Arbeitstreffens im März 2017 in Potsdam wurde durch den niedersächsischen Teilnehmer auch der Abschlussbericht der länderübergreifenden Arbeitsgruppe vom November 2015 vorgestellt und erörtert. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die aufgrund des Einrichtungsbeschlusses federführend von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg betreut wird, wird nach derzeitiger Planung noch mindestens ein Arbeitstreffen durchführen und sodann ihrerseits einen Abschlussbericht vorlegen.

3. Welche mögliche Alternativen zum Programm „Schwitzen statt Sitzen“ sieht die Landesregierung?

Auf die Antwort zu Frage 1. wird hingewiesen. Mittlerweile bietet das landesweit etablierte Projekt „Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“ eine erfolgreiche Alternative zum Programm „Schwitzen statt Sitzen“, um die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden. Zudem werden die demnächst vorliegenden, unter der Beteiligung von Niedersachsen erarbeiteten Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten und Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB“ (vgl. Antwort zu Ziff. 2) mögliche Lösungsansätze aufzeigen, deren Umsetzung dann durch die Landesregierung geprüft wird.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.05.2017

Ansprechpartner/in:
Herr Dr. Ehsan Kangarani

Nds. Justizministerium
Referent für Öffentlichkeits- und Pressearbeit
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5077
Fax: 0511 / 120-5181

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