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„Spitzentreffen im Vatikan zu sexualisierter Gewalt, Ermittlungsskandale in Lügde: Was unternimmt die Landesregierung zur Prävention, Strafverfolgung und Unterstützung der Opfer im Bereich sexualisierter Gewalt?“

Antwort der Niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza auf die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen


Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 28. Februar 2019, TOP 24 a


Es gilt das gesprochene Wort!


„Strafverfolgung, Prävention und Unterstützung der Opfer im Bereich sexueller Gewalt sind mir ein besonderes Anliegen. Darauf bin ich bereits vorhin (im Zuge der Aktuellen Stunde) eingegangen und das kann ich hier nur noch einmal betonen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Zur Frage 1 („Welche Maßnahmen ergreifen die Landesregierung oder niedersächsische Staatsanwaltschaften, um Straftaten niedersächsischer Täter in anderen Ländern, wie z. B. Chile, aufzuklären?“):

Strafverfolgung ist grundsätzlich Sache der Staaten, in denen die Straftat begangen wurde. An diesen Grundsatz, den man juristisch „Territorialprinzip“ nennt, müssen sich alle Strafverfolgungsbehörden aus völkerrechtlichen Gründen halten. Der darin verbürgte Respekt vor der Souveränität des ausländischen Staates verbietet es grundsätzlich, die eigene Strafverfolgung weiter auszudehnen als dies im Interesse des Schutzes inländischer Rechtsgüter unbedingt erforderlich ist. So wie wir von den übrigen Staaten die Achtung unserer Souveränität erwarten, so gilt dies in gleicher Weise in umgekehrter Hinsicht.

Unter besonderen Voraussetzungen, unter anderem bei Auslands-Straftaten mit besonderem Inlandsbezug, kommt auch bei Straftaten im Ausland ein eigenständiges Ermittlungsverfahren in Deutschland in Betracht. Bei bestimmten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist dies dann möglich, wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist. Die Erhebung von Beweismitteln aus dem oder im Ausland ist dabei allerdings nur im formellen Wege der Rechtshilfe möglich. Das bedeutet konkret, dass die verfahrensführende deutsche Staatsanwaltschaft die zuständige ausländische Stelle um Vornahme der entsprechenden Ermittlungshandlungen ersuchen muss.

Es kommen auch polizeiliche Rechtshilfeersuchen, wie Ersuchen um Identitätsfeststellung oder um Auskünfte über die tatsächlichen Verhältnisse und Vorkommnisse im In- oder Ausland oder Ersuchen zur Vorbereitung eines ausgehenden justiziellen Ersuchens in Betracht. Für solche Ersuchen sind strafprozessuale Zwangsmaßnahmen allerdings ausgeschlossen.

Zur Frage 2 („In welcher Weise unterstützt die Landesregierung die strafrechtlichen Ermittlungen zu den Verbrechen im nordrhein-westfälischen Lügde?“):

Die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen obliegt den örtlich und sachlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Soweit die mit dem Verfahren befassten Stellen in Nordrhein-Westfalen dabei die Unterstützung niedersächsischer Gerichte und Behörden benötigen, werden diese sie in eigener Verantwortung und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen leisten.

Im Hinblick auf mögliche Opferbetreuungsmaßnahmen und psychosoziale Prozessbegleitungen wurden länderübergreifend die notwendigen Abstimmungen auf Polizei- und Justizebene getroffen.

Zur Frage 3 („Was unternimmt die Landesregierung zur Prävention sexualisierter Gewalt und zur Unterstützung der Opfer?“):

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt ist selbstverständlich eines der zentralen Anliegen der Kriminalprävention. Wie bereits in der Aktuellen Stunde erwähnt, ist auf meine Anregung hin eine Expertenkommission zur Prävention des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch den Landespräventionsrat Niedersachsen eingerichtet worden. Die Mitwirkung von mehr als 30 Institutionen und Experten aus Niedersachsen stimmt mich zuversichtlich, dass bis Ende 2019 fundierte Handlungsempfehlungen für Politik und Praxis vorgelegt werden können.

Prävention muss aber auch vor Ort ankommen! Eine besonders wichtige Rolle nehmen in Niedersachsen die 200 kommunalen Präventionsräte ein. Auch sie leisten durch entsprechende Projekte einen wichtigen Beitrag zur Prävention sexualisierter Gewalt. Es ist mir deshalb ein ganz wichtiges Anliegen, dass wir die kommunale Prävention durch die Arbeit der Geschäftsstelle des Landespräventionsrates Niedersachsen weiterhin stärken und fördern.

Wenn dennoch eine Straftat geschehen ist, müssen wir gewährleisten, dass die Geschädigten rasch und unbürokratisch Schutz und Hilfe erhalten.

Dies geschieht unter anderem durch die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen, die Opfer berät und in vielfältiger Weise unterstützt. Eine dieser Maßnahmen ist die psychosoziale Prozessbegleitung, die in Niedersachsen allen Opfern von Straftaten kostenlos zur Verfügung steht. Außerdem steht die Fachstelle Opferschutz im Landespräventionsrat Niedersachsen zur Verfügung, die neben ihren koordinierenden Aufgaben auch ein breites Internetangebot vorhält. All dies habe ich bereits vorhin ausgeführt.

Selbstverständlich leisten auch andere Stellen wichtige Beiträge zur Prävention und zum Opferschutz.

Das Niedersächsische Kultusministerium hat etwa am 16.08.2018 in Niedersachsen den Startschuss für die bundesweite Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt" gegeben. Diese verfolgt das Ziel, dass die mehr als 30.000 Schulen in Deutschland Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt entwickeln. Mit der Einrichtung einer „Anlaufstelle für Opfer und Fragen sexuellen Missbrauchs und Diskriminierung in Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder“ beim Kultusministerium setzt die Landesregierung zudem ihre Politik zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch und Diskriminierung konsequent fort.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung fördert zur Prävention sexualisierter Gewalt und zur Unterstützung der Opfer eine Vielzahl von Maßnahmen, Beratungsangeboten und Projekten. Die Website www.kinderschutz-niedersachsen.de enthält eine Rubrik „Rat und Hilfe bei sexuellem Missbrauch“. Hier sind sowohl für die Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen als auch für Eltern und Bezugspersonen weiterführende Informationen eingestellt. Über eine Adressdatenbank können betroffene Kinder und Jugendliche unkompliziert Beratungsangebote in Niedersachsen finden.

Unter der Federführung des Landeskriminalamtes Niedersachsen wurde zudem im Jahr 2013 die bundesweite Initiative „Missbrauch verhindern“ des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) erarbeitet und in der Folge bundesweit umgesetzt. Darüber hinaus greift die Internetseite der Polizeilichen Kriminalprävention für Kinder und Jugendliche „Polizei für Dich“ das Thema „sexueller Missbrauch“ in zielgruppengerechter Form auf.

Daneben gibt es bei der Polizei oder unter Mitwirkung der Polizei zu den Themenfeldern „Sexueller Missbrauch“ und „Allgemeine Gewaltprävention“ auch auf örtlicher Ebene zahlreiche Präventions- und Sensibilisierungsinitiativen.

Seit dem 1. Oktober 2007 wird in Niedersachsen ferner zur Verringerung des Rückfallrisikos von Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern, die unter Führungsaufsicht stehen, und zu deren Resozialisierung die „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern in Niedersachsen (KURS Niedersachsen)“ umgesetzt.

Und auch sehr bedeutend: Zur Sensibilisierung für die Gefahr von sogenanntem Cyber-Grooming (Internet-Anbahnung) sowie für die Förderung der digitalen Kompetenz von Kindern und Jugendlichen betreiben die Polizeibehörden und -dienststellen zudem zahlreiche Initiativen und Projekte zum Thema Mediensicherheit.“



Justizministerin Havliza hält eine Rede im Landtag  

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.02.2019

Ansprechpartner/in:
Herr Christian Lauenstein

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5044

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