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Landtagsrede zu TOP 6 der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz

„Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Justiz“


Es gilt das gesprochene Wort!

„Gerechtigkeit braucht eine starke Justiz!

Unter diesem rechtspolitischen Leitsatz finden wir in diesem hohen Hause - da bin ich mir sicher - auch fraktionsübergreifend zusammen. Nur eine starke, unabhängige Justiz ist in der Lage, dem Rechtsgewährungsanspruch unserer Bürgerinnen und Bürger umfassend zur Geltung zu verhelfen. Zudem dürfen wir uns nicht der Erkenntnis verschließen, dass allein demokratische Strukturen diejenige Flexibilität gewährleisten, die ein System aufweisen muss, um auf Veränderungen von Rahmenbedingungen rechtzeitig und angemessen reagieren zu können. Diese Erkenntnis liegt auch den in der Vergangenheit von den Richterverbänden erarbeiteten Modellen einer parlamentarisch kontrollierten selbstverwalteten Justiz zugrunde. Diese sollen der Justiz eine starke Stellung verschaffen, um dem Grundsatz der Gewaltenteilung und den Prinzipien der Gerichtsorganisation noch besser gerecht werden zu können. Grundlage derartiger Modelle ist unter anderem eine durch Wahlen vermittelte demokratische Legitimation jener Akteure, die zur Verwaltung der Dritten Gewalt berufen sein sollen.

Mit dem heute eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Justiz machen wir einen großen Schritt hin zu einer eigenverantwortlichen und damit starken und unabhängigen Justiz in Niedersachsen.

Die Eigenverantwortlichkeit der Justiz stärken wir dadurch, dass wir die Beteiligungsrechte der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen weiter ausbauen. Der Gesetzentwurf sieht vor, die ausgeweiteten Mitwirkungsrechte des Niedersächsischen Personalvertretungsrechts zugunsten der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen in das Richtergesetz zu übernehmen. Die Richter- und Staatsanwaltsvertretungen erhalten mehr Mitspracherechte bei personellen Maßnahmen, etwa bei der Einstellung von Nachwuchskräften in die Justiz und bei Beförderungen. Sie sollen auch mitwirken, wenn über die Verteilung und Verwendung von Personal- und Haushaltsmittel der Justiz für ihre Gerichte und Staatsanwaltschaften entschieden wird. Die in der niedersächsischen Justiz aufgrund der Budgetierung schon bestehenden Handlungsspielräume für Gerichte und Staatsanwaltschaften in Personal- und Haushaltsangelegenheiten werden verfahrensrechtlich abgesichert. Mit der Einführung von Budgeträten bei den Obergerichten und den Landgerichten sowie den Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften wird erstmals ein beratendes Gremium gesetzlich verankert, in dem neben der Leitung der Gerichts oder der Staatsanwaltschaft auch die Interessenvertretungen der verschiedenen Berufsgruppen in diesen Dienststellen mitwirken können. Bereits dieses Maßnahmenbündel ist beachtlich und sucht bundesweit seinesgleichen.

Dem weiteren Schwerpunkt unseres Gesetzentwurfs - der Einrichtung eines Wahlausschusses für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte - ist aus justizpolitischer Sicht eine noch herausragendere Bedeutung beizumessen. Denn diese Entscheidung stellt 70 Jahre nach der Gründung unseres Landes einen Systemwechsel für die Justizverwaltung dar. Zugegeben, dieser Schritt ist für mich als Justizministerin und für meine Nachfolgerinnen und Nachfolger im Amt mit der Abgabe eigener personeller Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten einer gleichberechtigten Mitwirkung von Abgeordneten aus Ihren Reihen und von Angehörigen der niedersächsischen Justiz verbunden.

Diesen Schritt gehe ich gern. Ich gehe ihn im Interesse einer stärkeren demokratischen Legitimation der in ihr Amt Gewählten. Bedenken Sie, es geht hier nicht nur um routinemäßige Personalentscheidungen, die nach beamtenrechtlichen Vorgaben zu treffen sind. Die Verleihung eines richterlichen Eingangsamtes auf Lebenszeit vermittelt den Gewählten für die gesamte Dauer ihres Berufslebens diejenige persönliche Unabhängigkeit, die nach Artikel 97 unseres Grundgesetzes unabdingbare Voraussetzung für die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt selbst ist. Eine Richterin oder ein Richter auf Lebenszeit kann gegen ihren oder seinen Willen nur in sehr engen Grenzen von dem verliehenen Amt wieder entbunden werden. Die Tragweite der Vergabe eines richterlichen Amtes rechtfertigt es, nicht die Justizministerin oder den Justizminister allein - auch nicht bei Billigung durch das Kabinett - entscheiden zu lassen, welcher Persönlichkeit die rechtsprechende Gewalt auf Dauer anvertraut sein soll. Nichts anderes gilt für die Übertragung richterlicher Beförderungsämter, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben einer Gerichtsleitung verbunden sind. Gerichtsleitungen haben Personalverantwortung. Dadurch prägen sie das Bild der niedersächsischen Justiz.

Ich gehe den Schritt hin zu einer echten Mitentscheidung des Wahlausschusses auch deshalb gern, weil ich davon überzeugt bin, dass dessen Einbindung in wichtige Auswahlverfahren der Justiz zu einer deutlichen Steigerung der Transparenz beiträgt. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wissen dann aus erster Hand, wie es um die Bewerberlage in der niedersächsischen Justiz bestellt ist. Das betrifft sowohl diejenigen Stellen, in denen eine Auswahlentscheidung unter mehreren hervorragend geeigneten Persönlichkeiten zu treffen ist, als auch diejenigen Verfahren, in denen es uns nur mit enormer Anstrengung gelingt, offene Stellen vornehmlich an kleineren Gerichten im ländlichen Raum mit geeigneten Bewerberinnen oder Bewerbern zu besetzen. Nur wer die spezifischen Verhältnisse der niedersächsischen Justiz aus eigener Anschauung kennt, wird auch aus Überzeugung in diesem Hause dafür eintreten, personelle und sachliche Rahmenbedingungen zu erhalten oder zu schaffen, die wir für eine starke und unabhängige Justiz brauchen.

Mir ist bewusst, dass gegenwärtig nicht alle unter Ihnen einen Mehrwert in einer künftigen Einbindung des Wahlausschusses in wichtige Personalentscheidungen der Justiz anerkennen. Gegen die Einrichtung eines Wahlausschusses wird im Wesentlichen angeführt, es bestehe die Gefahr einer stärkeren politischen Einflussnahme auf die Stellenbesetzungsverfahren. Dieses Argument ist nicht neu. Es wurde bereits im Rahmen der Sachverständigen-Anhörung des Sonderausschusses „Niedersächsische Verfassung“ im Jahre 1991 im Rahmen der Beratungen des heutigen Artikels 51 Absatz 3 vorgebracht. Die Mehrzahl der seinerzeit vom Sonderausschuss angehörten Sachverständigen hat diese Skepsis allerdings nicht geteilt und sprach sich schon damals für die Einrichtung eines Richterwahlausschusses in Niedersachsen aus. Eine der Begründungen lautete, es gebe schlechterdings keine andere Institution, die parteipolitische Einflussnahme auf die Berufung von Richterinnen und Richtern besser unterbinden könne als ein Richterwahlausschuss. Ich teile ausdrücklich diese positive Sicht der Dinge. Das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen ist deshalb gerechtfertigt, weil wir den Wahlausschuss so konzipiert haben, dass parteipolitische Einflussnahme und Kompensationsgeschäfte ausgeschlossen erscheinen. Hierfür sorgt zum einen die erforderliche qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen für eine erfolgreiche Wahl einer Bewerberin oder eines Bewerbers. Zum anderen wird die Besetzung des Wahlausschusses mit vier Angehörigen der Justiz die Gewähr dafür bieten, dass eine erfolgreiche Wahl nur zustande kommt, wenn auch richterliche oder staatsanwaltliche Mitglieder des Wahlausschusses davon überzeugt sind, dass die oder der Gewählte nach dem Grundsatz der Bestenauslese zu wählen ist.

Ich bin schon jetzt davon überzeugt, dass sich das Ergebnis Ihrer Beratungen des vorgelegten Gesetzentwurfs wird sehen lassen können. Niedersachsen wird eines der modernsten Richtergesetze im bundesweiten Vergleich bekommen. Lassen Sie uns daher gemeinsam wichtige Voraussetzungen für die Gerechtigkeit in unserem Land schaffen, indem wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für eine gestärkte, weil eigenverantwortliche Justiz in Niedersachsen eintreten.

Gerechtigkeit braucht eine eigenverantwortliche Justiz!“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.06.2017

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