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Jugendkriminalität

Die Jugendkriminalität ist ein Gradmesser für die Lage von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft. Sie spiegelt in gewissem Maße die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Junge Menschen sind die Zukunft der Gesellschaft. Geht es Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden gut, bestehen gute Aussichten für die gesellschaftliche Entwicklung in der Zukunft. Sind sie beispielsweise durch Jugendkriminalität belastet, besteht ein Risiko, dass eine Kriminalitätsgefährdung in das Erwachsenenalter hineingetragen wird. Deswegen ist es wichtig, Jugendkriminalität in den Blick zu nehmen und zu prüfen, wie sie insbesondere durch geeignete Maßnahmen verhindert werden kann.

Als Jugendkriminalität werden Straftaten junger Menschen in drei Altersstufen erfasst:

  1. Kinder (unter 14 Jahren): Kinder können nicht bestraft werden. Sie werden aber bei Straftaten aus Gründen der Prävention polizeilich registriert.
  2. Jugendliche (14 bis 17 Jahre): Für Jugendliche findet das Jugendstrafrecht nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) Anwendung. Sie sind strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zur Zeit der Tat nach ihrer Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
  3. Heranwachsende (18 bis 20 Jahre): Für Heranwachsende gelten jugendstrafrechtliche Regeln, wenn sie zur Zeit der Tat in ihrer Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstanden oder es sich um eine jugendtypische Verfehlung handelte. Ansonsten findet das allgemeine Strafrecht Anwendung.

Nach aller Erfahrung begehen Jugendliche und Heranwachsende deutlich mehr Straftaten als Erwachsene. Kriminologen sprechen von der „Normalität" der Jugendkriminalität, weil diese Häufung strafrechtlichen Verhaltens im Laufe der Entwicklung junger Menschen seit langem bekannt ist und als historisch und kulturell universell bezeichnet werden kann. Jugendkriminalität kommt dabei in allen sozialen Schichten vor und zeigt sich bei einer Vielzahl junger Menschen im Laufe des Reifungsprozesses. So waren20169 % aller Tatverdächtigen jugendlich, der Anteil der Jugendlichen an der Wohnbevölkerung betrug hingegen lediglich 4.29 %. Bei den Heranwachsenden lag der Anteil der Tatverdächtigen bei 9,9 %, wohingegen sie nur mit einem Anteil von 3,34 % an der Wohnbevölkerung vertreten waren.

Strafbares Verhalten von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ist dabei nach kriminologischen Erkenntnissen weit überwiegend ein vorübergehendes Phänomen. Es tritt statistisch gesehen ab dem Alter von zehn bis zwölf Jahren beginnend auf und steigert sich im jugendlichen Alter. Die statistische Kurve erreicht mit zum Alter von siebzehn bis achtzehn Jahren ihren Höhepunkt und sinkt danach ab. Mit dem Übergang junger Menschen in Ausbildung, Beruf und Partnerschaft nimmt die Kriminalitätsrate deutlich ab und erreicht schließlich das allgemeine gesellschaftliche Niveau. Allerdings gibt es auch eine gewisse Zahl junger Menschen, die in jungen Jahren in erheblichem Maße strafrechtlich auffällig werden und bei denen die Gefahr besteht, dass sich ihr Verhalten nicht ohne weiteres umstellt. Diese Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden sind dabei aufgrund verschiedener Umstände zum Teil erheblichen Risikofaktoren ausgesetzt, denen es zu begegnen gilt, um sie dauerhaft von Straftaten abzuhalten. Es ist daher ein Anliegen der Gesellschaft insgesamt und damit auch der Justiz, dass aus gefährdeten Kindern und Jugendlichen keine gefährlichen Erwachsenen werden.

Das Ausmaß der Jugendkriminalität ist seit den 1990er Jahren zunächst erheblich angestiegen. Seit dem Jahr 2010 ist allerdings ein deutlicher Rückgang der Jugendkriminalität in Niedersachsen festzustellen. Dabei sprechen die statistischen Ergebnisse für einen erheblichen Erfolg der Prävention von Jugendkriminalität in Niedersachsen.

Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2016 in Niedersachsen 19.996 jugendliche Tatverdächtige polizeilich registriert. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl der registrierten jugendlichen Tatverdächtigen um 1,74 %. Seit dem Jahr 2009 ist ein Rückgang um über 33 % zu verzeichnen. Bei Heranwachsenden wurden 21.967 Tatverdächtige polizeilich festgestellt. Hier stieg die Zahl der heranwachsenden Tatverdächtigen2016 gegenüber dem Vorjahr leicht an, insgesamt ist die Zahl aber seit 2009 um über 17 % zurückgegangen. Bei Kindern wurden 6.250 Tatverdächtige von der Polizei erfasst. Die Zahl der Tatverdächtigen sank dabei um 5,3 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zum Jahr 2009 ist die Anzahl der kindlichen Tatverdächtigen um über 47 % gesunken.

Diagramm über minderjährige Tatverdächtige in den Jahren 2008 bis 2017   Bildrechte: Quelle: Landeskriminalamt Niedersachsen, Jahresbericht Jugenddelinquenz und Jugendgefährdung in Niedersachsen 2017
Minderjährige Tatverdächtige 2008 bis 2017

(Quelle: Landeskriminalamt Niedersachsen, Jahresbericht Jugenddelinquenz und Jugendgefährdung in Niedersachsen 2017)


Weitere statistische Informationen finden Sie im „Jahresbericht Jugenddelinquenz und Jugendgefährdung in Niedersachsen 2017" des Landeskriminalamtes unter http://www.lka.polizei-nds.de/startseite/praevention/kinder_und_jugend/jahresberichte-112158.html.

Beim Umgang mit Jugendkriminalität ist es wichtig, nicht erst tätig zu werden, wenn junge Menschen straffällig geworden sind, sondern durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass sie überhaupt Straftaten begehen. Der Prävention kommt damit in diesem Bereich eine entscheidende Rolle zu. In den letzten Jahren haben die Städte, Gemeinden und Landkreise als Ort und Handlungsfeld der Prävention erheblich an Bedeutung gewonnen. Aktuell sind in Niedersachsen rund 200 kommunale Präventionsgremien aktiv; viele von ihnen beschäftigen sich mit dem Thema Prävention von Jugenddelinquenz. Die interdisziplinäre Zusammensetzung der Präventionsgremien und der regelmäßige Austausch gewährleisten, dass Probleme vor Ort rasch identifiziert und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. Es ist die Aufgabe des Landespräventionsrates Niedersachsen, die kommunalen Präventionsgremien zu beraten und zu unterstützen.

Weitere Informationen zu Präventionsansätzen können über die Website des Landespräventionsrats Niedersachsen unter www.lpr.niedersachsen.de oder über die Website www.ctc-info.de abgerufen werden.

Kommt es trotz präventiver Maßnahmen zu Straftaten junger Menschen, ist ein gut differenziertes und abgestimmtes Handeln von großer Bedeutung. Die Anwendung des Strafrechts kann nur die letzte Möglichkeit sein, den Rechtsfrieden in der Gesellschaft zu erhalten. Straffällig gewordene Jugendliche müssen allerdings rechtzeitig aus strafbaren Verhaltensmustern herausgelöst und in Schule und Gesellschaft re-integriert werden.

Wenn Jugendliche und Heranwachsende leichte bis mittlere Verfehlungen begehen, handelt es sich häufig um entwicklungsbedingtes und deswegen einmaliges oder episodenhaftes Verhalten, welches auch ohne Verurteilung nicht wiederholt wird oder sich verfestigt (jugendtypisches Fehlverhalten). Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist eine förmliche jugendgerichtliche Verurteilung in Fällen jugendtypischen Fehlverhaltens erzieherisch in der Regel nicht erforderlich. Sie kann auch im Hinblick auf die Behandlung vergleichbarer Straftaten anderer junger oder erwachsener Personen unverhältnismäßig sein. Andererseits können kleine und mittlere Verfehlungen auch Ausdruck eines erzieherischen Defizits bis hin zum Beginn der Entwicklung einer kriminellen Karriere sein. Aufgabe der Polizei, der Staatsanwaltschaften und der Gerichten ist es, in allen Fällen zeitnah, im Einzelfall erzieherisch angemessen, verhältnismäßig und nötigenfalls abgestuft auf Verfehlungen zu reagieren.

Das Jugendgerichtsgesetz sieht eine Reihe von Möglichkeiten vor, ein Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende einzustellen (Diversion). Dies dient einerseits dem Wohl der jungen Menschen, da sie nicht mit dem Druck eines formellen gerichtlichen Verfahrens belastet werden. Andererseits gewährleistet die Diversion eine schnelle erzieherische Reaktion. In der Praxis hat sich diese Verfahrensregelung bewährt. Während Gerichtsverfahren regelmäßig allein aufgrund der formellen Verfahrensvorschriften bis zum Urteil eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, werden in Diversionsverfahren sehr kurze Reaktionszeiten bis zur Durchführung erzieherischer Maßnahmen erreicht. Dies führt dazu, dass die gesellschaftliche Reaktion auf Straftaten schnell und damit erzieherisch besonders wirksam erfolgt.

Helfen derartige Maßnahmen nicht oder kommen sie im Einzelfall nicht in Betracht, bietet das Jugendstrafrecht eine breite Palette von Reaktionsmöglichkeiten auf das straffällige Verhalten Jugendlicher und Heranwachsender. Diese reicht von der Verwarnung, erzieherischen Weisungen, Betreuung durch pädagogische Fachkräfte sowie soziale Trainingskurse über gemeinnützige Arbeitsleistungen, Geldauflagen, Wiedergutmachungspflichten und betreutes Wohnen bis hin zum Jugendarrest sowie der Jugendstrafe mit und ohne Bewährung. Vorrang vor Repression haben dabei Jugendhilfe und Prävention. Das Jugendgerichtsgesetz ist vom Erziehungsgedanken geprägt. Ziel ist es, der Begehung weiterer Straftaten vorzubeugen.

Kommt es zu mehrfachen oder erheblichen strafrechtlichen Auffälligkeiten junger Menschen (Schwellen- oder Intensivtäterschaft) fällt der engen Zusammenarbeit aller Behörden und Institutionen eine Schlüsselrolle beim Umgang mit den jungen Menschen zu. In Niedersachsen stimmen sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit Schulen und anderen Behörden gemeinsam ab. Durch gemeinschaftliches konsequentes Handeln ist es in Niedersachsen gelungen, die Zahl der minderjährigen Intensivtäterinnen und Intensivtäter von 91 Personen im Jahr 2010 auf 57 im Jahr 2017 zu senken.

Für die Gründe des kurzfristigen Wiederanstiegs der registrierten Fälle von Jugendkriminalität sind vielfältige Thesen denkbar. Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik geben naturgemäß lediglich das sogenannte „Hellfeld“ wieder, also die Fälle, die der Polizei durch eine Anzeige oder eigene Ermittlungen bekannt geworden sind. Ob auch die Fälle im Dunkelfeld zugenommen haben oder lediglich die Ermittlungs- bzw. Anzeigequote gestiegen ist, kann aus der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht ermittelt werden, sondern bedürfte einer wissenschaftlichen Untersuchung. Zunächst wird abzuwarten bleiben, ob sich der Trend des Anstiegs der Jugenddelinquenz im Hellfeld weiter fortsetzt oder es sich um einen einmaligen Ausreißer handelte. Fest steht, dass Maßnahmen gegen Delinquenz von Minderjährigen und Heranwachsenden kontinuierlich fortgesetzt, weiterentwickelt und gegebenenfalls intensiviert werden sollten.

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