Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Mord im Loccumer Klosterwald (Teil 4) - Warum stimmte die Staatsanwaltschaft dem Freigang zu?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 4. Mai 2016, Mündliche Anfrage Nr. 17


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 17 der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann (CDU):

Vorbemerkung der Abgeordneten

Im September 2015 wurde die Leiche einer ermordeten jungen Frau aus Bad Rehburg im Loccumer Klosterwald von ihrem Vater gefunden. Nun wurde ein 48-jähriger Mann, der bereits mehrfach wegen Vergewaltigung verurteilt worden war und für den bereits die Sicherungsverwahrung angeordnet war, als mutmaßlicher Täter festgenommen. Dieser Mann war wegen seiner Alkoholsucht Patient des benachbarten Maßregelvollzuges und soll die Tat während eines Freiganges begangen haben.

Die Bild-Zeitung berichtete am 18. April 2016 („Judith (23) von Freigänger erstickt - So schlampten Justiz und Polizei“), dass die kriminelle Karriere des mutmaßlichen Täters in den 90er-Jahren begonnen und sich gesteigert habe: „Diebstahl, Einbruch, versuchte Vergewaltigung, Vergewaltigung. Er saß im Knast, kam auf Bewährung raus, verstieß gegen Auflagen. 2012 wurde er erneut in Aurich wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu vier Jahren und zehn Monaten verurteilt - und zu Sicherungsverwahrung!“

In dem Artikel sagt der Göttinger Polizeipräsident: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass einem Verurteilten mit Sicherungsverwahrung unbegleiteter Ausgang genehmigt wurde.“

In einem Kommentar schreibt die Hannoversche Allgemeine Zeitung am 16. April 2016 zu diesem Fall: „So einen Mann haben die Therapeuten allein auf die Straße gelassen - genehmigt von der Staatsanwaltschaft. Man versteht es nicht.“

Vorbemerkung der Landesregierung

Freigang im Sinne des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes ist eine besondere Form der Lockerung des Vollzugs, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die untergebrachte Person außerhalb der Einrichtung regelmäßig einer Beschäftigung ohne Aufsicht nachgeht (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 MVollzG). Diese Form der Lockerung wurde dem Untergebrachten, gegen den die Staatsanwaltschaft Verden wegen Totschlags ermittelt, nicht gewährt. Er erhielt jedoch andere unbegleitete Vollzugslockerungen, worauf sich die nachfolgende Antwort der Landesregierung bezieht.

1. Wie war die zuständige Staatsanwaltschaft an der Entscheidung beteiligt, dem mutmaßlichen Täter unbegleiteten Freigang zu gewähren?

Die für die Gewährung von Vollzugslockerungen gemäß Ziffer 1. des Gemeinsamen Runderlasses von MS und MJ vom 20.12.2013 zuständige Leitung des Maßregelvollzugszentrums Bad Rehburg wandte sich mit Schreiben vom 17.12.2014 an die Staatsanwaltschaft Aurich. Das Maßregelvollzugszentrum Bad Rehburg berichtete in dem Schreiben detailliert über eine „positive Behandlungsentwicklung“ und bat die Vollstreckungsbehörde um deren gemäß § 15 Abs. 5 MVollzG i.V.m. Ziffer 4.2. des genannten Erlasses erforderliche Zustimmung für sukzessive zu gewährende, unbegleitete Lockerungen. In dem Schreiben wurde ausdrücklich erklärt, die nach Ziffer 2 des Erlasses bei erstmaliger Gewährung von Freigang, Ausgang oder Urlaub einzuholende Stellungnahme des Prognoseteams liege vor und befürworte die Lockerungsgewährung. Die Staatsanwaltschaft Aurich erteilte mit Verfügung vom 22.12.2014 ihre Zustimmung zu diesem Lockerungsprogramm.

2. Wie und auf welcher Grundlage beurteilte die Staatsanwaltschaft die von dem mutmaßlichen Täter ausgehende Gefahr?

Die Staatsanwaltschaft Aurich orientierte sich bei ihrer Zustimmung an ihren Erkenntnissen (Anlassurteil, weitere Vorstrafen, keine Hinweise auf neue Delikte) und an dem Schreiben des Maßregelvollzugszentrums Bad Rehburg vom 17.12.2014, in dem ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie ein Diplom-Psychologe unter Hinweis auf das Votum des Prognoseteams die Gründe für die begehrte Zustimmung zu unbegleiteten Vollzugslockerungen dargelegt haben.

3. Warum wurde die Polizei von der Staatsanwaltschaft nicht in die Entscheidung einbezogen bzw. nicht wenigstens informiert, dass Freigang gewährt wird?

Die Staatsanwaltschaft hatte bei der Erteilung ihrer Zustimmung vom 22.12.2014 keinen Grund zu der Annahme, dass die Beteiligung der Polizei zu neuen Erkenntnissen führen würde. Die Staatsanwaltschaft konnte die Polizei von den späteren Lockerungen nicht in Kenntnis setzen, weil sie nicht wusste, ob und wann die zuständige Vollzugsleitung die Lockerungen gewähren würde.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
04.05.2016

Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162

www.mj.niedersachsen.de

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln