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Rede der Niedersächsischen Justizministerin Niewisch-Lennartz in der 944. Sitzung des Bundesrats am 22.4.2016 zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung

Es gilt das gesprochene Wort!


„In der medialen Berichterstattung der letzten Wochen nimmt nicht nur die Diskussion um die Meinungs- und Kunstfreiheit einen breiten Raum ein. Auch die bestehende Wohnungsnot und die damit einhergehenden steigenden Mieten beschäftigen die Menschen. Von daher ist es nur folgerichtig, dass der Erwerb von Wohneigentum immer stärker in den Fokus rückt. Die Bauwirtschaft boomt. Es ist die richtige Zeit, um über ein modernes Bauvertragsrecht zu diskutieren, das nicht nur Rechtssicherheit schafft, sondern auch die Verbraucherinteressen im Blick behält. Deshalb begrüße ich es, dass die Bundesregierung den hier diskutierten Gesetzentwurf vorgelegt hat.

Zur Illustration möchte ich hier nur einen wichtigen Aspekt aus dem Gewährleistungsrecht herausgreifen:

Im ersten Teil des Gesetzentwurfs soll endlich ein Missstand beseitigt werden, der infolge einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 2011 entstanden ist. Soweit ein Handwerker einen von ihm erworbenen mangelbehafteten Gegenstand bei seinem Kunden verbaut, wurde er – zu Recht – verpflichtet, den mangelhaften Gegenstand kostenlos wieder auszubauen und durch einen mangelfreien zu ersetzen. Infolge dieser Rechtsprechung ist allerdings für den Handwerker eine Unwucht entstanden. Er musste die Aus- und Wiedereinbaukosten bezahlen, obwohl er die Mangelhaftigkeit des von ihm verbauten Gegenstandes in der Regel nicht zu vertreten hat.

Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hat im Frühjahr 2015 auf den Antrag Niedersachsens einstimmig das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, das Gewährleistungsrecht entsprechend zu ändern

Ich freue mich, dass die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der dieses Thema aufgreift. Über die konkrete Ausgestaltung der Regelungsinhalte ließe sich trefflich streiten, wie zum Beispiel, ob die Regresspflicht des Verkäufers auch AGB-fest ausgestaltet werden soll. Wichtig ist mir indes, dass das Thema bearbeitet und der Missstand beseitigt wird. Ich bin zuversichtlich, dass dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingen kann.

Aber auch der zweite Teil des Gesetzentwurfs enthält richtige und wichtige Weichenstellungen: Bislang ist das Bauvertragsrecht noch weitgehend ungeregelt und damit dem Kräftespiel der Parteien überlassen. Zivilrechtliche Bauverträge bestimmen sich nach dem Werkvertragsrecht, das nur wenige Spezialnormen für den Baubereich bereithält. Dies ist fahrlässig. Gerade Bauverträge sind vom Auftragsvolumen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für die Unternehmen, bedeutend. Die meisten von uns schließen im Leben nur einen einzigen Bauvertrag ab. Dabei ist es essentiell, diesen fair und ausgewogen zu gestalten. Wenn die Rechtslage unklar und der Vertragspartner schlecht ausgewählt ist, kann dies weitreichende Auswirkungen haben, die bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz reichen.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich es ausdrücklich, dass mit dem vorliegenden Entwurf ein modernes und verbraucherfreundliches Bauvertragsrecht geschaffen werden soll. Sowohl der Unternehmer als auch die Verbraucher werden in Zukunft genauer wissen, an welche Regeln sie sich zu halten haben, wenn sie einen Bauvertrag schließen. Ich begrüße es daher, dass zukünftig die Unternehmer verpflichtet sein werden, vor Vertragsschluss eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen, die Mindestanforderungen genügt.

Ich begrüße es, dass für die Verbraucherinnen und Verbraucher nunmehr im Bauvertragsrecht – wie in sonstigen wichtigen Rechtsgebieten auch – ein Widerrufsrecht eingeführt werden soll.

Wichtig ist mir aber ebenso, dass ihnen das sogenannte Anordnungsrecht zugestanden werden soll. Dies hilft, das Ungleichgewicht zwischen Unternehmer und Bauherren zu minimieren. Zwar weist der Regierungsentwurf zum Anordnungsrecht und dessen Vergütung noch einige kleinere Unwuchten auf. Doch mit einigen klugen Anregungen aus dem Bundesrat, über die wir heute entscheiden werden, dürften diese im Wesentlichen beseitigt werden. Daher appelliere ich an Sie, den Antrag nicht zu unterstützen, der sich gegen die Einführung des Anordnungsrechts ausspricht. Dies wäre ein falsches Zeichen. Dieses Anordnungsrecht ist ein wichtiger Baustein für ein verbraucherfreundliches Bauvertragsrecht und meines Erachtens ein Kernbereich dieses Gesetzentwurfs.

Ich möchte im Übrigen hervorheben, dass der Gesetzentwurf auch beim Anordnungsrecht im Konfliktfall auf eine konsensuale Streitbeilegung größeren Wert legt. Dies ist ein richtiger und wichtiger Weg, den Niedersachsen im justiziellen Bereich bereits seit mehr als 10 Jahren beschreitet. Die Parteien sollen vor Ort ihre Probleme lösen. Das spart Zeit, Kosten und Nerven.

Ich weiß aber auch, dass dieses Anordnungsrecht aus der Bauwirtschaft viel Kritik erfahren hat. Auch deren legitime Interessen müssen beachtet werden! So scheint mir die vorgeschlagene Erhöhung, des Sicherungseinbehalts des Bauherrn von 5 auf 10 % übertrieben. Die Bauherrinnen und Bauherren wären auf diese Weise doppelt abgesichert, da ihnen ja schon das Recht zugestanden werden soll, bei streitigen Positionen zunächst nur 90 % der vereinbarten Vergütung zahlen zu müssen.

Letztlich möchte ich anmerken: Gerade für die Handwerkerinnen und Handwerker ist es wichtig, dass die angestrebte Korrektur im Bereich des Gewährleistungsrechts möglichst zügig umgesetzt wird. Dies entnehme ich den zahlreichenden Äußerungen aus der Handwerkerschaft, die mich zu diesem Thema erreichen. Im Einklang mit einem in diese Richtung zielenden Antrag, über den wir sogleich abzustimmen haben, geht mein deutlicher Appell daher in Richtung Bundestag: Die geplante Reform muss zeitnah Rechtswirklichkeit werden!“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.04.2016
zuletzt aktualisiert am:
25.04.2016

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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