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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „TTIP und CETA: Hätte ein Schiedsgerichtshof die gleichen juristischen Standards wie unser bewährtes Justizsystem?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. April 2016, Mündliche Anfrage Nr. 25


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 25 der Abgeordneten Miriam Staudte und Abgeordneter Helge Limburg (GRÜNE):

Vorbemerkung der Abgeordneten

In den Freihandelsabkommen TTIP und CETA wurde zunächst geplant, Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Staaten vor privaten Schiedsgerichten auf Investitionsschutz zu verklagen. Proteste haben dazu geführt, dass nun stattdessen das Modell eines Investitionsgerichtshofs diskutiert wird. Der Deutsche Richterbundbund stellt in seiner Stellungnahme zum geplanten Investitionsgerichthof jedoch fest, dass dieses Modell nicht mit dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten vereinbar ist, da er in ihre Rechtsprechungskompetenz eingreift.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung war und ist an den Verhandlungen über die in der Vorbemerkung der Abgeordneten genannten Abkommen weder beteiligt, noch liegen ihr umfassende Informationen über den aktuellen Stand dieser Verhandlungen vor. Eine abschließende Bewertung dieser Abkommen durch die Landesregierung ist daher zurzeit weder möglich noch veranlasst.

1. Welche Rechtsgrundlage sieht die Landesregierung für einen Investitionsgerichtshof?

Die TTIP- und CETA-Verhandlungen werden auf Artikel 207 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Verbindung mit Artikel 218 AEUV gestützt. Diese Vorschriften legen neben den inhaltlichen Kompetenzen der EU den Ablauf des Vertragsabschlusses und die Funktionen der EU-Institutionen fest. Der Rat und die Kommission haben nach Artikel 207 Abs. 3 Satz 3 AEUV dafür Sorge zu tragen, dass die ausgehandelten Abkommen mit der internen Politik und den internen Vorschriften der Union vereinbar sind.

Bisher ist lediglich ein nur in englischer Sprache vorliegender neuer Entwurf der Europäischen Kommission für das Chapter „Investment“ der TTIP-Verhandlungen veröffentlicht, der Vorschläge zur Regelung von unter den Vertrag fallenden Investitionsstreitigkeiten enthält. Diesen Entwurf präsentierte die Kommission ausweislich ihres „Public Report - March 2016“ während der 12. TTIP-Verhandlungsrunde vom 22. bis 26.Februar 2016 erstmals den USA ausführlich. Die Verhandlungen zu TTIP anhand des neuen Entwurfs haben demnach gerade erst begonnen. Ob und in welcher Ausgestaltung Regelungen zur Frage von Investitionsstreitigkeiten Gegenstand des TTIP-Abkommens sein werden, ist demnach Gegenstand laufender Verhandlungen. Dies zeigt sich bereits daran, dass durch den neuen Entwurf eine im Vergleich zur bisherigen Fassung vollkommen neue Ausgestaltung des Chapters erfolgte. Die Frage einer Kompetenz lässt sich aber erst dann abschließend klären, wenn der zu prüfende Regelungsgegenstand, der Gegenstand der Kompetenzprüfung sein soll, feststeht. Auch das Verfahren in Bezug auf CETA ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Die zwischen Kanada und der Kommission abgestimmte Textfassung muss nunmehr zunächst in alle Amtssprachen der EU übersetzt und sodann von Rat und Europäischem Parlament behandelt werden.

2. Wo liegen die Unterschiede zwischen einem internationalem Investitionsgerichtshof und unserem bewährten Rechtssystem, was juristische Standards angeht?

Der bislang vorliegende und noch im Europäischen Rat sowie im Europäischen Parlament zu diskutierende Vorschlag der Kommission sieht für TTIP die Schaffung eines ständigen Investitionsgerichtshofs („Investment Court System“) vor. In den finalen, von den Vertragsparteien noch zu ratifizierenden Text von CETA hat ein solcher Gerichtshof bereits Aufnahme gefunden (Kapitel 8, Abschnitt D, „Investment Protection“).

Der Gerichtshof besteht aus einer Eingangsinstanz („Tribunal of First Instance“ [TTIP] bzw. „Tribunal [CETA]), bestehend aus 15 Richtern, sowie einer Berufungsinstanz („Appeal Tribunal“) mit sechs Richtern (für die zweite Instanz keine zahlenmäßige Festlegung in CETA). Jeweils ein Drittel der Richter besteht aus Staatsangehörigen der USA bzw. Kanadas, der EU sowie von Drittstaaten. Es muss sich um ausgewiesene Experten im Völkerrecht und vorzugsweise auch im Internationalen Handelsrecht und im Investitionsschutzrecht einschließlich des Rechts der Streitbeilegung handeln. Die Richter müssen volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten. Ihre Berufung erfolgt durch das jeweilige Gemeinsame Vertragskomitee, das die Ausführung des Vertrags überwacht und begleitet. Die Richter werden für sechs (TTIP-Vorschlag) bzw. fünf (CETA) Jahre mit einmaliger Verlängerungsoption berufen. Sie müssen für eine Tätigkeit am Gericht ständig zur Verfügung stehen und erhalten deshalb eine Grundvergütung von rund 2.000,- EUR/Monat in der ersten und 7.000,-/EUR in der zweiten Instanz („retainer fee“; für die zweite Instanz keine Festlegung in CETA). Zuständig ist das Gericht allein für die Entscheidung, ob eine staatliche Maßnahme - ausgehend von den Vertragsparteien USA bzw. Kanada und EU sowie den Mitgliedstaaten - ein geschütztes Investment rechtswidrig behandelt. Klageberechtigt sind Investoren aus dem Gebiet der Vertragsparteien. Einer Klage geht ein obligatorisches außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren voraus. Das gerichtliche Verfahren wird in der Regel auf der Grundlage der UNCITRAL Streitbeilegungsregeln oder der Regeln des Internationalen Zentrums für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, einer Einrichtung der Weltbank-Gruppe, geführt. Es ist in weiten Teilen öffentlich; zentrale Dokumente müssen auf der Grundlage der UNCITRAL Transparenzregeln der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bei einer Verletzung von Investitionsschutzregeln kann der Gerichtshof lediglich Schadensersatz oder Wiederherstellung von Eigentumsrechten zusprechen. Auf lange Sicht könnten die vorgesehenen Gerichtshöfe die Keimzelle für einen multilateralen Investitionsgerichtshof bilden.

Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass kein „Internationaler Investitionsgerichtshof“, sondern lediglich eine begrenzte Gerichtsbarkeit zur Streitbeilegung mit dem Ziel des Schutzes von Investoren aus dem Gebiet der Vertragsparteien vorgesehen ist. Der Sache nach handelt es sich eher um ein ständiges Schiedsgericht mit begrenztem Auftrag, das allerdings für Dritte - die Investoren - zugänglich ist. Dessen Ausgestaltung orientiert sich an den bestehenden völkerrechtlichen Standards für derartige Gerichte. Mit den bestehenden nationalen Systemen des gerichtlichen Rechtsschutzes ist es aufgrund seiner Grundlage in einem völkerrechtlichen Vertrag, seines begrenzten Auftrags und seiner eng begrenzten Rechtsschutzmöglichkeiten nicht vergleichbar.

3. Würde die Einrichtung eines Schiedsgerichtshofs aus Sicht der Landesregierung zu einer Verbesserung unseres Justizsystems beitragen?

TTIP und CETA sind als völkerrechtliche Abkommen konzipiert, die bisher nicht abschließend verabschiedet wurden und daher einer abschließenden Bewertung noch nicht zugänglich sind. Eine Orientierung auf die Verbesserung nationaler Justizsysteme ist nicht erkennbar.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.04.2016

Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162

www.mj.niedersachsen.de

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