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Antwort auf die Mündliche Anfrage: „Wie stark belastet die Flüchtlingskrise die niedersächsischen Gerichte?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13. November 2015, Mündliche Anfrage Nr. 30


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 30 der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann (CDU):

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete in ihrer Ausgabe vom 24. Oktober 2015 („Flüchtlinge überlasten die Justiz“), dass sich an den Verwaltungsgerichten Klagen von abgelehnten Asylbewerbern stauen würden. Nun melde auch das Sozialgericht in Berlin, dass sich dort die Zahl der Verfahren von Asylbewerbern in den ersten drei Oktoberwochen mehr als verdoppelt habe.

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 21. Oktober 2015, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück einen hohen Aufwand wegen der Einleitung von Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetzes habe. Nach dem Legalitätsprinzip müsse gegen jeden Flüchtling, der aus einem sicheren Drittstaat gekommen sei, ein Verfahren eingeleitet werden. Dies sei mit einem erheblichen Aufwand verbunden, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück.

In der Plenarsitzung vom 14. Oktober 2015 stellte ich der Landesregierung bereits die Frage, ob die Verwaltungsgerichte so aufgestellt seien, dass Klageverfahren von abgelehnten Asylbewerbern zügig abgearbeitet werden könnten. Hierauf antwortete der Innenminister, dass es nach allem, was er wisse, dort einen Stellenaufwuchs gegeben habe, aber im Zweifel könne dies die Justizministerin besser beantworten. Die Justizministerin machte jedoch keine Ergänzungen auf die Frage.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die nachstehenden Angaben beziehen sich ausschließlich auf die jeweils aufgeführten Zeiträume. Prognosen für die weitere Entwicklung sind auf dieser Grundlage nicht möglich.

1. Wie belastet ist die niedersächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Verfahren, die im Bezug zu Flüchtlingen stehen?

In den Asylkammern der niedersächsischen Verwaltungsgerichte sind im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 30. September 2015 6.879 Verfahren (3.933 Klagen und 2.946 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz) eingegangen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit 5.884 Verfahren (3.280 Klagen und 2.604 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz) ist damit ein Zuwachs um 16,9% zu verzeichnen. Im gesamten Jahr 2014 sind in den Asylkammern 7.958 Verfahren (4.412 Klagen und 3.546 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz) eingegangen.

Die weitere Entwicklung wird genau beobachtet.

2. Wie belastet ist die niedersächsische Sozialgerichtsbarkeit mit Verfahren, die im Bezug zu Flüchtlingen stehen?

Bei den niedersächsischen Sozialgerichten sind in Angelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den ersten 3 Quartalen 2015 170 Verfahren (110 Klagen und 60 Anträge auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz) eingegangen. Gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum (131 Klagen und 50 Anträge auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz) ist ein Rückgang um 6,1% festzustellen. Im gesamten Jahr 2014 sind in Angelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 259 Verfahren (181 Klagen und 78 Anträge auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz) eingegangen. Ihr Anteil an den Gesamteingängen beträgt in allen 3 Zeiträumen 0,6%.

3. Wie belastet sind die Staatsanwaltschaften und Gerichte mit Verfahren wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz?

Sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch bei den Amtsgerichten werden die Sachgebiete „Einschleusung von Ausländern“ (Sachgebiet 55) und „sonstige Straftaten nach dem Aufenthalts-, dem Asylverfahrens- und dem Freizügigkeitsgesetz“ (Sachgebiet 56) erhoben. Die Sachgebiete werden nicht weiter differenziert, so dass die isolierte Darstellung von Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz nicht möglich ist.

In den ersten 3 Quartalen 2015 sind bei den Staatsanwaltschaften in Niedersachsen im Sachgebiet 55 129 und im Sachgebiet 56 13.660 Ermittlungsverfahren neu registriert worden. Dem stehen im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2014 108 Verfahren im Sachgebiet 55 und 6.814 Verfahren im Sachgebiet 56, im gesamten Jahr 2014 154 Verfahren im Sachgebiet 55 und 9.365 Verfahren im Sachgebiet 56 gegenüber. Auf Basis der ersten 3 Quartale ergibt sich im Sachgebiet 55 eine Steigerung um 19,4%, im Sachgebiet 56 um 100,5%.

Für die Amtsgerichte liegen die Auswertungen des Landesamts für Statistik Niedersachsen für das 1. Halbjahr 2015 vor. Dort sind im Sachgebiet 55 im 1. Halbjahr 2015 7, im 1. Halbjahr 2014 2 und im gesamten Jahr 2014 6 Verfahren eingegangen. Im Sachgebiet 56 sind im 1. Halbjahr 2015 85, im 1. Halbjahr 2014 101 und im gesamten Jahr 2014 202 Verfahren eingegangen. Auf Grundlage des 1. Halbjahres ergibt sich im Sachgebiet 55 eine Steigerung um 250%, im Sachgebiet 56 ein Rückgang um 15,8%.

Die Niedersächsische Landesregierung ist bestrebt, eine Entkriminalisierung der Flüchtlinge und eine Verschärfung der Strafbarkeit von Schleusern herbeizuführen. Hierfür hat sie sich auch auf der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 12. November 2015 in Berlin eingesetzt.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.11.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162

www.mj.niedersachsen.de

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