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Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.10.2015, TOP 12 b): Dringliche Anfrage

„VW-Abgasaffäre“ - Hat die Landesregierung Einfluss auf die Staatsanwaltschaft Braunschweig genommen? - Anfrage der Fraktion der FDP, Drs. 17/4390 -


Es gilt das gesprochene Wort!

Rede der Niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz

„Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ist mit Ermittlungen um die sogenannte Abgas-Affäre seit der öffentlichen Berichterstattung hierzu befasst.

In diesem Zusammenhang sind bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig seit dem 21.09.2015 mehrere Strafanzeigen eingegangen, von denen sich einige gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn richteten.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft seitdem im Rahmen von Vorermittlungen einen strafrechtlichen Anfangsverdacht gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn.

Die Anzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft in das Register für Strafsachen (Js-Register) mit einem sogenannten Js-Aktenzeichen eingetragen worden. Grundlage für die Eintragung war § 47 Abs. 1 Satz 2 der Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften - Aktenordnung (AktO) (Nds. Rpfl. 2014, 46). Danach sind Strafanzeigen unabhängig von einem Anfangsverdacht gegen die von dem Anzeigeerstatter beschuldigte Person in das Js-Register für Strafsachen und Bußgeldsachen einzutragen. In der Aktenordnung wird insofern nicht unterschieden zwischen Vorermittlungsverfahren und Ermittlungsverfahren.

Bislang ist gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Ein solches Ermittlungsverfahren setzt gemäß § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme eines Anfangsverdachts gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn voraus. Diese Prüfung war am 28.09.2015 noch nicht abgeschlossen und dauert auch heute noch an.

Seit dem 25.09.2015 sind bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig zahlreiche Presseanfragen eingegangen, ob dort Strafanzeigen gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn vorlägen. Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft sah sich daher veranlasst dazu am 28.09.2015 eine Pressemitteilung herauszugeben, in der es u.a. heißt: „Die Staatsanwaltschaft Braunschweig, Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen, hat aufgrund von Strafanzeigen ein Ermittlungsverfahren gegen Prof. Dr. Martin Winterkorn, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, eingeleitet.“

Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Pressemitteilung vom 28.09.2015 nicht ausreichend klargestellt, dass aufgrund mehrerer Strafanzeigen unter einem Js-Aktenzeichen nur ein Anfangsverdacht geprüft werde. Dadurch ist in der Öffentlichkeit bedauerlicherweise der falsche Eindruck entstanden, dass gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt werde. Dies bedauert die Staatsanwaltschaft Braunschweig sehr und hat sich dafür entschuldigt.

Die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft ist diesem Eindruck in zahlreichen Interviews mit Radio-, Fernseh- und Presseorganen entgegengetreten und hat dabei nachdrücklich klargestellt, dass der Anfangsverdacht im Rahmen des angelegten Js-Vorgangs noch geprüft werde.

Lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich sagen, dass auch ich den Fehler der Staatsanwaltschaft Braunschweig in höchstem Maß bedauerlich finde.

Erst aufgrund der Medienberichterstattung erhielt mein Haus Kenntnis von der Pressemitteilung und erforderte diese bei der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Diese traf per E-Mail um 13.50 Uhr ein.

Der Sachverhalt ist parallel dazu in der Fachabteilung des Justizministeriums am Nachmittag des 28.09.2015 in einem Telefonat zwischen dem Leiter der Strafrechtsabteilung und dem Generalstaatsanwalt in Braunschweig erörtert worden. Der Generalstaatsanwalt in Braunschweig setzte den Leiter der Strafrechtsabteilung im Niedersächsischen Justizministerium am 28.09.2015 telefonisch von dem Umstand in Kenntnis, dass entgegen der Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Braunschweig von diesem Tage tatsächlich noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war. Nach Erhalt der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft führte der Abteilungsleiter Strafrecht noch zwei weitere Telefonate mit der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, in denen er um Richtigstellung bat. Außerdem gab es am Abend des 28.09.2015 je eine SMS des Strafrechtsabteilungsleiters und des Generalstaatsanwalts zu diesem Thema. Hintergrund dieser Kontakte war, dass die falsche Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Braunschweig weiterhin unberichtigt auf der Internetseite der Staatsanwaltschaft zu lesen war. Diesen Umstand nahm auch die Staatssekretärin des Justizministeriums am späten Nachmittag des 28.09.2015 und am Abend des 29.09.2015 zum Anlass, den Generalstaatsanwalt zu bitten, dem in der Öffentlichkeit entstandenen falschen Eindruck entgegenzuwirken und die Pressemitteilung zu korrigieren.

Am späten Nachmittag / frühen Abend des 28.09.2015 wurde die Pressemitteilung schließlich von der Homepage der Staatsanwaltschaft Braunschweig entfernt.

Am 29.09.2015 erfolgte durch die Staatsanwaltschaft Braunschweig eine Korrektur in Form einer Pressemitteilung. Inhaltlich deckte sich die neue Pressemitteilung mit dem Interview vom Vortag. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat diese Presseerklärung lediglich im Internet veröffentlicht. Ein Versand über Presse-Mail-Verteiler unterblieb. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat zwischenzeitlich gegenüber der Pressestelle des Justizministeriums mitgeteilt, man sei davon ausgegangen, dass die meisten Redaktionen ohnehin über neu eingestellte Mitteilungen auch jeweils über den Google Alert eine Nachricht erhalten.

Am 01.10.2015 erfolgte eine Entschuldigung der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Sie bedauerte die Irritationen die sie im Zusammenhang mit der VW-Abgas-Affäre durch missverständliche Pressearbeit hervorgerufen hatte. Der Generalstaatsanwalt aus Braunschweig hat sich mit Schreiben vom 01.10.2015 bei Prof. Dr. Winterkorn für die missverständliche Presseerklärung entschuldigt und klargestellt hat, dass lediglich eine Prüfung eines strafrechtlichen Anfangsverdachts stattfindet.

Zwischenzeitlich wurde seitens der Generalstaatsanwaltschaft das für die zukünftige Pressearbeit Notwendige veranlasst. Unter anderem verstärkt ein in der Öffentlichkeitsarbeit erfahrener Oberstaatsanwalt die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Damit vergleichbare Fehler künftig vermieden werden, habe ich alle Pressesprecher der niedersächsischen Staatsanwaltschaften eingeladen, um sie für die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit noch besser zu sensibilisieren und die Zusammenarbeit künftig besser zu koordinieren. Zusätzlich habe ich eine Prüfung der Aktenordnung und des entsprechenden Formularwesens veranlasst.

Unabhängig von diesen Maßnahmen steht für die Landesregierung außer Frage, dass in einem Rechtsstaat strafrechtliche Verfahren ohne Ansehen der beteiligten Personen und ohne politische Einflussnahme von den zuständigen Staatsanwaltschaften in eigener Verantwortung geführt werden. In diesem Zusammenhang obliegt es allein den zuständigen Staatsanwaltschaften zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen eine bestimmte Person vorliegen.

Ich betone - wenn es denn wirklich erforderlich ist - an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich, dass weder ich selbst noch meine Staatssekretärin noch sonst jemand aus meinem Haus Einfluss auf die Frage genommen haben und es auch in Zukunft nicht tun werden, ob gegen Herrn Prof. Dr. Winterkorn ein Ermittlungsverfahren geführt wird.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Dringliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zur Beantwortung der Frage Nr. 1 und 2 darf ich auf meine vorhergehenden Ausführungen verweisen.

Zu Frage Nr. 3 verweise ich ebenfalls zunächst auf meine bisherigen Ausführungen.

Wie schon ausgeführt, sind Anträge auf Strafverfolgung und eingehende Anzeigen, die sich gegen eine bestimmte Person richten, nach der Aktenordnung bei der Staatsanwaltschaft in das Register für Strafsachen und Bußgeldsachen einzutragen und erhalten ein Js-Aktenzeichen. Dies geschieht unabhängig von einem Anfangsverdacht gegen die von dem Anzeigeerstatter beschuldigte Person.

Innerhalb des Js-Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 152 Abs. 2 der Strafprozessordnung zu prüfen, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte einen Anfangsverdacht gegen die beschuldigte Person begründen, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde. So ist auch nach der Strafanzeige des Herrn Rechtsanwalts Dr. Fritz gegen Herrn Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig verfahren worden, wie die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig berichtet hat.

In dem Verfahren gegen Bundespräsident a.D. Christian Wulff wurden durch die zuständige Staatsanwaltschaft ab Dezember 2011 eine Vielzahl von Eingaben je nach Gehalt entweder als AR-Vorgang (etwa bei Unmutsäußerungen, Kommentaren o.ä.) oder als Js-Sache betreffend Christian Wulff (Strafanzeige) eingetragen. Das spätere Ermittlungsverfahren ist aus einem als Js-Sache geführten Vorgang (Strafanzeigen gegen Bundespräsident Christian Wulff wegen Vorteilsannahme) hervorgegangen.

Eine Auswertung aller zur Prüfung eines strafprozessualen Anfangsverdachts eingeleiteten Verfahren der niedersächsischen Staatsanwaltschaften war diesen zur Beantwortung dieser Anfrage nicht möglich und würde eine Überprüfung des gesamten Aktenbestandes erforderlich machen, was nicht leistbar war.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.10.2015

Ansprechpartner/in:
Herr Marco Hartrich

Nds. Justizministerium
Pressesprecher
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120 - 5162

www.mj.niedersachsen.de

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