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Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet die Mündliche Anfrage „Strafverfolgung von Kämpferinnen und Kämpfern gegen den IS?“

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17. Juni 2015, Mündliche Anfrage Nr. 9


Die Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz beantwortet namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage Nr. 9 der Abgeordneten Helge Limburg, Meta Janssen-Kucz, Belit Onay, Julia Hamburg und Filiz Polat (Grüne):

Vorbemerkung der Abgeordneten

Am 14. Juni 2015 berichteten NDR-Online und Hallo Niedersachsen über mehrere niedersächsische Bürgerinnen und Bürger, die in den Nordirak und nach Syrien reisen oder reisen wollten, um auf Seite der Jeziden und Kurden gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ zu kämpfen. Laut dem Bericht erklärte das Bundesinnenministerium, dass auch die Ausreise, um gegen den Islamischen Staat zu kämpfen, nach deutschem Recht strafbar sei. Wenn deutsche Staatsbürger im Ausland töteten, sei dies in Deutschland strafbar.

Demgegenüber sieht das deutsche Strafgesetzbuch eine differenzierte Bewertung vor. Eine Bestrafung gemäß § 89 a StGB setzt voraus, dass eine Tat geplant wird, die „den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation“ beeinträchtigen soll. Nach Auffassung von Beobachterinnen und Beobachtern gefährden im Irak und in Syrien aber nicht die Kämpferinnen und Kämpfer gegen den IS den Bestand des Irak und Syriens. Vielmehr stellt der IS eine permanente Bedrohung der Sicherheit dieser und anderer Staaten dar. Außerdem ist für eine Bestrafung nach § 89 a StGB eine Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz erforderlich, wenn, wie in den oben beschriebenen Fällen, die Handlungen außerhalb der Europäischen Union stattfinden.

Tötungen in bewaffneten Konflikten sind nach deutschem Strafrecht und dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch nicht generell strafbar. Voraussetzung für eine Strafbarkeit sind entweder Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches oder vorsätzliche Tötungen, die im konkreten Einzelfall auch in einem bewaffneten Konflikt unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls vermeidbar und unverhältnismäßig sind.

Die Bundesregierung unterstützt mittlerweile sowohl kurdische als auch jezidische Kämpferinnen und Kämpfer gegen den IS mit Waffen, Ausrüstung und Ausbildung.

Vorbemerkung der Landesregierung

Nach deutschem Recht können die Teilnahme an bewaffneten Konflikten sowie Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen hierzu unter verschiedenen rechtlichen Aspekten strafbar sein. Hierzu bedarf es einer objektiv wie subjektiv tatbestandlichen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung, der keine Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe entgegenstehen. Deren Feststellung setzt eine Prüfung des Einzelfalles in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht voraus. Dabei muss sich die rechtliche Prüfung insbesondere auch auf Fragen des Völkerrechts erstrecken.

Ausreiseversuche zum Zwecke der Teilnahme an dem bewaffneten Konflikt in der syrisch-irakischen Krisenregion als solche sind dabei erst seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten (GVVG-Änderungsgesetz – GVVG-ÄndG) vom 12.06.2015 (BGBl. I S. 926) zum 20.6.2015 strafbar, durch das ein neuer Absatz 2a in § 89a StGB eingefügt worden ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

1. Liegt eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zur Strafverfolgung von Ausreiseversuchen zum Zwecke des Kampfes gegen den IS in Syrien oder dem Irak vor?

Nein.

Einer derartigen Ermächtigung bedurfte es bislang auch nicht. Das Unternehmen der Ausreise zum Zwecke der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder einer der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen ist überhaupt erst seit Inkrafttreten des GVVG-Änderungsgesetzes zum 20.6.2015 nach § 89a Abs. 2a StGB tatbestandlich. Aber auch nach neuem Recht wird die Erteilung einer Ermächtigung gemäß § 89a Absatz 3 Satz 2, Absatz 4 Satz 1 StGB zur strafrechtlichen Verfolgung der Ausreise oder des Versuchs der Ausreise regelmäßig nicht erforderlich sein, weil diese Taten dann zumindest auch im Inland begangen worden sein werden (sog. Territorialitätsprinzip).

2. Teilt die Landesregierung die in oben genanntem Bericht geäußerte Auffassung des Bundesinnenministeriums, dass auch Handlungen von jezidischen oder kurdischen Kämpferinnen und Kämpfern gegen den IS generell strafbar seien?

Nein. Es bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

3. Werden gegenwärtig Ermittlungsverfahren in Niedersachsen gegen kurdische oder jezidische Kämpferinnen oder Kämpfer gegen den IS geführt und, wenn ja, wie viele?

Von niedersächsischen Staatsanwaltschaften werden aktuell keine einschlägigen Verfahren geführt.

Bisher sind der Landesregierung auch lediglich zwei derartige Ermittlungsverfahren bekannt geworden. Ein Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft Hannover – Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus – bearbeitet worden, die es von einer anderen niedersächsischen Staatsanwaltschaft übernommen und unmittelbar nach § 152 Abs. 2 in Verbindung mit § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Zu Begründung hat diese ausgeführt, dass es an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat fehle, da der sogenannte islamische Staat völkerrechtlich nicht anerkannt sei. Ein weiteres Verfahren hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg geführt und nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Darüber hinaus ist bei der Staatsanwaltschaft in Lüneburg derzeit noch ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Anwerbens für fremden Wehrdienst (§ 109h StGB) anhängig, in welchem Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschuldigte deutsche Staatsangehörige für den bewaffneten Kampf der PKK oder der Partiya Yekitîya Demokrat (PYD) gegen den IS gewinnen wollte.

Ob und wenn ja unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt (z.B. §§ 211, 212 StGB, §§ 129a, 129b StGB oder §§ 8 ff. Völkerstrafgesetzbuch) der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Ermittlungsverfahren gegen kurdische oder jezidische Kämpferinnen und Kämpfer aus Niedersachsen führt, ist der Landesregierung nicht bekannt.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.07.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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