Logo Niedersächsisches Justizministerium: zur Startseite Niedersachsen klar Logo

„Entschließung des Bundesrates für Maßnahmen zur Rehabilitierung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten gemäß §§ 175, 175a Nr. 3 und 4 des Strafgesetzbuches und gemäß § 151 des Strafgesetzbuches der DDR verurteilten Männer“

Rede von Frau Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz am 10. Juli 2015 zu TOP 17 der 935. Sitzung des Bundesrates:


Es gilt das gesprochene Wort!

„Ich freue mich außerordentlich, dass der Bundesrat auf Antrag Berlins nach seinem Beschluss vom 12. Oktober 2012 erneut die Gelegenheit hat, seinen Willen nach einer Rehabilitierung und Entschädigung der Menschen zum Ausdruck zu bringen, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen nach 1945 und in beiden deutschen Staaten verurteilt worden sind. Der Zeitpunkt hierfür ist genau richtig. Denn Ende des Jahres werden die Ergebnisse des in Rheinland-Pfalz laufenden Forschungsprojekts zur Aufarbeitung und Dokumentation der dortigen strafrechtlichen Verfolgung und Diskriminierung homosexueller Menschen erwartet, die vom Institut für Zeitgeschichte München – Berlin in Zusammenarbeit mit der Magnus-Hirschfeld-Stiftung durchgeführt werden. Unter Berücksichtigung dieser Forschungsergebnisse werden wir zu einer den Interessen der Betroffenen gerecht werdenden Rehabilitierung und Entschädigung kommen können. Durch die heutige Beschlussfassung kann der Bundesrat ein beachtliches Zeichen setzen, dass er das Ziel der Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen mit Nachdruck verfolgt und für eine umfassende Wiedergutmachung in diesem Sinne eintritt.

Niemand bezweifelt, dass die damaligen Verurteilungen gegen die Menschenwürde verstoßen. Wenn man sich dieses vor Augen führt und sich zugleich bewusst macht, welchen Repressalien und welcher Stigmatisierung die Betroffenen im Alltag aufgrund der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung ausgesetzt waren, ist es eine Pflicht des demokratischen Rechtsstaats, die verurteilten Menschen zu rehabilitieren und zu entschädigen. Wer sich entgegen dieser Auffassung hier auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beruft, nach denen die strafrechtlichen Verurteilungen verfassungsgemäß gewesen sind, verkennt, dass eine bundesverfassungsgerichtliche Prüfung der Verurteilungen am Maßstab der Menschenwürde nicht stattgefunden hat. Es steht dem demokratischen Rechtsstaat gut zu Gesicht, wenn er angesichts der Schwere des Verfassungsverstoßes als verfassungswidrig erkannte Verurteilungen aufhebt oder mindestens die Möglichkeit zu deren Aufhebung schafft.

Bei aller Diskussion um die rechtlichen Hürden einer Rehabilitierung, darf das Ziel nicht aus den Augen verloren werden. Gesellschaftlich haben wir bereits eine Entwicklung vollzogen der sexuellen Identität des Menschen mit dem gebotenen Respekt und der geforderten Achtung zu begegnen. So ist die ebenfalls auf der heutigen Tagesordnung des Bundesrats anstehende Beratung des Gesetzentwurfs zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner ein weiterer – wenn auch nur kleiner – Schritt, rechtlich nachzuvollziehen, was tatsächlich in der Lebenswirklichkeit schon Konsens ist. Der Gesetzentwurf der Länder zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartner, der derzeit noch in den Ausschüssen des Bundesrates beraten wird, ist ein weiterer Baustein, um die gesellschaftliche Entwicklung und das gewandelte Werteverständnis nachzuzeichnen. Eine gesetzliche Rehabilitierung und Entschädigung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter erwachsenen Verurteilten ist in diesem Zusammenhang eine Notwendigkeit, die mit dem Mitteln des Rechts noch umzusetzen ist. Ohne diese Umsetzung bleibt die bloße Anerkennung der Verfassungswidrigkeit der Verurteilungen letztlich hohl und unglaubwürdig.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.07.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln