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Landtagsrede der Nds. Justizministerin zum Entschließungsantrag „Wirksame Resozialisierung von Inhaftierten ermöglichen!“ der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/3554

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 5. Juni 2015, Erste Beratung (TOP 29)


Es gilt das gesprochene Wort!

„Aus den niedersächsischen Justizvollzuganstalten werden täglich Strafgefangene entlassen und kehren in die Gesellschaft zurück. Diese Menschen sind dann wieder unsere Nachbarn. Deshalb müssen der Übergang aus der Haft in die Freiheit und die Wiedereingliederung gründlich vorbereitet und dort, wo es erforderlich ist, auch begleitet werden.

Alle Fachleute sind sich einig: Damit sich die Chancen straffällig gewordener Menschen für eine erfolgreiche Resozialisierung weiter verbessern, bedarf es der intensiven Zusammenarbeit aller am Übergangsmanagement beteiligten Partner: der Vollzugsanstalten, des Ambulanten Justizsozialdienstes, der freien Träger der Straffälligenhilfe, der Kommunen, der Akteure des Arbeitsmarktes und der Sozialversicherungsträger. Ich begrüße deshalb den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Dieser benennt klar die Bedeutung der beteiligten gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen an der Resozialisierung.

Zu Recht würdigen Sie die Leistungen der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzuges. Die hier erzielten Ergebnisse sprechen für sich: So hatten beispielsweise rund 95 Prozent der Strafgefangenen im ersten Quartal dieses Jahres nach ihrer Entlassung eine Unterkunft und gültige Ausweispapiere. Etwa 40 Prozent aller entlassenen Strafgefangenen verfügten über eine Anschlussbeschäftigung, im Jugendvollzug waren es sogar fast 70 Prozent.

Auch mir ist es ein Anliegen, mehr über die Wirksamkeit der im Vollzug durchgeführten Betreuungs- und Behandlungsangebote zu erfahren. Gemeinsam mit Hessen haben wir deshalb ein Verfahren zur Messung der Wirksamkeit unserer Maßnahmen entwickelt. Wir werden dieses Verfahren ab 2016 zunächst in zwei Anstalten erproben. Dort werden dann zu Beginn und zum Ende der Haft bei einer ausgewählten Stichprobe von Inhaftierten eine Reihe von Daten erfasst. Diese erlauben Rückschlüsse auf Entwicklungen während der Haftzeit und somit auf die Wirksamkeit der durchgeführten Behandlungsmaßnahmen.

Die schon jetzt erkennbaren Erfolge des Justizvollzuges, die sich allein in der Zahl der schulischen und beruflichen Abschlüsse widerspiegeln, verpuffen jedoch, wenn es anschließend nicht gelingt, nahtlos an das Erreichte anzuschließen und die Rückkehr in die Gesellschaft optimal zu gestalten. Deshalb müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzuges und des Ambulanten Justizsozialdienstes eng zusammenarbeiten und weitere Hilfeeinrichtungen einbeziehen. In den letzten Jahren haben wir hierdurch die Qualität des Übergangsmanagements erheblich weiter entwickeln können.

Besonders angewiesen auf eine nahtlose Anschlussbetreuung sind psychisch kranke und suchtmittelabhängige Gefangene. Dem im Entschließungsantrag angesprochenen integrierten Versorgungskonzept sind wir schon ein großes Stück näher gekommen. Ich habe mit der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover und Oldenburg-Bremen eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Diese ermöglicht, dass suchtmittelabhängige Inhaftierte die für einen Therapieplatz erforderliche Kostenzusage bereits während der Haft erhalten. Niedersachsen hat hier bundesweit eine Vorreiterfunktion.

Psychisch erkrankte Inhaftierte müssen nach der Entlassung nahtlos psychiatrisch weiter betreut werden. Sie können nicht auf einen Termin beim niedergelassenen Facharzt warten. Zu diesem Thema befindet sich die Fachabteilung meines Hauses im Austausch mit dem Sozialministerium, um gemeinsam mit den Sozialpsychiatrischen Diensten der Kommunen einen gangbaren Weg zu finden.

Weitere Hürden, die eine erfolgreiche Wiedereingliederung erschweren, versuchen wir im Verbund mit den anderen Bundesländern zu überwinden. Gearbeitet wird aktuell an

  • Fragen der arbeitsmarktorientierten Beratung sowie der Berufsorientierung und Qualifizierung von Gefangenen durch die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter,
  • an Beratungs- und Vermittlungsangeboten für geeigneten Wohnraum durch kommunale Einrichtungen,
  • an der gesetzlichen Gewährleistung der Leistungsbescheidung von Ansprüchen der Grundsicherung, der Arbeitsförderung und der Sozialhilfe sowie
  • an dem Ziel, Entscheidungen über krankenversicherungsrechtliche Zuständigkeiten bereits vor der Entlassung herbeizuführen.

Ich sehe zudem die Notwendigkeit, das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz erstmalig seit seinem Inkrafttreten im Jahr 2007 zu novellieren. So möchte ich die Besuchsmöglichkeiten erweitern und hier noch stärker als bisher die Bedürfnisse der Kinder von Gefangenen berücksichtigen. Sie sind häufig Sekundäropfer der Tat ihrer Väter! Neben der notwendigen Täterarbeit müssen künftig die Belange der Opfer stärker in den Blick genommen werden. Das Bemühen um eine Wiederherstellung des Rechtsfriedens soll Gestaltungsmerkmal des Vollzuges werden.

Der Vollzug muss den Inhaftierten die Teilnahme an den Maßnahmen ermöglichen, die dem Vollzugsziel der Resozialisierung dienen. Die Arbeitspflicht soll nicht in Frage gestellt werden. Nach den Erfahrungen der Anstalten muss aber das Verhältnis von Arbeit und Behandlungsmaßnahmen neu justiert werden!

Niedersachsen hat einen gut funktionierenden, modernen und wirksamen Justizvollzug. Die Landesregierung arbeitet daran, ihn kontinuierlich weiter zu verbessern. In diesem Sinne freue ich mich sehr über Ihre Initiative und die weiteren Diskussionen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
05.06.2015

Ansprechpartner/in:
Frau Marika Tödt

Nds. Justizministerium
Pressesprecherin
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Tel: 0511 / 120-5043
Fax: 0511 / 120-5181

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